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Zubereitung: Die perfekten Pommes

Foto: Peter Wagner

Wagners Kochschule Zur Mitte, zur Fritte, Geschmack, zack, zack!

Fritto Misto in Venedig, Tempura in Tokio, Pommes-Rotweiß mit Currywurst in Wanne-Eickel - weltweit erfreut sich das Turbo-Garen im siedenden Öl großer Beliebtheit. So auch in unserer neuen Kochschul-Lektion "Frittieren". Zum Auftakt: eine Anleitung für perfekte Fritten.

Die "perfekten Pommes" isst man vielleicht nur ein einziges Mal im Leben. Und dann nie wieder. Denn Geschmackserinnerung ist immer stark vom Moment, von der Situation des Schmeckens abhängig. Kein Wunder also, dass im Rückblick viele ihre besten Fritten im Freibad gegessen zu haben glauben. Am Ende der Sommerferien, wenn um vier Uhr nachmittags die tiefer stehende Sonne schon Schatten wirft auf die Schlange der am Kiosk wartenden Zehnjährigen, zähneklappernd in nassen Badehosen mit dem feuchten Handtuch über der Schulter, eingehüllt in eine Wolke aus Fettdunst und Badebecken-Chlor.

Ich musste etwas länger auf meine Pommeskonfirmation warten: bis Mitte 20, mit ein paar Kumpels in Belgien nach einer mit Genever durchzechten Nacht. Am Folgetag gegen 19 Uhr hofften wir, endlich wieder feste Nahrung zu uns nehmen zu können. Die Pommes in der Brasserie nebenan waren handgeschnitten und kamen in einem riesigen Gusseisentopf als Beilage zu einem noch größeren Tiegel mit frischen Miesmuscheln auf den Tisch. Außen kross, innen saftig-cremig, dazu eine Kelle der typisch belgischen, mit viel Senf zubereiteten Mayonnaise - ein für mich bis heute unerreichtes Fritten-Nirwana.

Kein Wunder, war Belgien doch vor einem guten Vierteljahrtausend das Land, in dem die von spanischen Eroberern nach Europa gebrachte Kartoffel nicht mehr als giftig verschmäht, sondern im großen Stil zur Kohlenhydratversorgung der Bevölkerung angebaut und erstmals auch in Stäbchen geschnitten in Fett gebacken wurde. Pommes stammen nicht aus dem Land der Fast-Food-Erfinder.

Das Fett muss spritzen

Auf beiden Seiten des Atlantiks sind die Sticks im Fettschwimmbecken beliebte Begleiter einfacher Proteinbratkost vom Backfisch bis zur Currywurst, auch wenn sie in der Gastronomie oder im Tiefkühl-Regal meist gar nicht mehr aus längs geschnitzten Kartoffeln bestehen, sondern industriell gefertigte Kunstprodukte aus technisch modifizierter Kartoffelstärke und Wasser sind. Allen gemein ist: Auch wenn man sie zur Not im Backofen oder (das geht aber nur mit dünnen Industrie-Tiefkühl-Pommes) in einer Teflon-Heißluft-"Fritteuse" auf Esstemperatur bringen kann - so richtig lecker wird es erst, wenn das Fett spritzt.

Anders als beim Braten in der Pfanne badet beim Frittieren die komplette Oberfläche des Gargutes im Fett - eine Turbo-Garung. In der Sekunde, in der die Fritten ins brodelnde Bad tauchen, beginnt auf der molekularen Ebene ein Kuddelmuddel: Polymerisierte Triglyceride hüpfen um Oxidationsprodukte mit freier Carboxylgruppe, es zischt und blubbert, es spritzt und gluckert.

Das kommt vor allem vom Wasser im Inneren der Kartoffelzellen, das an den Oberflächen blasig verdampft. Dort verschmelzen gleichzeitig die Stärkemoleküle in der großen Hitze rasch zu einer dünnen Kruste, unter der die Kartoffeln gewissermaßen schonend gedämpft werden. Das Ziel der Übung ist klar: innen schaumig-saftig, aber nicht vor Fett triefend, außen herrlich kross.

Um herauszufinden, wie diese perfekten Pommes entstehen, haben wir eine größere Testreihe mit vier aktuell erhältlichen Kartoffelsorten durchgeführt: Solara (mehlig kochend), Belana (vorwiegend festkochend) und die festkochende Laura aus der Vorjahresernte sowie die festkochende Anabell aus neuer, zypriotischer Ernte. Aus all diesen Kartoffeln schnitten wir Stäbchen von 8 x 8 x 60 Millimeter Größe und bereiteten sie auf jeweils fünf verschiedene Arten zu: roh ins Fett, vorfrittiert bei 130 Grad, danach fertig gekrosst bei 190 Grad Fett-Temperatur sowie auf drei weitere verschiedene Weisen vorgegart, wie es auch Nathan Myhrvold in seinem Kochforschungs-Monolith "Modernist Cuisine" (siehe Buchtipp links) beschreibt.

