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VERLAGE / MÄRZ / OLYMPIA PRESS Haken mit zehn Mille

aus DER SPIEGEL 53/1970

Entschuldigen Sie, daß ich »wir' sage«, sagte der Angeklagte, »wenn ich »wir« sage, meine ich immer »ich'.«

Und so geht es bei ihm immer: Der Frankfurter Verleger Jörg Walter Paul Schröder, 32, ist eine starke Persönlichkeit, fast zu stark für ein linkes Verlagskollektiv wie seinen März-Verlag.

Denn als »Maßnahme gegen prinzipalische Vormundschaft« und »als Möglichkeit kollektiver Selbsthilfe« hatte er vor knapp zwei Jahren sein Unternehmen gestartet -- mit einem guten Dutzend der progressiveren Autoren und Mitarbeiter des Melzer-Verlags, in dem er eine Rebellion angezettelt hatte.

Jetzt schien dem zum harten Erfolgs-Unternehmer herangereiften März-Gründer, der zudem die gewinnintensive deutsche Filiale der international berüchtigten Olympia-Press-Porno-Fabrik für Bücher und Filme verwaltet, das nämliche Geschick zu drohen wie seinem einstigen Dienstherrn Melzer: der Fortgang der Fortschrittlichen aus Widerwillen gegen eine autoritäre, ausbeuterische Geschäftsführung.

»Diesen Pop-Kaiser«, so tönte aus Hamburg der Happening-Veteran Bazon Brock »den werden wir jetzt mal hochgehen lassen.« Und aus Rom warnte Peter O. Chotjewitz ("POC") seinen Verleger: »Mir scheint, eine Veröffentlichung, großangelegt« mit Photos und Grundbuchauszügen Deiner italienischen, deutschen und spanischen Liegenschaften, Spekulationen darüber, was Du ... verdient hast, dazu Verlagsinterna« Faksimiles von Verträgen, Solidaritätsbekundungen etc., kündigt sich an.« Als Frondeure wurden ferner genannt: Gunter Rambow, Rolf Dieter Brinkmann, Uve Schmidt und Ernst Herhaus.

Dem Schröder kündigte sich die Aktion der Linken an, als er selbst gerade wegen einer linken Aktion vor Gericht zitiert wurde: Er hatte im April zum 100. Geburtstag Lenins, dessen die Bundespost mit keiner Sondermarke gedenken mochte, eine eigene Lenin-Briefmarke gedruckt und damit einige hundert Schreiben an Politiker und Publizisten frankiert, um zu beweisen, daß »kein unschuldiges Kuvert rot werden muß, wenn es die historische Wahrheit im rechten oberen Eck befördert«.

Die Politpop-Demonstration der März-Leninisten« für die Schröder ("Wir' bedeutet immer »ich"") vor Gericht die Alleinverantwortung beanspruchte, kostete ihn vorletzten Freitag 12000 Mark Geldstrafe -- freilich, in den Augen seiner Kritiker macht ihm das nichts aus, denn Schröder gilt als reicher Mann:

Der stets In elegante Schneiderware gekleidete Verlagsmanager katapultierte seine Firma im Rekordtempo aus einem Darmstädter Souterrain in zwei Hochhausgeschosse im Frankfurter Westend, möblierte sich da teuer mit internationalem Büro-Modernismus, Rokoko und Warhol an den Wänden und schaffte sich eine britische Jaguar-Limousine an mit viel Edelholz im Innern und nobel duftenden Lederpolstern: »Wenn man schon nicht schön ist, muß man wenigstens ein Auto haben, das gut riecht.«

Den bevorstehenden Enthüllungen über sich kam Schröder mit einem gewitzten Präventivschlag zuvor. Er stellte allen Verlagsautoren einen ausführlichen Katalog umlaufender Gerüchte zu und mixte dabei effektvoll Dichtung und Wahrheit, Lächerliches und Wichtiges:

»Schröder ist link. Schröder barzelt. Schröder hat 3,5 Millionen Gewinn in die eigene Tasche gewirtschaftet. Schröder hat: ein herrschaftliches Landhaus in der Toscana' ein Chalet In Spanien, ein Barockschloß im Taunus und ein Penthouse in Frankfurt (als Privatbordell). Schröder hat ein kleines Ding, Der März-Verlag ist pleite. Schröder betrügt Photographen. Schröder bezahlt Autoren nur für Manuskripte. Schröder hat sich vom Inhalt seiner Bücher entfernt. Schröder ist größenwahnsinnig. Schröder ist der Springer der Linken.«

»Einiges davon«, so resümierte der Schröder-Schrieb sibyllinisch, »ist richtig": So etwa der 500 000-Mark-Kauf eines Barock-Schlosses mit rund 2000 Quadratmeter Wohnfläche in Nieder-Florstadt (40 Autominuten von Frankfurt), wo in Zukunft alle März- und Olympia-Betriebe beherbergt werden sollen, und der Erwerb eines Chalets bei Florenz »für Freunde und Autoren des Verlags«.

