Zum Tode Charlton Hestons Der Adler ist gelandet
Man kann sich schwer entscheiden, welches Bild bleibt, wenn man an die letzten öffentlichen Auftritte von Charlton Heston denkt. Ist es der martialische Moment? Im Jahr 2000, bei der Hauptversammlung der National Rifle Association (NRA), deren Präsident er damals war, stand Heston, damals 76, auf, hob die mitgebrachte Flinte (ein Imitat) über den Kopf, wie damals, als Moses in "Die zehn Gebote", fletschte die Zähne und schmetterte den liberalen Politikern mit ihren Waffenkontroll-Gesetzen entgegen: "Ich gebe euch mein Gewehr, wenn ihr es euch aus meinen kalten, toten Händen holt."
Oder ist es die unheimliche Szene aus Michael Moores Anti-Waffen-Dokumentation "Bowling for Columbine" (2002), als Heston von dem hartnäckigen Filmemacher heimgesucht wird und den aufgeplusterten Links-Propagandisten einfach stehen lässt? Kampflos, ohne ein Wort. Resigniert vielleicht. Oder bereits gezeichnet von der Alzheimer-Krankheit, die im selben Jahr bei ihm diagnostiziert worden war. In einer rührenden Fernseh-Ansprache hatte Heston sich damals von seinem Publikum verabschiedet, "falls er zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr dazu in der Lage sein würde".
Charlton Heston war einer der letzten Stars des alten Hollywood, neben Kirk Douglas einer der letzten starken Männer, der die Ecken und Kanten nicht nur in den vielfach beschworenen und karikierten Granit-Zügen seines Gesichts trug, sondern auch im Herzen und im Charakter. Den Liberalen der Filmbranche galt er spätestens 1998 als Anti-Christ, als er den Vorsitz der NRA übernahm und mit reaktionären Parolen polarisierte.
Das per Verfassung garantierte Recht des Amerikaners, Heim und Herd notfalls mit der Waffe zu verteidigen, war dem alternden Schauspieler wichtig. So ungern der als kontaktscheu und eigenbrötlerisch bekannte Star über sein Privatleben redete, so bereitwilllig bekannte er in Interviews, dass er nicht zögern würde, Diebe und Eindringlinge zu erschießen, wenn seine Familie in Gefahr geriete. Dem demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton hielt Heston in seiner Amtseinführung als NRA-Vorsitzender entgegen: "Mr. Clinton, Sir, Amerika vertraut Ihnen nicht das Gesundheitssystem an, Amerika vertraut Ihnen nicht seine 21-jährigen Töchter an, und wir, Herr im Himmel, vertrauen Ihnen ganz sicher nicht unsere Waffen an."
Doch Charlton Heston war nicht immer das konservative Raubein und der eisenharte Bewahrer der ureigensten amerikanischen Werte. Anfang der Sechziger marschierte er als einer der wenigen weißen Hollywood-Stars mit dem schwarzen Bürgerrechtler Martin Luther King. Erst 1964, nach der Ermordung Kennedys, schloss er sich dem erzkonservativen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater an und wechselte die Seiten. "Ich habe meine Politik nicht geändert, es war die Demokratische Partei, die sich verändert hat", sagte er einmal.
Ein Querkopf, ein gnadenloser Individualist - und ein großer Star, der mit seinem glühenden Blick und seinen zum strahlenden Lächeln oder zehrendem Schmerz entblößten Zähnen Massen bewegen konnte. Der große Monumental-Regisseur Cecil B. De Mille war einer der ersten, der das Potential Hestons erkannte.
Nach einem zufälligen Zusammentreffen engagierte der Hollywood-Mogul den damals vielbeschäftigten, aber noch nicht weltberühmten Schauspieler für die Rolle des Moses in seiner dreistündigen Bibel-Verfilmung "Die zehn Gebote", die 1955 in die Kinos kam. Heston als bärtiger Mose, das rote Meer teilend, die Gebotstafeln über den Kopf erhoben, das sind Bilder, die in die Filmgeschichte eingingen und Heston als perfekten Darsteller für mythische Historien-Figuren auf den Plan rief. Ein US-Kritiker, beseelt von der intensiven, inbrünstigen Spiel des jungen Mannes, erkannte in Hestons Darstellung des gottgesandten Israeliten-Führers auch ein Abbild des klassischen amerikanischen "Frontiersman", der sein ungewisses Schicksal in den Weiten des Wilden Westens sucht.