Klarer Sieger wurde die Belana bei Methode eins und zwei, gleichauf mit der in Kalbsfond sous vide vorgegarten Solara, deren losere Kohlenhydratstruktur sich willig mit dem Umami-reichen Kalbaroma vollgesogen hatte. Wie das alles genau funktioniert, ist ausführlich bei Myhrvold und auch im heutigen Rezept erklärt. Als Beilage zu aromastarkem Essen hätten alle Sorten und Garweisen unserer Testreihe getaugt. Doch nur bei den beiden etwas zeitaufwändigeren Methoden wurden die Pommes in jeder Hinsicht so lecker, dass wir sie am liebsten kiloweise pur, nur mit etwas Meersalz, aber ganz ohne "Schranke" (mit Ketchup und Mayo rot-weiß gestreift) genossen hätten.

Man muss noch nicht mal nach Belgien ins Freibad fahren dafür.

Pommes Rezept: Die perfekten Pommes frites (Beilage oder Snack für 4 Personen)

Vorbereitungszeit: 10 Minuten

Zubereitungszeit: 20 Minuten

Schwierigkeitsgrad: einfach

Zutaten

500 g Kartoffeln, vorwiegend festkochend wie z.B. Belana, Leyla oder Marabel
1 l Erdnussöl
1 Tl feines Meersalz

100 ml heller Kalbsfond (Vegetarier nehmen Gemüsebrühe)

Zubereitung

Kartoffeln schälen und in möglichst gleich dicke Stäbe von ca. 8-10 mm Dicke zuschneiden.

Beide Methoden der zweistufigen Zubereitung erfordern getrennte Garvorgänge. (Achtung: Tiefkühl-Ware und Fertigpommes aus geformtem Kartoffelbrei sind bereits vorgegart und müssen nur noch final frittiert werden).

Vorfrittieren Kartoffeln portionsweise bei möglichst exakt 130 Grad in Fritteuse oder Topf mit eingehängtem Thermometer in dem Öl 3 Min. vorfrittieren. Immer nur so geringe Mengen frittieren, dass die Öltemperatur nicht stark sinkt, sonst saugen sich die Kartoffeln zu sehr voll Fett. Jede Portion im auf 110 Grad vorgeheizten Backofen auf mehreren Lagen Küchenkrepp entfetten. Anschließend das Öl auf 190 Grad erhitzen, die Pommes portionsweise kross frittieren und wieder im Backofen entfetten.

Vorgaren In unserer Forschungsküche garten wir die Sticks aller vier Test-Sorten in drei unterschiedlichen Milieus vor:

1. in leicht gesalzenem Wasser;
2. in Wasser, das mit Natriumhydrogencarbonat versetzt ist (unter den Bezeichnungen Natron, Speisesoda, Backsoda oder Speisenatron erhältlich - bei industrieller Pommes-Herstellung wird oft auch Calciumchlorid oder Calciumlactat zum schnelleren Vorgaren eingesetzt);
3. mit Kalbsfond vakuumiert im 100 Grad heißen Dampf

Dabei werden die Pommes jeweils vollständig durchgegart, bis sie weich sind, aber noch nicht zerfallen. Bevor sie nun in dem 190-Grad-Öl fertig frittiert werden können, müssen sie so gut wie möglich getrocknet werden. Heston Blumenthal, im britischen "Fat Duck" einer der fünf besten Köche der Welt, benutzt hierfür sogar eine Vakuumkammer; zu Hause könnte man das Trocknen z.B. mit der Kaltluftstufe eines Haarföhns beschleunigen. Wichtig ist nur, dass die Kartoffeloberflächen vor dem Eintauchen in das 190 Grad heiße Fett so trocken wie möglich sind.

Beim finalen Frittieren stets in Sichtweite bleiben, denn die Kartoffeln verbrennen schnell und bilden dabei das giftige Acrylamid. In einigen Bundesländern ist die Frittiertemperatur in Gaststätten deshalb gesetzlich auf 175 Grad gedeckelt. Mit hitzetauglichem Fett wie Erdnussöl kann in der Hobbyküche aber gelegentlich bedenkenlos heißer frittiert werden - einfach darauf achten, dass das Gargut maximal goldbraun wird und nicht verbrennt. Zur Vertiefung des Themas eignet sich gut die PDF-Broschüre "Frittierempfehlungen"  des - ja, auch so etwas gibt es - "Verbandes der Speiseöl- und Fettindustrie Österreichs".

Anrichten

In jedem Fall Pommes erst direkt vor dem Servieren salzen; zuvor nicht länger als nötig warm halten. Die Fritten eignen sich als Beilage zu gebratenem oder gegrilltem Fisch und Fleisch, zu gekochter oder gebratener Wurst - oder einfach pur als Snack mit etwas Ketchup und Mayonnaise.

Küchen-Klang

Trotz aller Moden und Trends nicht totzukriegen - so gesehen sind die britischen Wave-Punk-Opas The Stranglers Band gewordene Pommes frites. Nach sechs Jahren Pause und 35 Jahre nach ihrem Album-Debüt zeigen sie auf "Giants" (edel), wie man mit rattenscharfen Basslinien und ewig nörgelndem Gesang ewig jung bleiben kann und sich sogar einen kleinen Ausflug in den Tango erlauben darf.

Getränketipp

Pommes werden oft in Situationen gegessen, in denen nicht unbedingt eine große Weinauswahl zur Verfügung steht. Im Zweifelsfall immer einen leichten, nicht zu ausdrucksstarken Weißwein wie Silvaner oder Müller Thurgau wählen. Meist besser: eine Cola oder ein Bierchen.

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