Andererseits sind die umlaufenden Gerüchte über Schröders enorme Gewinne angesichts eines Jahres-Umsatzes von rund sieben Millionen und bei den hohen Investitionskosten eines Jungen Unternehmens absurd. Die Hoch-Schätzungen hängen freilich mit den Übertreibungsgewohnheiten der Porno-Macher zusammen: »Wenn In dieser Branche jemand von einer Auflage von 20 000 spricht«, sagt Schröder, »so weiß doch jeder Eingeweihte: Er meint 6500.«

Paradebeispiel für derlei werbewirksames Overstatement ist das von Schröder unter dem Firmen-Pseudonym »Porta-Verlag« ins Auf klärungs-Geschäft gebrachte Stellungsbuch »Einmaleins für Zwei«. Gut lancierte Falschmeldungen bauschten es zum größten Bettseller mit 350 000 verkauften Exemplaren und mehreren Millionen Gewinn auf.

Kein Wunder, daß da der (anonyme) »Einmaleins«-Photograph Rambow, der bei März einen großformatigen Band für Vagina-Fetischisten herausbrachte ("Doris"), zum ursprünglichen Pauschalhonorar drastische Nachzahlung forderte und verdrossen reagierte, als (laut Schröder) die reelle Zählung lediglich 95 615 Bände und, immer noch beträchtliche, 350 000 Mark Rohgewinn auswies.

Solche Verknäulung von persönlichen Profiterwartungen und ideologischen Skrupeln gegenüber der »eindeutig profitorientierten Geschäftspraxis« des Verlages (Chotjewitz) macht auch die Motive der anderen linken Anti-März-Manifestanten einigermaßen unübersichtlich: Bazon ("Der Schwätzer") Brock etwa, der als Buchautor nur aus den Ankündigungen für sein alle Jahre dann doch immer wieder nicht erscheinendes Opus »Zur Revolution des Ja« bekannt ist, hatte seine Allround-Beratererfahrungen (Burda, McCann, Pepsi-Cola) für Schröders audiovisuelle Brutstätte »Bismarc Media« zur Verfügung gestellt.

Als aus dem mit 3000 Mark Monatssalär dotierten Optionsvertrag für Brock-Ideen dann nichts wurde und als er auch mit Drohungen kein Geld, sondern nur Spott erntete (März-Rundbrief: »Einer unter Euch Ist an der sozialistischen Rentenanstalt irre geworden"), da war Brock verschnupft und schlug sich auf die linke Seite: »Der Schröder ist doch erst groß geworden durch die Solidarität seiner Autoren«, so klagt er: »Und jetzt schreibt der Kleingedrucktes in die Verträge wie der übelste Kapitalist.« Aber die »Veröffentlichung, großangelegt« (POC) steht, bis auf einen unentschiedenen Bericht im Januarheft von »Pardon«, noch aus. Und Schröder, der in seiner Gerüchte-Warnung allen Autoren ihre Urheberrechte zur Disposition stellte, sieht die Fronde recht geschrumpft: »Uve Schmidt bleibt hier, Brinkmann war immer bei mehreren Verlagen, und Herhaus hat eine einstweilige Verfügung gegen Nachrichten über seinen Weggang erwirkt.«

Daß der kreative März-Verlag Immer noch mehr literarisch und politisch interessante Bücher produziert als alle anderen jungen Verlage der Bundesrepublik, macht es den Autoren schwer, die Firma des »zitternden Riesen« Schröder ("Pardon") zu verlassen. Und daß Olympia-Erotika immer noch die schärfsten und begehrtesten sind, gewährt wendigen Belletristen überdies die profitable Nebentätigkeit als Porno-Autor des Hauses.

Nach Ernst Herhaus alias Eugenio Benedetti ("Die Heilige Familie") und Uve Schmidt alias Göran Göranson ("Made in Schweden") und alias Tore Schuech ("60 Sex-Spiele") hat inzwischen auch Chotjewitz unter einem volltönenden Porno-Pseudonym publiziert: als Allessandro Peroni den »Film des Conte La Malfa«. Und er bot auch sogleich noch ein zweites Projekt an: den »irren Fall« der libertinen Skandal-Gräfin Casati und ihres Voyeur-Ehemanns.

»Aber die Sache hat natürlich einen Haken«, schrieb Chotjewitz an Schröder: »Ich setze mich nur an die Arbeit, wenn auf meinem bekannten Bankkonto zehn Mille Mark eingegangen sind ... Nun schreib mal gleich, sonst biete ich den Super-Stoff jemand andern an.«

Als Schröder ablehnte ("Wenn Du mal was Billiges hast, laß mich"s wissen"), erteilte Ihm der darob verstimmte Autor, dessen literarisches März-Buch »Vom Leben und Lernen« nur ein matter Erfolg war, Nachhilfe in Verleger-Manieren: »Sogar der alte Rowohlt, der nun wirklich einer von den Profitjägern ist, hat mir noch vor wenig mehr als zwei Jahren einen Vorschuß von 20000 Mark bezahlt. .

Beispielgeber Chotjewitz verriet auch, wofür: »Und das für einen Roman, von dem er bis heute nicht eine Zeile zu sehen bekommen hat.«

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