"Zweite Chance" Friedman beim Aufbau-Verlag engagiert
Frankfurt/Main - Der frühere Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, wird beim Berliner Aufbau-Verlag Herausgeber für den Programmbereich "Politisches Buch". Das teilten er und Verlagschef Bernd F. Lunkewitz am Mittwoch auf der Frankfurter Buchmesse mit. Vor drei Monaten hatte Friedman eine Geldstrafe wegen Kokainbesitzes akzeptiert und seinen Rücktritt von allen öffentlichen Ämtern erklärt.
Der ehemalige TV-Moderator wird nicht nur die Gesamtveranwortung über den Sachbuchbereich bei dem Verlag übernehmen, sondern soll auch selbst jährlich sechs Buchprojekte betreuen, dazu zwei eigene Interview-Bücher mit Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Friedman sagte, er sei sehr froh, wieder publizistisch tätig werden zu können und durch Arbeit und kreative Leistung zu überzeugen. Er fügte hinzu: "Ich empfinde das als zweite Chance und große Herausforderung."
Verlagschef Lunkewitz sagte, niemand in Deutschland sei besser geeignet, den Anspruch des Programms, die öffentliche Streitkultur zu fördern, zu vertreten als Friedman. Seine Kreativität und sein Engagement stärkten das Angebot des Aufbau-Verlags. Einer der größten Bucherfolge des Verlages sind die Tagebuchaufzeichnungen Victor Klemperers aus der NS-Zeit.
Rückkehr zum Fernsehen nicht ausgeschlosssen
Das erste der Interview-Bücher soll nach Angaben Friedmans in genau einem Jahr auf dem Markt erscheinen. Zu den Zielen für die Interviews sagte der frühere TV-Moderator: "Es geht um Tiefe, um Biografien, um Brüche und um Sein und Schein." Er wolle nicht nur Politiker befragen, sondern auch andere Persönlichkeiten, die sich politisch engagieren. Friedman sagte, er wolle einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die politische Kultur in Deutschland aus dem derzeitigen "Stillstand, der Langeweile und Verflachung" ausbricht.
Eine Rückkehr auf den Bildschirm wollte Friedman nicht ausschließen. Obwohl seine Leidenschaft auch das Fernsehen sei, stelle sich die Frage momentan aber nicht. In den nächsten Monaten werde er sich auf die neue Aufgabe beim Aufbau-Verlag konzentrieren. Als "außerordentlich unwahrscheinlich" bezeichnete Friedman die Möglichkeit, dass er seine eigenen Erlebnisse niederschreibt.
Der Hessische Rundfunk (HR) teilte unterdessen mit, noch nicht über eine mögliche neue Friedman-Sendung in seinem Fernsehprogramm entschieden zu haben. HR-Intendant Helmut Reitze verwies auf einen Mitte November beginnenden Prozess gegen eine Menschenhändlerbande vor dem Berliner Landgericht. Bei den Ermittlungen in diesem Verfahren war auch Friedman ins Visier der Fahnder geraten. "Solange dieser Prozess läuft und in der Öffentlichkeit breit darüber berichtet wird, ist weder der Start einer neuen Talkshow mit Friedman noch eine Entscheidung darüber möglich", sagte Reitze. Ursprünglich war eine Entscheidung über eine weitere Zusammenarbeit des Hessischen Rundfunks mit Friedman für den Herbst geplant.