FOTOGRAFIE Griff in die Zeitkapsel
Seit zwölf Jahren liegt der Pop-Guru im Grab, doch sein Nachlaß ist noch längst nicht vollständig ausgepackt: Ab und an öffnet das Andy Warhol Museum in Pittsburgh ein paar jener aberhundert Pappkartons, die der Künstler »Zeitkapseln« nannte und in denen er verstaute, was ihm unter die Finger geriet. Da kommen Perücken und angegammelte Schokoladentafeln ans Licht, vor allem aber Fotos, Fotos, Fotos. Warhol fotografierte als Arbeitsschritt vor der Bildproduktion in Malerei und Siebdruck, machte aber eine Manie daraus - 60 000 bis 100 000 Abzüge soll er hinterlassen haben. Nun zeigt eine Ausstellung der Hamburger Kunsthalle diesen Werkkomplex erstmals zusammenhängend, freilich in weiser Beschränkung auf rund 350 Beispiele (13. Mai bis 22. August). Immer sind Leute im Bild: Freunde, Promis oder einfach zahlungskräftige Auftraggeber. Warhol hat sie in die Fotoautomaten-Zelle gescheucht oder ist ihnen mit Polaroid- oder Kleinbildkamera zu Leibe gerückt. Die Hamburger Schau vergleicht die teils neu entdeckten Fotos auch mit den plakativen Bild-Ikonen, zu denen sie ihm häufig dienten. Jane Fonda etwa, die 1982 samt Friseur und Visagisten anrückte und sich, so Warhol, »verdammt charmant« aufführte, erscheint auf einem Schnappschuß salopp in Lockenwicklern, das anschließend entstandene Leinwand-Diptychon verherrlicht und verflacht sie zum knallbunten Idol.