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Wiener Tageszeitung "Österreich" erfindet "Wetten, dass..?"-Bericht

Unfall? Welcher Unfall? Die Boulevardzeitung "Österreich" hielt "Wetten, dass..?" für so vorhersehbar, dass sie den Bericht schon vor der Sendung fertig hatte: "So rockte Robbie Gottschalk" stand auf der Titelseite - doch die Show wurde abgebrochen, bevor Take That hätten auftreten sollen.

Wien/Hamburg - "Gottschalk: Robbie holte Show aus dem Koma" - so überschrieb die Wiener Tageszeitung "Österreich" einen Artikel über den Auftritt von Take That bei "Wetten, dass..?" am Samstag. Nur: Bekanntlich wurde die Show abgebrochen, nachdem ein Wettkandidat sich beim Versuch, mit Sprungfedern über fahrende Autos zu springen, schwer verletzte. Take That waren als Showhöhepunkt geplant, doch zu ihrem Auftritt kam es nicht mehr. Besonders makaber an der Titelzeile des Blattes: Der Kandidat Samuel K. wurde am Sonntag in ein künstliches Koma versetzt. Sein Zustand gilt als kritisch.

Die Absage erwischte die Redaktion der 2006 gegründeten Tageszeitung "Österreich" auf dem falschen Fuß. Anscheinend im Vertrauen auf die Vorhersehbarkeit der Traditionsshow des ZDF hatte sie in der Abendausgabe des Blattes bereits einen Bericht über die Sendung platziert - auf der Titelseite mit der Zeile "So rockte Robbie Gottschalk" angekündigt.

Im Artikel, der offenkundig vor der TV-Ausstrahlung geschrieben wurde, stand unter anderem "Unser Oscar-Star Christoph Waltz (outete sich vorab als 'Wetten, dass..?'-Muffel) nahm mit Cameron Diaz Platz, um dort mit Teenie-Idol Justin Bieber und der ewig jungen Cher zu plaudern." Zum Zeitpunkt des Unfalls hatten allerdings nur Otto Waalkes und die "Germany's next Topmodel"-Gewinnerin Sara Nuru auf dem Sofa Platz genommen.

Der Verleger und "Österreich"-Gründer Wolfgang Fellner erklärte gegenüber SPIEGEL ONLINE, dass der überholte Artikel nur in einem Teil der Abendausgabe von "Österreich" gestanden habe, die um 16:30 Uhr angedruckt und "in entfernte Regionen von Tirol, Steiermark und Kärnten geliefert" wurde. Es handele sich um etwa 30.000 Exemplare von einer Gesamtausgabe von am Sonntag "fast 800.000 Stück".

Natürlich sei es trotzdem eine unglückliche Geschichte, sagte Fellner: "Sie wird uns eine Lehre sein." Der Verleger verwies darauf, dass es "bisher allgemein üblich war, Show-Acts von 'Wetten, dass..?' in der Abendausgabe zu nennen."

Tatsächlich erweckt auch die "Bild am Sonntag" in ihrer in Österreich ausgelieferten Samstagabendausgabe den Eindruck, als seien der Popsänger Justin Bieber oder die Tätowiererin Kat van D wirklich aufgetreten. Sogar auf die Sprungfeder-Wette wurde eingegangen unter dem Titel "Top, die Wette springt...". Doch im Artikel steht, etwas kurios formuliert, aber inhaltlich korrekt: "Wie die Wette gestern Abend ausging, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest." Auch die Titelzeile ("Bieber kam mit Fieber zu Gottschalk") ist nicht zu beanstanden. Wolfgang Fellner betonte, dass "Österreich" nie vorab über die Wetten berichtet habe.

Das Boulevardblatt "Österreich" war 2006 von dem Verleger Wolfgang Fellner gegründet worden. Erklärtes Vorbild war "USA Today", Fellner träumte von einer "Zeitung neuen Typs" - wahrscheinlich muss er sich für solche Showevents einen neuen Typ Abendausgabe ausdenken.

Titelheld Robbie Williams und seine Bandkollegen äußerten in einer Pressemitteilung Verständnis für den Abbruch der Sendung und drückten die Hoffnung aus, dass der Kandidat Samuel K. schnell und wieder vollständig gesund werde: "Unsere Gedanken sind bei ihm." Robbie Williams habe darum gebeten, auch nach der Abreise aus Düsseldorf telefonisch über den Gesundheitszustand des Kandidaten informiert zu werden.

feb

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