BIOGRAPHIEN Glückskinds Abenteuer
Verzweiflungsausbrüche und Grübelei waren nie meine Art« -- Fritz Molden hätte sich die Selbstkommentierung in seinem Buch sparen können: Was er faktisch berichtet in diesen Jugenderinnerungen, spricht für sich selbst, kein Leser könnte ihn für ein Kind von Traurigkeit halten.
Molden, 52, der so gern und erfolgreich Memoiren und Autobiographien verlegt (Swetlana, Knef, Papillon), hat sich nun also einschlägig selbst publiziert, im eigenen Verlag. Es ist ihm nicht zu verargen: Was er mitzuteilen hat, liest sich interessanter als mancher andere Titel seines Programms.
Der Sohn eines Wiener Chefredakteurs und einer Dichterin, der Sproß einer Bürgerfamilie, deren Mitglieder »immer fanatische Österreicher gewesen« waren, das Glückskind aus der -- nun dankbar liebevoll beschriebenen -- heilen »Welt der Osterleitengasse« stürzt sich um 1937 in »prächtige Schlägereien« mit Wiener Jung-Nazis. Nach dein »Anschluß« verschwört er sich in einer Almhütte mit Freunden aus der katholischen Jugendbewegung; im Haus des Weihbischofs von Innsbruck drucken sie ein Antinazi-Flugblatt -- Auftakt, noch ziemlich verspielt, einer Widerstandskarriere« der, bei allem Ernst und aller Gefahr, doch stets ein Hauch von Räuber-und-Gendarm-Romantik anhaftet.
Der 17jährige wird, 1941, von der Wiener Gestapo verhaftet; aus der Haft meldet er sich freiwillig an die Front. Ein Militärarzt, der Rilke und Jünger liest, hilft ihm in Rußland aus dem Strafbataillon heraus. Mit 18 ist er Dolmetscher beim Wehrmachts-Beschaffungsstab in Paris und flirtet mit einer badischen Baronesse. Mit 19 hat er in Berlin erste Kontakte zum deutschen Widerstand. Der Canaris-Mitarbeiter Oberst Lahousen weist ihn einer »Wirtschaftskontrollgruppe für Italien« zu.
Nach dem Badoglio-Putsch entwaffnet der junge Fritz italienische Soldaten. In Mailand dolmetscht er bei der deutschen »Puffstreife«. In Florenz kontaktiert er italienische Widerständler. Von Verhaftung bedroht, desertiert er und schlägt sich zu Partisanen durch. 1944 taucht Molden in Mailand unter, wo er eine »schöne, blonde« Renata liebt. Er gelangt in die Schweiz, trifft dort den Europa-Chef des US-Geheimdienstes OSS, Allen Dulles (dessen Schwiegersohn er später, nicht mehr im Buch, für ein paar Jahre sein wird), erhält die Codenummer K 28 und wird Verbindungsmann zu österreichischen Widerstandsgruppen, bei deren Koordinierung er mithilft.
In deutscher Uniform, mit falschen Papieren, pendelt er zwischen der Schweiz. Italien und Deutschland, zwischen Berlin, Wien und dem US-Hauptquartier in Caserta, wegen »Fahnenflucht und Hochverrat als Bandenführer« steckbrieflich gesucht. In Österreich kassiert er von Landsleuten, die sich rückversichern wollen, Spenden für die Widerstandsbewegung.
Im Frühjahr 1945 wird Molden von den Amerikanern in Bari im Fallschirmspringen ausgebildet. Doch »für diesen Sport in keiner Weise geeignet«, landet er beim ersten Einsatz prompt im falschen Alpental. Nach dem Einmarsch der Amerikaner amtiert er zehn Tage als »Sicherheitsdirektor« für Tirol. Auf einer Alm verhaftet er den ehemaligen Reichsjugendführer und letzten Reichsstatthalter von Wien, Baldur von Schirach, der ihn sogleich eifrig über Schandtaten anderer Nazigrößen informiert und »in herzzerreißenden Tönen von seinen Rettungsaktionen für die Juden in Wien« erzählt. Als Assistent des späteren Außenministers Karl Gruber debütiert der 21jährige schließlich in der österreichischen Nachkriegspolitik.
Ein toller Bursche! Dabei kann man ihm kaum etwa Aufschneider-Töne nachsagen, übrigens auch keine Larmoyanz in der Schilderung der von seinen Eltern erlittenen Quälereien durch die Gestapo. Eher schon stört die eine oder andere Stil-Insuffizienz. Über einen Kameraden, der in russischem Sumpf versank: »Es war ein merkwürdiges Gefühl, dieser erste Tote für mich im Krieg, und noch dazu ein so ausgefallener Tod.«
Fritz Molden möchte gern in der Geschichte seiner abenteuerlichen Jünglingsjahre mehr sehen als das: Sie sei, so hat er seinen Verlag waschzetteln lassen, »die Geschichte einer Jugend zwischen dem Abendrot eines untergegangenen Reiches und dem grellen Schein des Atomzeitalters«. Aber solchen Bombast hat das Buch gar nicht nötig. Auch die »Auseinandersetzung mit dem Ich«, die es führen soll, hält sich in Grenzen. »Fepolinski unf Waschlapski«, hatte der Vater, ein Heine-Gedicht ("Crapülinski und Waschlapski") paraphrasierend, den Sohn mit seinen besseren und schlechteren Eigenschaften benannt -- ein netter Familienschnack, den der Autobiograph, über seinen Buchtitel hinaus, glücklicherweise nicht allzusehr strapaziert. Rolf Becker