

SPIEGEL ONLINE: Ihr Architekturbüro ist bisher vor allem für Zweckbauten bekannt: Supermärkte, Hotels, Verwaltungstrakte. Nun haben Sie einen spektakulären Entwurf für die höchsten Zwillingstürme der Welt in der chinesischen Zehn-Millionen-Stadt Wuhan vorgelegt. Wie kam das?
Chetwood: Wir arbeiten gerade mit chinesischen Partnern an einem Logistikzentrum in China. Unser Auftraggeber bat uns, auch ein Konzept für den großen See in Wuhan zu entwickeln. Es lag bereits ein Entwurf für eine bewohnte Brücke über dem Wasser vor, aber der hatte nicht den gewünschten Wahrzeichen-Effekt.
SPIEGEL ONLINE: Dem Kunden fehlte also der Wow-Faktor.
Chetwood: Er will ein Wahrzeichen für Wuhan errichten, den Eiffelturm des 21. Jahrhunderts. In China wird gerade der heimische Tourismusmarkt massiv angekurbelt. Viele Chinesen können sich Auslandsreisen nicht leisten, deshalb müssen nun Reiseziele im Inland geschaffen werden. Die Konkurrenz zwischen den chinesischen Städten ist groß, jeder will herausstechen.
Laurie Chetwood, ist der Vorsitzende des Architekturbüros Chetwoods in London. Chetwood ist vor allem für die Entwürfe von Geschäftsgebäuden, Hotels und die Umgestaltung von U-Bahn- und Busstationen bekannt.
SPIEGEL ONLINE: Und da haben Sie zwei Tausend-Meter-Türme vorgeschlagen? Wäre es nicht ein bisschen kleiner gegangen?
Chetwood: Es geht darum, wahrgenommen zu werden. Der Bürgermeister von Wuhan bekommt so viele Projekte vorgelegt, irgendwie müssen sie sein Interesse wecken.
SPIEGEL ONLINE: Deshalb haben Sie als Farbe Pink gewählt?
Chetwood: (lacht) Ja, das war ein Grund. Die Farbe passt aber auch zu den spektakulären Sonnenuntergängen in der Gegend. Die Höhe hat auch einen bestimmten Zweck: Wir wollen Thermik zur Energiegewinnung nutzen. Sie müssen sich das wie einen Schornstein vorstellen: Am Boden erwärmte Luft steigt im Turm nach oben und treibt eine Turbine an. Je höher der Turm ist, desto besser funktioniert das.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie den Bürgermeister überzeugt?
Chetwood: Er war sehr angetan. Aber wir sind noch in einem frühen Stadium. Wir hoffen, dass wir bis Ende des Jahres den Zuschlag erhalten. Dann könnten wir in die Detailplanung einsteigen. Bis 2022 könnten die Türme fertig sein.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie überhaupt schon mal einen Wolkenkratzer gebaut?
Chetwood: Nur 15 Stockwerke. Aber als Architekt müssen Sie nicht alles Fachwissen selbst haben. Man muss nur wissen, was man braucht. Wir arbeiten mit dem Statiker zusammen, der den Shard (310 Meter hoher Wolkenkratzer in London, Anm. der Red) gebaut hat.
SPIEGEL ONLINE: Wenn Ihr Projekt tatsächlich umgesetzt wird, wären es schon die Türme Nummer zwei und drei, die die Tausend-Meter-Marke erreichen. Nummer eins ist der Kingdom Tower in Saudi-Arabien, der bereits im Bau ist. Wozu sind solche Türme gut, die diese magische Grenzen übersteigen?
Chetwood: Das hängt vom Einzelfall ab. Es ist eine Chance, die Menschen zu inspirieren. In China gibt es auch einen gewissen Domino-Effekt. In Wuhan stehen bereits einige hohe Gebäude, und als wir mit unserem ersten Entwurf ankamen, bat uns der Kunde, höher zu gehen.
SPIEGEL ONLINE: Gibt es eine Grenze nach oben?
Chetwood: Ich bin kein Statiker, aber ich bin sicher, irgendwann wird jemand auch einen 1500-Meter-Wolkenkratzer bauen.
SPIEGEL ONLINE: Mit wachsender Höhe sinkt die Fläche der Stockwerke. Wie viel von Ihren Türmen ist tatsächlich nutzbar?
Chetwood: Die Büros, Restaurants und Wohnungen sind alle in der unteren Hälfte untergebracht. Darüber ist nur Platz für die verschiedenen Umwelttechnologien, zum Beispiel die Windturbine. Jeder Turm ist wie ein Maibaum konstruiert: Das Gebäude hängt an Stahlseilen von einem langen Mast in der Mitte. Die beiden Masten sind im Seeboden verankert.
SPIEGEL ONLINE: Zwischen den beiden Türmen hängen drei Kugeln, schwebende Restaurants, die die Türme miteinander verbinden. Ein Anblick wie aus einem Science-Fiction-Film.
Chetwood: In Großbritannien würden die Menschen sofort in Frage stellen, ob so etwas überhaupt machbar ist. Es gibt einen Mangel an Ehrgeiz. In China hingegen wollen sie nur wissen, wie wir das schaffen können.
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2018 sollen in der chinesischen Stadt Wuhan die höchsten Zwillingstürme der Welt (Zeichnung) mit einer Höhe von 1000 Metern entstehen.
"Es geht darum, wahrgenommen zu werden. Der Bürgermeister von Wuhan bekommt so viele Projekte vorgelegt, irgendwie müssen sie sein Interesse wecken", sagt Architekt Laurie Chetwood.
Auch die Farbe ist bewusst gewählt. "Sie passt zu den spektakulären Sonnenuntergängen in der Gegend", sagt Chetwood.
In guter Gesellschaft: In Wuhan reihen sich die Wolkenkratzer aneinander.
Blick auf Wuhan: Die Zehn-Millionen-Metropole soll ein neues Wahrzeichen bekommen - einen "Eiffelturm des 21. Jahrhunderts".
Viele Chinesen können sich Auslandsreisen nicht leisten, deshalb müssen nun Reiseziele im Inland geschaffen werden. Die Konkurrenz zwischen den chinesischen Städten ist groß, jeder will herausstechen.
Die Architekten haben nicht nur darauf geachtet, dass das Design gut aussieht, sondern vor allem auf eine umweltfreundliche Konzeption. Geplant ist, dass sich die Türme über Solarsysteme und Windturbinen selbst mit Energie versorgen können.
In drei der Kugeln werden Restaurants eröffnet, welche durch Skywalks mit den Türmen verbunden sind.
Die Mitarbeiter des Londoner Architektenbüros "Chetwoods", welche den Auftrag für die Zwillingstürme bekamen, sind bekannt für ihre innovativen Entwürfe. 2009 gewannen die Architekten mit ihrem Vorschlag für eine mögliche Umgestaltung der London Bridge den ersten Platz bei der "New RIBA Ideas Competition". Anlass war der 800. Geburtstag der weltbekannten Brücke.
In Wuhan (ent)stehen noch mehr Hochhäuser: Modell von der Greenland International Financial City an. Diese Wolkenkratzer sind 666 Meter hoch.
The Shard in London: Laurie Chetwoods Architekturbüro will für die Zwillingstürme in Wuhan mit dem Statiker, der für The Shard verantwortlich war, zusammenarbeiten.
Sonne über London: The Shard. 310 Meter ist das Gebäude hoch.
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