ZDF-Reporter Réthy "Das macht einen über Nacht berühmt"
SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie den Bildausfall während des EM-Halbfinales im ersten Augenblick erlebt?
Réthy: Ich war völlig überrascht, als ich auf einmal den Hinweis aufs Ohr bekam, dass die Zuschauer kein Bild sehen. Ganz ehrlich, so etwas ist mir während meiner 16-jährigen Laufbahn als Live-Reporter noch nie passiert.
SPIEGEL ONLINE: Wie ging es weiter?
Réthy: Ich erhielt die Anweisung, "bitte Radio kommentieren". Das bedeutet, dass ich genauer auf die einzelnen Spielszenen eingehen muss. Was für mich nicht problematisch war, weil ich die ganze Zeit, im Gegensatz zu den Zuschauern, ein Bild zur Verfügung hatte. Als Kommentator erhalte ich diese aus dem Übertragungswagen am Stadion. Die Bilder der Zuschauer werden dagegen über das Internationale Sendezentrum der Uefa in Wien ausgestrahlt. Und das wurde durch das starke Gewitter lahmgelegt.
SPIEGEL ONLINE: Gibt es denn keine Ersatzbilder für Notfälle?
Réthy: Das frage ich mich auch. Es ist ein bisschen verwunderlich, dass die Uefa keine zur Verfügung hatte. Auf jeden Fall war ich froh, als die Kollegen nach einigen Minuten auf die Bilder des Schweizer Fernsehens zugreifen und wir den Zuschauern wieder mehr als nur meine Stimme bieten konnten.
SPIEGEL ONLINE: Es wirkte ein bisschen irritierend, als Sie anschließend das Tor von Miroslav Klose schon Sekunden vor dessen Vollendung beschrieben.
Réthy: Das lag daran, dass meine Bilder nach dem Stromausfall für einen kurzen Augenblick zeitversetzt zu denen der deutschen Zuschauer abliefen. So was kann in solchen Momenten passieren.
SPIEGEL ONLINE: Wer unterstützt Sie in solchen Situationen?
Réthy: Mein Redakteur Martin Schneider. Er begleitet mich schon seit 13 Jahren bei allen Spielen und hat mich auch gestern über die weiteren Entwicklungen im Sekundentakt informiert, so dass wir relativ schnell wieder alles im Griff hatten. Schon witzig, dass das Chaos ausgerechnet in meiner Geburtsstadt Wien ausbrach. Aber was bleibt mir anderes übrig, als cool zu bleiben?
SPIEGEL ONLINE: Klingt, als ob Sie den dramatischen Vorfall bereits verarbeitet hätten.
Réthy: Naja, als alles überstanden war, habe ich mich erst mal in die Hotel-Lobby gesetzt und tief durchgeatmet. Ich muss zugeben, dass mir die Szenen noch Stunden nach dem Match durch den Kopf schwirrten und ich nicht wirklich viel geschlafen habe in der letzten Nacht. Aber wissen Sie, was das Schöne in solchen Momenten ist?
SPIEGEL ONLINE: Was?
Réthy: Ich spüre, dass der Reiz an meinem Job für mich auch nach 16 Jahren noch nicht verflogen ist, weil ich vor den Übertragungen nie zu hundert Prozent weiß, was auf mich zukommt. Diesmal habe ich es sogar mit Foto in die Boulevard-Zeitungen geschafft. Obwohl, ehrlich gesagt, könnte ich darauf auch verzichten. Aber es sind doch immer diese verrückten Momente, die einen über Nacht berühmt machen.
Das Interview führte Cathrin Gilbert