KARRIEREN »Große Sprachlosigkeit«
SPIEGEL: Herr Conradi, warum wollten Sie nicht mehr Verleger sein und haben 2005 den von Ihnen gegründeten Berlin-Verlag verlassen?
Conradi: Es war ein guter Zeitpunkt. Ich war da 60 Jahre alt, dem Verlag ging es gut, der Umsatz hatte sich verdoppelt. Außerdem akzeptierte man bei Bloomsbury, den neuen Besitzern, Elisabeth Ruge als Nachfolgerin.
SPIEGEL: Was hat sich auf dem deutschen Buchmarkt seit Gründung des Berlin-Verlags 1994 geändert?
Conradi: Ich war 30 Jahre im Verlagsgeschäft, der ökonomische Druck ist enorm geworden. Er zwingt die literarischen Verleger, mehr in die Unterhaltung auszuweichen, und das hasse ich. Oder man muss sich selber und die wenigen Mitarbeiter, die man sich leisten kann, extrem ausbeuten, was auch kein Vergnügen ist.
SPIEGEL: Jetzt haben Sie einen Job bei der American Academy in Berlin angenommen. Was haben Sie da zu tun?
Conradi: Ich bin verantwortlich für Einladung und Betreuung der Gäste, der Fellows, die aus Amerika nach Deutschland kommen.
SPIEGEL: Wie finden Sie Ihre Fellows?
Conradi: Mir gefällt besonders, dass ich in die USA reisen und alte Kontakte zu Verlegern und Autoren pflegen kann. Arthur Miller und Jeffrey Eugenides waren schon Fellows der Academy, eine gute Tradition also. Es kommen auch schon Wissenschaftler, Politiker und Wirtschaftsleute in die Akademie.
SPIEGEL: Mit welchem Ziel?
Conradi: Die Academy hat in Europa nur einen Sitz, eben in Berlin. Die Absicht ist, den deutsch-amerikanischen Kontakt aufrechtzuerhalten.
SPIEGEL: Ist das denn nötig?
Conradi: Das ist gerade im Moment sehr nötig. Als Folge des Irak-Kriegs hat sich das Verhältnis zwischen Deutschland und Amerika eingetrübt. Mich erinnert das an die Zeit des Vietnam-Kriegs. Nur dass damals der Protest sehr lebhaft war, während jetzt große Sprachlosigkeit herrscht. Noch vor zehn Jahren hätte in der Presse die Entführung eines deutschen Staatsbürgers durch die CIA zu einer ungeheuren Empörung geführt.
SPIEGEL: Können Sie bei Ihren neuen Arbeitgebern Kritik an den USA äußern?
Conradi: Die Academy ist keine staatliche, sondern eine rein private Organisation, finanziert durch Spendengelder. Meine politischen Positionen sind bekannt, man weiß auch, dass ich für Kanzler Schröder gearbeitet habe.