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FUNK-KOLLEG GIück im Heim

aus DER SPIEGEL 20/1966

Wissenschaft ist seit vergangenem Donnerstag für jeden zu haben, der das Zweite Programm des Hessischen Rundfunks hören kann und will. Für die ohnehin allmonatlich fällige Rundfunkgebühr von zwei Mark darf man dabeisein beim Heim-Studium auf Universitätsniveau, das der Hessische Rundfunk gemeinsam mit den Universitäten Frankfurt, Gießen und Marburg und der Technischen Hochschule Darmstadt organisiert.

In einem »Funk-Kolleg« halten hessische Professoren in diesem Sommer für Werktätige, Hausfrauen, Rentner und Jung-Hörer Vorlesungen über Themen wie »Methoden und Grundfragen der Wirtschaftstheorie« und »Wandlungen der Rechtsidee«. Vom Herbst an wird ein noch anspruchsvolleres Programm geboten. Jeweils ein Fernsemester lang kommen nur Professoren einer Disziplin - etwa der Volkswirtschaft, der Geschichte oder der Philosophie:

- zu Wort und bieten ihren Hörern einen

in sich geschlossenen Zyklus von Vorlesungen.

Zu jeder Kollegstunde (Honorar ab Herbst 500 Mark) gehört eine Seminar -Stunde (Honorar 750 Mark), zu der jeder Professor auf eigene Kosten Assistenten und Studenten ins Studio mitbringen muß. Der Vorlesungsstoff wird vor den Ohren der Stuben-Studenten noch einmal gemeinsam durchgearbeitet.

Hessens Professoren, angeführt von dem Frankfurter Universitäts-Rektor Walter Rüegg, brachen mit alter Tradition. Zwar sind Gelehrte schon seit jeher in bundesdeutschen Funkstudios gern gesehene Gäste. Doch galt bislang das ungeschriebene Gesetz, vor Mikrophonen dürften nicht dieselben Ansprüche gestellt werden wie in den Hörsälen. Und niemand, der sein Radio als Bildungsquelle nutzte, konnte sich seinen Eifer bescheinigen lassen.

Vorlesungen am hessischen »Funk -Kolleg« aber werden dasselbe Niveau und dieselben Themen haben wie Vorlesungen an den hessischen Universitäten. Und die Heim-Studenten können sich schriftliche Aufgaben erbitten, auf zehn Schreibmaschinenseiten ein Thema behandeln und ihr Werk von dem Funk -Professor zensieren lassen.

Gute Noten öffnen den Weg zu kostenlosen Wochenend-Seminaren an Hessens Heimvolkshochschulen. Wer daran erfolgreich teilnimmt, erhält ein weiteres Zertifikat. Es hat denselben Wert wie ein Seminar-Schein der Universität.

Vor allem für Werktätige ohne Abitur, für Lehrer und für Studenten eröffnen sich damit neue Perspektiven: Wer zwei Zertifikate vorweist, hat gute Chancen, zur sogenannten Begabtenprüfung des Kultusministeriums zugelassen zu werden, und kann, wenn er sie besteht, ohne Abitur studieren.

Studienräte, die am »Funk-Kolleg« teilnehmen, können zumindest für das Fach Sozialkunde - möglicherweise später auch für andere Fächer - eine Prüfung ablegen und dann in diesem Fach unterrichten.

Und Studenten hessischer Universitäten haben bei Themen, über die Vorlesungen sowohl im Hörsaal als auch im Rundfunk gehalten werden, fortan die Wahl, ob sie einen Professor in der Universität oder daheim auf der Bude hören wollen.

Frankfurter Rektor Rüegg

Rechtsideen für Hausfrauen

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