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MALEREI / NEUE TENDENZ Großer Louis

aus DER SPIEGEL 43/1969

Aus den kalifornischen Bergen schrieb der Maler Peter Young, 29, nach Köln: »Ich hasse das ganze Kunstgeschäft.« Die Botschaft kam gerade recht zum dritten Kölner »Kunstmarkt«.

Doch Young mag hassen, soviel er will. Für die Galeristen, die sich letzte Woche zur nun schon gewohnten Jahresmesse junger Kunst versammelten, ist er ein rechter Trostspender. Der gemütvolle Hippie, der seine Briefe gern mit »Frieden« oder auch »Liebe« unterzeichnet, gilt als Protagonist einer neuen Mal-Avantgarde.

Nach allerlei -- kaum noch verkäuflichen -- Objekt- und Licht- und Land-Kunstwerken scheint nun mal wieder die handelsübliche, doch häufig totgesagte Malerei ganz vorn zu sein. Ihre bislang letzten Zuckungen werden derzeit in einer als Parallele zum »Markt« eröffneten Ausstellung im Kölnischen Kunstverein vorgeführt.

Diese »Tendenz zeitgenössischer Malerei« (Ausstellungstitel) bestreiten 17 Künstler, meist aus New York und meist um 30; in ihren durchweg ungegenständlichen Gemälden dominieren romantisches Farbenspiel und eine nur durch die Farben erzielte trügerische Tiefenwirkung. Ein »abstrakter Illusionismus« (so die amerikanische Kritikerin Barbara Rose über die noch nicht einheitlich etikettierte Richtung) war in solchem Sinn freilich auch dem Bauhausmeister Josef Albers, nun 81, mit seinen Quadratbildern gelungen. Aktuell scheint hei den Novitäten hauptsächlich die Verbindung des Tiefentricks mit individuellen Bildmustern zu sein -- doch kaum überzeugend.

Young beispielsweise ("Ich nenne meine Bilder psychedelische kapitalistische Meisterwerke") stellt Farbvibrationen aus knopfgroßen Tupfern her, die er zu gefälligen Mustern ordnet. Dan Christensen, 27, spritzt mit einer Farbpistole bunte Linienarrangements, deren spontaner Schwung den Farbwirbeln des amerikanischen Action-Painters Jackson Pollock (1912 bis 1956) nahesteht. Hingegen ähneln die verhuschten Illuminationen von Lawrence Stafford, 31, und die fleckigen, fast monochromen Bilder, die William Pettet, 27, in vielen Schichten auf die Leinwand sprüht, eher den Werken europäischer Altabstrakter.

Mag auch solche Ähnlichkeit von Fall zu Fall nur Zufall sein -- der Durchbruch zu einem großen neuen Stil ist mit derart formlosem Changeant sowenig geglückt wie mit jenen eckigen Farbstreifen, die der New Yorker Alan Cote, 32, auf Leinwand-Vielecke verteilt.

Unerreicht bleibt der frappante Kunstgriff des 1962 verstorbenen Amerikaners Morris Louis, reine Farben in Streifen auf die Maifläche zu schütten.

Louis, der in der »Tendenz«-Ausstellung als ein Vorläufer figuriert, wird denn auch längst als Klassiker gewertet und bewertet. So bot letzte Woche beim »Kunstmarkt« die Kölner Galerie Rudolf Zwirner einen großen Louis zu 180 000 Mark an. Ein weiteres, ebenso teures Louis-Bild hat sich Zwirner selbst gegönnt.

Der Markt, zu dem diesmal 22 Kunsthändler zugelassen waren, präsentierte sich so kraus und bunt wie je. Der Düsseldorfer Akademie-Professor Joseph Beuys hat einen Volkswagen in die Kunsthalle gerollt und 24 Rodelschlitten mit Happening-Requisiten abgeladen: Filzrollen, Taschenlampen und hartes Fett. Andere »Markt«-Objekte: Jugendstilvasen (von der Firma Tobiès und Silex) sowie Pop-Nuditäten des Berliners Fritz Köthe und bleierne »Antiform«-Kunst, die der Galerist Rolf Ricke herantransportiert hatte.

Neben so sperriger Ware hat Ricke, gleichzeitig Organisator der Malerei-Ausstellung, auch viele der neuen Bilder zu verkaufen. Er verkauft sie schon ganz gut, zu Preisen ab 4000 Mark.

Nach den raren Gemälden von Peter Young -- der Künstler ist nur selten zur Arbeit aufgelegt -- stehen Rickes Kunden allerdings zumeist vergebens an. Das letzte »kapitalistische Meisterwerk« hat gerade für 10 000 Mark der Aachener Schokoladefabrikant und für seinen Neuheiten-Spürsinn berühmte Kunstsammler Peter Ludwig abbekommen.

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