Zum Tode Rudi Carrells Austeiler, Einstecker, Allrounder

Rudi Carrell war ein Entertainer alter Schule mit stets neuen Ideen. Stil, Ironie, Eigensinn gaben ihm ein unverkennbares Profil. Man wird ihn schmerzlich vermissen - um so mehr, da die Betriebsnudeln des Klamauks die Fernseh-Unterhaltung schleifen.

Da war sein stummer Abschiedsauftritt im Dezember letzten Jahres in der RTL-Show "7 Tage 7 Köpfe", bei dem er sich darauf beschränkte, per Ziehen an einer Schnur ein Glas Wasser in Harald Schmidts Schoß zu entleeren. Da war sein bewegender Kraftakt bei der Entgegennahme der Goldenen Kamera für sein Lebenswerk, Anfang Februar dieses Jahres, als er mit schwacher Stimme selbstironisch seine Krebs-Krankheit kommentierte und der deutschen Pharmaindustrie für die Ermöglichung seines Hierseins dankte.

Schließlich erschien im März das "SZ"-Magazin mit einem abgehärmten Rudi Carrell auf dem Titel und der Zitat-Zeile "Ich habe nichts dagegen, wenn dieses Interview erst nach meinem Tod erscheint". Es kam also nicht ganz überraschend, als sein Entdecker-Sender Radio Bremen, der ihn 1965 nach Deutschland holte, heute morgen meldete, Rudi Carrell sei bereits am Freitag, den 7. Juli, 71-jährig in Bremen gestorben. Einen kleinen Schock und einen großen Verlust bedeutet die Nachricht trotzdem - sie dürfte, Generationen übergreifend, viele Erinnerungen auslösen.

König des Wochenendes

Carrells kreativste Zeit waren die späten siebziger und frühen achtziger Jahre, als er mit Formaten wie "Am laufenden Band" (1974-79) und später "Rudis Tagesshow" (1981-87) Erfolge feierte. Es war die Hochzeit der großen Samstagabend-Unterhaltung, als sich noch die ganze Familie vor dem Bildschirm einfand und das Fernsehgeschehen anschließend den Gesprächsstoff bestimmte.

Es war die Zeit von Urgesteinen wie Peter Frankenfeld und Harald Juhnke ("Musik ist Trumpf"), Hans-Joachim Kulenkampff ("Einer wird gewinnen"), Wim Thoelke ("Der große Preis"), Hans Rosenthal ("Dalli-Dalli") und Peter Alexander - bis auf letzteren, der kürzlich 80 wurde, sind alle verstorben. Die präsentierte Spiele waren banal - bei "Am laufenden Band" durften die Kandidaten Gegenstände mitnehmen, die sie sich merken konnten -, aber die Kunst des Entertainments genoss noch einen anderen Stellenwert, und der abwägende Vergleich zwischen den genannten Großkalibern war seinerzeit eine beliebte Beschäftigung des Boulevards.

Carrell nahm schon damals eine Sonderstellung ein: Zwischen dem jovialen Kulenkampff, dem egozentrischen Juhnke, dem biederen Thoelke und drolligen Hänschen Rosenthal wirkte der in Alkmaar geborene Showmaster immer eine Spur frecher, ironischer. Wird man von Rosenthal wohl ewig seine vom Publikum bestellbaren Luftsprünge in Erinnerung behalten ("Sie sind der Meinung, das war spitze!"), so war das Carrellsche Pendant dazu nicht umsonst die etwas fiesere Kandidaten-Belehrung "Das wäre Ihr Preis gewesen!". Dazu passte, dass er in der Folge mit "Rudis Tagesshow" (1981-87) einen frühen Vorläufer der heute allgegenwärtigen Comedy an den Start brachte und einmal gar diplomatische Schwierigkeiten heraufbeschwor, als er in einem Sketch den Eindruck erweckte, der iranische Ajatollah Chomeini werde von seinen Jüngern mit Damenunterwäsche beschenkt.

Alte Schule, neue Ideen

Natürlich waren bei weitem nicht alle Projekte des rastlosen Unterhaltungskünstlers von Erfolg gekrönt: Über das Filmschaffen ("Tante Trude aus Buxtehude") des Bundesverdienstkreuzträgers etwa sollte man gnädig den Mantel des Schweigens breiten, von seinem Wirken als Schlagersänger dürfte vor allem der 1975 veröffentlichte Song "Wann wird's mal wieder richtig Sommer?" in Erinnerung bleiben. Und manche TV-Versuche wie "Die Post geht ab" (1993, RTL) oder die ARD-Internetshow "Rudis Suchmaschine" (2000) kennt zurecht keiner mehr.

Alles in allem aber war der in einer Unterhalter-Familie groß gewordene Allrounder Carrell, der mit 17 Jahren ohne Abschluss das Gymnasium verließ und von seinem Vater die Grundlagen des Showgeschäfts von der Pike auf erlernte, ein Tele-Visionär, ein so ideenreicher wie immer wieder erfolgreicher Formate-Entwickler: So etablierte er von 1987 bis 1993 die Single-Show "Herzblatt", die später auch mit anderen Moderatoren für Quote sorgte. Und nachdem das Genre der großen Samstagabend-Unterhaltung bis auf "Wetten, dass...?" ausgestorben war, schuf er sich mit dem satirischen Wochenrückblick "7 Tage 7 Köpfe" bei RTL ein neues Forum, das er bis Ende 2002 als Moderator, später als Produzent betreute.

Unbequem und nicht immer diplomatisch blieb er bis zuletzt: Noch gut in Erinnerung ist Carrells seinerzeit nicht eben kollegiale Prognose, Anke Engelke werde als Late-Night-Nachfolgerin Harald Schmidts scheitern. (Leider traf Carrell ins Schwarze.) Vielleicht ist das eine angemessene Weise, Rudi Carrell in Erinnerung zu behalten: als einen Profi, der austeilen, aber auch einstecken konnte; als einen, der geliebt werden wollte, aber nicht um jeden Preis. Und als einen, der sich treu blieb - bis zum Schluss.

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