STARS Gruppenbild mit Romy
Werderscher Friedhof, West-Berlin, bei Einbruch der Dunkelheit. Riesige Filmscheinwerfer beleuchten ein Familiengrab. Vom Himmel stäubt malerisch Regen in das grelle Licht. Das Filmteam, unter Schirmen um die Panavisionskamera gruppiert, wartet auf den Star.
Es ist der 33. Drehtag der Böll-Verfilmung »Gruppenbild mit Dame«. Der Star, Romy Schneider, 38, verläßt den Wohnwagen, vor dem einige ältliche Damen und junge Mädchen ausharrten, »Romy« von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Die Dauerbrennerin der Regenbogenpresse, die 1953 mit »Wenn der weiße Flieder wieder blüht« in Berlin ihren ersten Film drehte, marschiert festen Schritts zur Aufnahme für ihren 50. Film. Es ist ihr erster deutscher seit über 15 Jahren.
Mit einer Zigarette schräg im Mundwinkel betritt sie, profihaft und standfest wie ein Matador, die Filmszenerie. Dann wird gedreht; aus dem Megaphon immer wieder der Ruf des Regisseurs: »Romy!« Romy Schneider in der Rolle der Böllschen Leni Pfeiffer -- von der Produktion mit einem Roman-Zitat werbekräftig charakterisiert: »Sie ist auserwählt, Freude zu schenken, sie ist aber kein Freudenmädchen.«
Die gedrehte Szene spielt in den letzten Kriegsjahren. Die schöne Tochter aus reichem deutschen Haus arbeitet, nach dem Tod der Mutter und der Enteignung des Vaters, als Hilfsarbeiterin in einer Friedhofsgärtnerei. Mit den fesselengen schwarzen Schaftstiefeln und der weiten dunkelgrünen Samtjacke wirkt Romy Schneider dafür reichlich elegant.
Eine ästhetische, nostalgische Wirkung zu erzielen ist sichtlich das, worum es diesem Film geht. Bölls vertrackter Versuch einer »Wahrheitsfindung« über die Leidens- und Liebesfähigkeit einer kerndeutschen Ewig-Weiblichen und das Deutschland vom Faschismus bis in den Nachkriegskapitalismus werden für die Kinoleinwand problemlos schön hergerichtet.
Viel geschmäcklerisches Dekor wird zu besichtigen sein; Bölis trefflicher Mief erhält eine adrette Appretur. Ein Vergangenheitspanorama im sanft-satten Visconti-Look ist das Ideal der Produktion. Allerorts wurden Second-Hand-Boutiquen nach fescher Vierziger- und Fünfziger-Jahre-Mode durchwühlt. Für die optische Veredelung sorgt als Kameramann der Franzose Pierre W. Glenn, der berühmt wurde durch seine wehmütigen Bilder für Francois Truffauts »Amerikanische Nacht«.
Regie führt der Jugoslawe Aleksandar Petrovic, 47. Er ist ein behäbiger Gourmet farbenfroher, naiver Kinoeffekte. Seinen letzten Film hat er 1972 gedreht, er verfilmte den systemkritischen Roman »Der Meister und Margarita« des Russen Michail Bulgakow und machte daraus eine schillernde Seifenblase.
Einen Ruf hat Petrovic aufgrund seines deftigen Folklore-Spektakels »Ich traf auch glückliche Zigeuner«. 1967 erhielt er dafür bei den Filmfestspielen in Cannes den Großen Preis. Seither kursiert er bei französischen Cinéphilen als Geheimtip, und das hat ihm die Tür geöffnet zu der in diesen Kreisen heimischen Wahlpariserin Romy Schneider.
Petrovic mußte aber mit seinem Drehbuch zu »Gruppenbild mit Dame« trotz Romy Schneiders Mitwirken noch mühselig hausieren gehen, bis die Finanzierung gesichert war. Drei Jahre dauerte es. Zwei Münchner Jungproduzenten, die jüngst das NS-Erotikon »Salon Kitty« managten, zogen das Projekt durch.
An dem Sechs-Millionen-Mark-Budget ist das ZDF mit 700 000 Mark beteiligt. Die kapitalkräftige Hauptschaltstelle der deutschen Filmförderung, die Projektkommission, lehnte den Antrag auf eine Förderungssumme von 600 000 Mark zweimal ab. Die amtlichen Lichtspielexperten vermochten im Drehbuch auch nach dessen Umarbeitung nur einen »Readers-Digest-Verschnitt« des Böll-Romans zu erkennen. Dem Ansehen des deutschen Films könne so etwas sicherlich nicht nützen, meinten die Projektprüfer mit Berufung auf ihre Statuten.
Vom Bundesinnenministerium aber war das Drehbuch mit einer Prämie von 200 000 Mark ausgezeichnet worden; und Böll hatte auch seinen Segen gegeben. Gedreht wird das Werk nun in einer deutsch-französischen Koproduktion, bei der eine sogenannte Beteiligungsgesellschaft, sprich: Abschreibegesellschaft, mitwirkt.
Schauspielerisch ist das »Gruppenbild mit Dame« ganz als Starvehikel für Romy Schneider getrimmt. Richard Münch, er spielte in Wickis »Das Wunder des Malachias«, zählt zu ihren bekannteren Partnern. Angela Winkler, die Katharina-Blum-Darstellerin aus der erfolgreichen Böll-Verfilmung von Volker Schlöndorff, lehnte es ab, im »Gruppenbild« neben Romy Schneider in einer größeren Nebenrolle aufzutreten.
Petrovic, der sich »wegen der Mischung aus Mystik und Sozialkritik« für Bölls Roman interessiert, sieht Romy Schneider als »lebende Inkarnation« der Böllschen Leni.
Und auch Romy Schneider kann sieh »mit Leni identifizieren«. Ihr Urteil: »Leni ist sehr deutsch. Sie »holt nur aus sich selbst heraus. In diesem Sinne würde ich mich auch sehr deutsch nennen.«