Zaimoglu-Oper Die kapitalistische Faust kracht auf Neukölln

Jasmin Schulz als Sandy und Adrian Becker als Immobilienhai Fred in "Discount Diaspora"
Foto: Matthias HeydeEin Immobilienhai geht um in Berlin- . Fred heißt er, und er hat von seiner Firma den Auftrag, alles aufzukaufen, was lukrativ aussieht. Zum Discount-Preis. Es lohnt sich, denn Neukölln ist dabei, das zu werden, was das benachbarte Kreuzberg schon jetzt ist: eine Touristenattraktion. Die Menschen kommen aus aller Welt und allen deutschen Provinzen, um hier das echte Leben zu bestaunen. Parallelgesellschaften sind keine Bedrohung mehr, sondern ein Fotomotiv wie in China Town oder Little Italy. Und wer jetzt die Alteingesessenen rausschmeißt, kann hier schon bald ein schickes Hotel errichten.
Dieses durchaus realistische Szenario entwerfen die Autoren und Günter Senkel in ihrem neuen Stück "Discount Diaspora". Eigentlich ist es ein Libretto, denn die beiden haben das Stück im Auftrag der Neuköllner Oper geschrieben, vertont wurde es dann von den Brüdern Vivan und Ketan Bhatti. Am 17. März soll die Uraufführung stattfinden.
Die Neuköllner Oper gehört zu einer Reihe von kleinen Theatern, die seit Jahren in dem Viertel engagierte Stücke auf die Bühne bringen, in denen es immer auch um die Menschen in der unmittelbaren Umgebung geht. Gerade wurde die Leiterin des "Ballhaus Naunynstraße" dafür mit einer hohen Auszeichnung geehrt.
"Die kapitalistische Faust kracht auf die Eckkneipe"
"Noch ist das Viertel ja in anderen Zusammenhängen in den Schlagzeilen", sagt Zaimoglu über den "Problemkiez" Neukölln. "Aber wir hatten keine Lust auf die Migrationsnummer, die gerade so in ist." Das Programm des Autoren-Duos Zaimoglu und Senkel lautete deshalb: "Besichtigung des kapitalistischen Realismus". Die Probleme, so betont Zaimoglu immer wieder, die Viertel wie Neukölln haben, seien nicht ethnischer, sondern sozialer Natur. "Die kapitalistische Faust kracht auf die Eckkneipe genauso wie auf das Männercafé, in dem die türkischen Rentner Skat spielen."
Zaimoglu und Senkel liefen also durch die Straßen und stellten sich vor, wie es hier in ein paar Jahren aussieht: "Hier wird es bald einen Galeristen geben, dann einen Antiquitätenhändler, der den Nostalgiekrempel der Alteingesessenen verkauft, es wird einen Biobäcker geben, ein Yogastudio und einen hippen Club, und dann kommen die Modeläden, in denen Frauen mit schlechtem Geschmack viel Geld ausgeben, um grauenhaft auszusehen."
Das ist die Stunde des Immobilienhais, bei Zaimoglu und Senkel heißt er Fred, ein "Ritter des Kapitals". Die Autoren lassen Fred aber bald in Neukölln verschwinden. Er taucht unter in diesem Kiez, verliebt sich in eine junge ostdeutsche Prostituierte und beschließt, sich nun in Neukölln heimisch zu fühlen. "Reiche Nomaden lieben ja ein gewisses Maß an Entwurzelung", sagt Zaimoglu.
Patrizia, eine junge blonde Kollegin von Fred, der er beigebracht hat, "wie man einen Kapitalsturm entfesselt", muss ihn schließlich suchen gehen. Mehr verrät Zaimoglu nicht, nur: "Es wird kein gutes Ende nehmen, sowohl für Fred als auch für Patrizia".
Aber auch für die "kleinen Leuten" haben die Autoren keine Sozialromantik nach dem Muster "arm, aber gut" übrig. "Es ist ein durch und durch machiavellistisches Stück", betont Zaimoglu. Einziger Lichtblick: "Bei der Musik siegt die Melodie über die Dissonanz."
Discount Diaspora. Uraufführung am 17.3. in der Neuköllner Oper . Auch am 19., 20., 24., 25., 26., 27. und 31.3., Tel. 030/68 89 07 77.