Zeitungskrieg in den USA Abhörskandal entzweit journalistische Elite

Zurückgetretener Dow Jones-Chef Les Hinton: Sein Abgang besänftigt die Kritiker nicht
Foto: LUCAS JACKSON/ REUTERSHamburg - Gleich der erste Satz kommt einer Kriegseklärung gleich: "Jetzt ist es offiziell: Das 'Wall Street Journal' wurde Fox-ifiziert", lautet das Eingangs-Statement in einem Leitartikel, den der renommierte Kolumnist Joe Nocera am Freitag in der "New York Times" veröffentlicht hat - eine Anspielung darauf, dass Rupert Murdoch das verdienstvolle Konkurrenzblatt inzwischen für eigene Belange instrumentalisiert hat.
Der australische Medienmogul mit amerikanischer Staatsbürgerschaft verleibte den "Wall Street Journal"-Verlag Dow Jones vor vier Jahren seinem eigenen Zeitungsimperium News Corp ein und installierte ein paar seiner treuesten Leute. Der US-Sender Fox, der schon länger in Murdochs Besitz ist, unterstützt unverblümt die Republikaner. Die an zentraler Stelle geäußerte Kritik Noceras ist also nichts weniger als eine Klageführung, dass das "Journal" seine politische Unabhängigkeit eingebüßt habe.
Anlass ist die Berichterstattung des "Wall Street Journals" über die "News of the World"-Affäre: Nach Noceras Meinung habe man erst sehr zögerlich über die Geschichte berichtet - und später dann auch noch ein Interview mit Rupert Murdoch abgedruckt, das sich wie eine reine PR-Maßnahme liest. Für den Mann von der "New York Times" eine publizistische Kapitulation.
Schadenfreude und Selbstbeweihräucherung
Das "Wall Street Journal" schlägt jetzt zurück. Am Montag veröffentlichte man eine Erklärung in eigener Sache, in der man auf die "Angriffe" der "Mitbewerber" einging. Darin lobt man den aufklärerischen Impetus, den man selbst in Sachen Abhöraffäre an den Tag gelegt habe - und belobigte den kurz zuvor zurückgetretenen Geschäftsführer des Dow Jones-Verlags, Leslie Hinton, als absolut glaubwürdig: "Mr. Hinton sagte, er wusste nichts über das groß angelegte Hacking", heißt es da. Und weiter: "Wir haben keinen Grund, an ihm zu zweifeln - gerade aufgrund unser persönlichen Erfahrungen mit ihm."
Leslie Hinton gilt als engster Vertrauter Rupert Murdochs, hat dessen Verlagsimperium mitaufgebaut und war von 1997 bis 2005 verantwortlich für News Corp - also in jener Zeit, in der die Abhör-Affäre um das inzwischen eingestellte Skandalblatt "News of the World" ihren Anfang nahm. Zur Beglaubigung von Hintons publizistischem Ethos wird im "Journal"-Statement nun darauf verwiesen, dass dieser im journalistischen Bereich aufgestockt habe, als alle andere US-Zeitung ihre Leute entlassen hätten.
Nach dieser Selbstbeweihräucherung wird süffisant gegen die Konkurrenz gekeilt: "Wir glauben, dass der Leser die kommerziellen und ideologischen Beweggründe, mit denen uns die Konkurrenz kritisiert, durchschaut." Alles "Schadenfreude", meint das "Journal" und benutzt tatsächlich das Lehnwort aus dem Deutschen. Außerdem wolle man sich nun wirklich nicht von Publikationen belehren lassen, die Julian Assange and WikiLeaks moralisch abgesegnet hätten. Eine Anspielung nicht nur auf die "New York Times", sondern auch auf den britischen "Guardian". Beide Zeitungen haben mit WikiLeaks kooperiert und ausgiebig über die Enthüllungen in dem Abhörskandal berichtet.
Wie man den Schlagabtausch der beiden Prestige-Blätter "New York Times" und "Wall Street Journal" auch bewertet, eines ist sicher: Der englische Abhörskandal hat nicht nur Amerika erreicht - er vertieft auch nachhaltig die Gräben der journalistischen Elite dort.