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Fotografie: Die besten Bilder des World Press Photo Awards

Foto: Mads Nissen/ Politiken/ Panos Pictures/ Laif/ Scanpix

World Press Photo Award "Ein modernes Romeo und Julia"

Zwei junge Männer im Bett: Mads Nissen setzte mit seinem Foto ein Zeichen gegen Homophobie in Russland - und hat dafür jetzt den World Press Photo Award gewonnen. Wie ist das Bild entstanden?

SPIEGEL ONLINE: Herr Nissen, Sie haben vor einigen Stunden erfahren, dass Sie für Ihr Foto "Jon and Alex" mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet worden sind. Was haben Sie geantwortet, als Sie den Anruf bekamen?

Nissen: Als die mich anriefen, war ich gerade auf dem Weg zu einem Portraittermin mit einem berühmten dänischen Künstler. Ich war total baff. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe. Aber ich habe das Gespräch zum Glück aufgenommen.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Foto zeigt einen intimen Moment zwischen zwei jungen Männern. Was ist die Geschichte dahinter?

Nissen: Wir sehen ein junges schwules Paar, das eine offene Beziehung hat: Jon und Alex. Sie befinden sich gerade im Schlafzimmer von Alex' Wohnung in St. Petersburg, es ist zwei Uhr nachts. Das Foto zeigt einen sexuellen Augenblick zwischen den beiden. Das ist das, was man sieht. Aber die Fotos, die ich am meisten mag, erzählen Geschichten, für die es keine Worte gibt. "Jon and Alex" versinnbildlicht für mich die Liebe in einer gefährlichen Umgebung. Ein modernes "Romeo und Julia".

SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie Jon und Alex kennengelernt?

Nissen: 2013 habe ich mit einem großen Fotoprojekt über die Homophobie in Russland begonnen. Ich fotografierte Attacken gegen Homosexuelle oder die Macher von Videos, in denen Homosexuelle gefoltert werden. Irgendwann wurde mir klar, dass etwas fehlt. Der Kern. Und das ist die Liebe. Eines Nachts im Mai wurden mir Jon und Alex von einem Bekannten vorgestellt. Wir tranken Bier und sprachen lange. Ich fragte sie, ob ich zu ihnen nach Hause dürfe. Und sie sagten zu.

SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie es geschafft, ihr Vertrauen zu gewinnen?

Nissen: Das ist das Wichtigste daran, Fotograf zu sein. Wenn man sich Menschen reinen Herzens annähert und ihnen erklärt, warum man sie fotografieren will, kann das klappen. Wie gewinnt man das Vertrauen von einem guten Freund? Mit Ehrlichkeit.

SPIEGEL ONLINE: Ist Ihr Foto ein politisches Statement gegen die Homophobie?

Nissen: Das würde ich so nicht sagen. Ich bin zwar für Toleranz und gegen Homophobie. Und all meine guten Geschichten entstehen, wenn ich persönlich in die Thematik eintauche. Aber ich bin Journalist und mache keine PR für die LGBT-Bewegung.

SPIEGEL ONLINE: Wie sind Sie auf das Thema gestoßen?

Nissen: Als ich vor Jahren in Russland war, ging ich zu einer Demonstration der Homosexuellen. Da stand Pawel, dieser unschuldige Typ, Anfang 20. Plötzlich lief ein Hooligan auf ihn zu: "Du Schwuchtel!" Pawel antwortete ganz ruhig: "Ja, ich bin homosexuell." Dann fing der Hooligan an, ihn zu schlagen. Ich war schockiert, dass so etwas in einer modernen Gesellschaft passieren kann, auf offener Straße. Sollte ich weinen oder schreien? Mir wurde bewusst, dass ich Fotos machen musste, um das besser zu verstehen. Also machte ich mich an die Arbeit.

SPIEGEL ONLINE: Was haben Sie über das Thema gelernt?

Nissen: In Russland werden Homosexuelle offen unterdrückt. Zum einen macht das der Staat mit Gesetzen, die sich gegen "schwule Propaganda" richten. Zum anderen machen das homophobe Gruppen mit körperlicher Gewalt. Die russische Gesellschaft ist geprägt von starken Ressentiments gegenüber Homosexuellen - und das obwohl die Russen im Laufe der Geschichte immer auch für eine kulturelle Offenheit standen. Man schätzt, dass 80 Prozent der russischen Bevölkerung Homosexualität ablehnen. In Russland ist das Foto bereits veröffentlicht und löst Diskussionen aus. Ob Fotos etwas ändern können? Es passiert ja schon.

SPIEGEL ONLINE: Als Sie das Foto schossen, wussten Sie da schon, dass das Bild preiswürdig sein könnte?

Nissen: Manchmal schieße ich ein Foto und weiß: Das ist der perfekte Moment. Bei diesem Bild habe ich gar nicht daran gedacht. Vielleicht lag das am Bier oder an der Uhrzeit. Ich habe einfach drauf losgeschossen.

SPIEGEL ONLINE: Wissen Sie, was Sie mit dem Preisgeld von 10.000 Euro machen werden?

Nissen: Ich werde das machen, was ich immer mache, wenn ich Geld habe: Neue Geschichten finanzieren. Und meine Miete zahlen.

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