Heston, 1924 als John Charles Carter in der Keinstadt Evanston, Illinois, geboren, nahm diese Rolle in zahlreichen Western an, zuletzt, und wohl am beherztesten, als alternder, vereinsamter und desillusionierter Cowboy Will Penny in dem gleichnamigen Spätwestern von 1968. Doch nach dem Erfolg der "Zehn Gebote" glänzte Heston zunächst in zahlreichen historischen Rollen: Ob als Michelangelo, als US-Präsident Andrew Jackson, als Johannes der Täufer in einer weiteren Bibel-Verfilmung oder als spanischer Freiheitskämpfer El Cid Hestons edles, von Kanten-Kinn und Adlernase geprägtes Profil sorgte für Pathos und große Gesten im boomenden Genre des Monumentalfilms.
Den Oscar bekam Heston für "Ben Hur" - mit der Darstellung einer mytischen Figur
Seinen einzigen Oscar bekam Heston 1960 für "Ben Hur". Die von Hollywood-Routinier William Wyler verfilmte Geschichte eines judäischen Prinzen, der sich gegen die Herrschaft Roms auflehnt, wurde mit damals rekordverdächtigen elf Trophäen ausgezeichnet. Das spektakuläre Wagenrennen gehört zu den definierenden Momenten der Filmgeschichte. Wieder hatte Heston eine mythische Figur mit Leben gefüllt, bezeichnend an seinem Spiel blieb stets, dass er neben all den Schauwerten, die das Monumentalkino auf die Leinwand häufte, nie verblasste, sondern mit gewaltiger, statuenhafter Präsenz standhielt. So wurde Charlton Heston selbst zum Schauwert, zum Kino-Monument.
Als das Studio-System zusammenbrach und Hollywood mit "Easy Rider" und rebellischen Filmemachern in eine neue Ära stürmte, suchte sich auch Charlton Heston neue Rollen. Als epische, fast übermenschliche Figur war er genau die richtige Besetzung für dystopische Science-Fiction-Filme wie "Planet der Affen" (1968), in dem er als einziger Überlebender die Würde und das Erbe der Menschenrasse verteidigen muss. Schon immer für seinen muskelbepackten Körper bewundert, war Heston im "Planet der Affen" erstmals in einer Nacktszene zu sehen. Ein Prometheus unter Primaten. Auch in dem Endzeit-Thriller "Der Omega-Mann" (1971) spielt Heston den letzten seiner Art. Verschanzt in einem Haus, vollgestopft mit unbrauchbarem Luxus, setzt er sich gegen eine virenverseuchte Sekte unheimlicher Nachtwesen zur Wehr am Ende opfert er sein Leben für eine bessere Zukunft. Held und Märtyrer, Einzelgänger und Führerfigur es waren die urtypischen amerikanischen Rollen, in denen Charlton Heston am besten war und am beliebtesten.
In ihrer Rezension von "Planet der Affen" schrieb die berühmte amerikanische Kritikerin Pauline Kael: "Mit seinem perfekten, schmalhüftigen Körper ist Heston ein gottgleicher Held. Für pure Kraft und Stärke gebaut, ist er ein Archetyp für das, was Amerikaner gewinnen lässt. Er repräsentiert amerikanische Macht und er hat das Profil eines Adlers." Heston selbst war sich seiner Übergröße bewusst und sagte einmal mit viel Ironie: "Ich habe drei Präsidenten, drei Heilige und zwei Genies gespielt. Wenn das keine Ego-Probleme verursacht, weiß ich auch nicht, was sonst.
Die Neuzeit hatte dem Schauspieler Charlton Heston nicht viel zu bieten. Schon in den achtziger Jahren wurden die Leinwand-Auftritte spärlicher, die Filme schlechter. Als patriarchalisches Familienoberhaupt im "Denver Clan"-Ableger "Die Colbys" feierte er für eine Weile ein Comeback auf dem Fernsehschirm, doch am Ende seiner langen Karriere blieben die politischen Auftritte eindrucksvoller als die künstlerischen. Die Ikone schien aus der Zeit gefallen, ein Mahner aus der Vergangenheit, ein Bewahrer und Beschwörer von altem Glanz und alter Größe, das hochgereckte Gewehr eine letzte Geste der Abwehr einer ungewissen Zukunft.
So bleibt als letztes Bild die Schluss-Sequenz aus "Planet der Affen": Heston, hoch zu Ross, bewaffnet, den Oberkörper mit einer Art Toga verhüllt, reitet am Strand entlang und entdeckt die gestürzte Freiheitsstatue, bis zur Fackel im Sand vergraben. "You Maniacs!", zürnt Heston mit biblischem Furor. "You blew it up! Ah, damn you! God damn you all to hell!"