Zum Tode Lothar Günther Buchheims Poltergeist mit Phantasie

Seine Schimpftiraden über "Sesselfurzer" und "Politkulturschranzen" sind legendär, ebenso wie sein autobiografischer Roman "Das Boot", der zum erfolgreich verfilmten Weltbestseller wurde. Jetzt starb der Schriftsteller, Maler und Kunstsammler Lothar Günther Buchheim im Alter von 89 Jahren.
Von Jenny Hoch

Ein bisserl was Buntes stellte sich der Bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber damals für seinen Freistaat vor. Etwas, das sich harmonisch neben die Laptops und die Lederhosen einfügen sollte. Da kam ihm die Idee des als "spinnert" bekannten Kunstberserkers Lothar Günther Buchheim gerade recht. Der träumte schon seit Jahren davon, für seine exquisite Expressionisten- und Volkskunst-Sammlung ein Museum zu bauen. Am liebsten in seinem Heimatort Feldafing. Doch die dort ansässigen "Gullyratten" (Zitat Buchheim) wollten den ewig grantigen Mann mit seinen Bildern aus Angst vor touristischen Massenanstürmen nicht.

Flugs erklärte Stoiber das Museum zur Chefsache, erkor Günter Behnisch, den Erbauer des Münchner Olympiastadions, zum Architekten des neuen Baus und pumpte 38 Millionen Mark in das Projekt. Im Mai 2001 war es dann so weit: Buchheims "Museum der Phantasie" wurde in Bernried am Starnberger See feierlich eröffnet.

Aber, wie es seine Art war, richtig zufrieden war Buchheim noch immer nicht. Zwar hatte er eine großzügige, helle und moderne Villa mit Seeblick für seine schon damals auf über 200 Millionen Mark geschätzte Sammlung bekommen, doch ein "Museum in den Wolken", wie er es sich immer vorgestellt hatte, war es seiner Meinung nach nicht geworden. Für seine Kirchners, Heckels und Pechsteins, seine unzähligen Masken, Zirkuspferde und Papierbeschwerer, seinen Krimskrams aus Fernost und seine Heiligenbilder hatte er sich eine Art Wunderkammer erträumt. Hochkunst und Triviales, so seine Idee, sollten sich munter mischen, und nicht, wie es nun der Fall war, sorgfältig getrennt in eleganten Museumsräumen ausgestellt werden.

Streit ging Buchheim grundsätzlich nicht aus dem Weg, das war auch bei der Verfilmung seines autobiografischen Romans "Das Boot" so, in dem er seine Erlebnisse als Kriegsberichterstatter auf U-Booten im Zweiten Weltkrieg verarbeitete. Als das Buch 1973 erschien, verkaufte es sich mehr als drei Millionen Mal. Als Wolfgang Petersen es 1981 mit Jürgen Prochnow und Herbert Grönemeyer verfilmte, war es von Anfang an als Großprojekt von internationalem Zuschnitt angelegt. Die Dreharbeiten verschlangen über 25 Millionen Mark, 1983 war der Film für insgesamt sechs Oscars nominiert (wovon er keinen gewann), bis heute gilt er als weltweiter Erfolg.

Picasso gegen Hammelkeule

Der einzige Mitwirkende, der darüber schimpfte, war Buchheim. Gerne hätte er das Drehbuch zu dem Film selbst geschrieben, aber genommen wurde schließlich das von Regisseur Wolfgang Petersen. Er mischte sich trotzdem immer wieder ein, terrorisierte Petersen mit Telefonanrufen und distanzierte sich später von der Verfilmung, obwohl er bei den Dreharbeiten fast ständig vor Ort gewesen war. "Er ist mir entglitten. Es ist nicht mehr 'mein' Film, obwohl das überall behauptet wird", schrieb er 1981 in einem Beitrag für das Magazin "Geo".

Zeit seines Lebens beschäftigte sich Buchheim mit der Kunst und dem Schreiben. Er wurde am 6. Februar 1918 in Weimar als Sohn einer Malerin geboren. Bereits mit 15 Jahren eröffnete er die erste Ausstellung seiner eigenen Zeichnungen, die heute zum Teil im Dresdner Kupferstich-Kabinett ausgestellt werden; mit 16 war er für eine Wochenendseite einer Tageszeitung verantwortlich.

Nach dem Abitur studierte er an den Kunstakademien in Dresden und München. Schon als Student reiste er mit Hammelkeulen im Rucksack nach Paris und tauschte die in Deutschland verschmähten Delikatessen gegen Gemälde von Picasso und Braque. Später nahm er als Marineleutnant am Zweiten Weltkrieg teil und erlebte als Kriegsberichterstatter U-Boot-Operationen im Atlantik sowie in der Straße von Gibraltar mit.

Legendäre Widerständigkeit

Nach dem Krieg betätigte sich Buchheim als Kunstschriftsteller und Kunstverleger. In seinem Verlag erschienen zahlreiche von ihm selbst verfasste Überblickswerke, unter anderem zu den Künstlervereinigungen "Die Brücke" und "Der Blaue Reiter".

Beispiele für seine legendäre Widerständigkeit gibt es viele. 2001 etwa gab er die Ehrenbürgerschaft der Stadt Chemnitz zurück, nachdem man dort seine Kriegszeichnungen nicht ausstellen wollte. Er selbst bezeichnete sich als geizig ("Das war schon immer so, und ich fühle mich wohl dabei") und als fortschrittsrenitent. In der Münchner "Abendzeitung" sagte er: "Ich habe kein Handy, ziehe meine Uhr mit der Hand auf, fotografiere mit altmodischen Kameras, habe kein Radio und keinen Fernseher. Den habe ich vor 20 Jahren verbrannt. Dazu ist mir die Zeit zu schade."

Nur bei seiner Sammlung schien er sich wohlzufühlen. Bis zuletzt ließ sich der eigenwillige alte Mann mit der charakteristischen schwarzen Augenklappe von seiner langjährigen Ehefrau Diethild ("Ditti") im Rollstuhl durch sein Museum schieben. Auch sie hatte er - wie alle anderen auch - oft genug im Kommandoton angeblafft. Aber damit musste sich jeder, der mit ihm zu tun hatte, wohl oder übel abfinden.

Wie heute bekannt wurde, erlag Lothar Günther Buchheim bereits gestern 89-jährig einem Herzleiden.

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