Nach Verriss Ballettchef bewirft Kritikerin mit Hundekot

Der Ballettdirektor der Staatsoper Hannover soll eine Kritikerin der »FAZ« mit Hundekot attackiert haben. Offenbar gab es eine Vorgeschichte. Was bisher über die Details bekannt ist.
Langzeitbelichtung einer Tanzperformance (Symbolbild)

Langzeitbelichtung einer Tanzperformance (Symbolbild)

Foto: Bernd Weißbrod / picture alliance / dpa

Die Kulturkritik besitzt eine lange Tradition, viele Kunstschaffende fürchten sie. Mit ihr souverän umzugehen, selbst wenn das eigene Werk komplett verrissen wird, ist sozusagen eine Kunst für sich. Wie ein Mensch bei Kritik auch entgleisen kann, war offenbar am Samstagabend in der ersten Pause des Ballettabends »Glaube – Liebe – Hoffnung« im Foyer der Staatsoper Hannover zu beobachten: Laut einem Bericht der »Hannoverschen Allgemeine Zeitung«  bewarf der Ballettchef des Hauses, Marco Goecke, eine Frau mit Hundekot.

Das Opfer der Attacke soll demnach die Ballettkritikerin Wiebke Hüster sein. Sie hatte zuvor in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« über eine andere Inszenierung Goeckes geschrieben , über den Ballettabend »In the Dutch Mountain« hieß es: Das Publikum werde »abwechselnd irre und vor langer Weile umgebracht«. Und weiter: »Es ist eine Blamage und eine Frechheit, und beides muss man dem Choreographen umso mehr anlasten, als Virtuosität und Präsenz der Tänzer des Nederlands Dans Theater nach mehr verlangen.«

Ob es auch diese Zeilen waren, die den Tanzchef zur Weißglut trieben, ist unklar, liegt aber zumindest nicht fern. Fakt ist: Egal wie gekränkt sich Marco Goecke gefühlt haben könnte – der Vorfall wird wohl Konsequenzen haben. Die Staatsoper hat mittlerweile eine Stellungnahme veröffentlicht , in der das wichtigste und pikanteste Detail der Attacke – der Angriff mit ausgerechnet Hundekot – vergleichsweise pietätvoll umgangen wird.

Dort heißt es, die Kritikerin sei »in ihrer persönlichen Integrität verletzt worden«. Man bedauere den Vorfall, die Störung des Publikums und man habe sich bereits entschuldigt. Außerdem wird angekündigt: »Wir werden die arbeitsrechtlichen Schritte gegenüber Ballettdirektor Marco Goecke prüfen.«

Mittlerweile hat auch die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« einen Artikel veröffentlicht , in dem die Attacke auf die Kritikerin der Zeitung thematisiert wird. Demnach soll Goecke die Journalistin zunächst verbal angegangen haben und sei dann laut »FAZ« immer stärker außer Fassung geraten. Schließlich habe er eine »Papiertüte mit Tierkot« hervorgezogen und »das Gesicht der Tanzkritikerin mit dem Inhalt traktiert«. Es sei umgehend Strafanzeige erstattet worden.

Die Zeiten, in denen solche Ausbrüche als tolerable Eigentümlichkeiten hypersensibler und emotionaler Künstler durchgingen, sind glücklicherweise vorbei. Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands in Niedersachsen, Frank Rieger, forderte auf Twitter bereits  »eine deutliche Reaktion der Verantwortlichen«. Ein Künstler müsse Kritik ertragen, auch wenn sie überzogen erscheinen mag. Wer auf Kritik mit Gewalt reagiere, sei nicht tragbar. »Der Angriff auf die Journalistin der ›FAZ‹ ist auch eine Attacke auf die Pressefreiheit«, so Rieger.

Marco Goecke ist laut der Webseite der Staatsoper seit der Spielzeit 2019/20 Chefchoreograf und Ballettdirektor des Staatsballetts Hannover. Er bringe »mit seiner fiebrigen, energiegeladenen Tanzsprache einen weltweit gefragten Stil« in die Stadt, sein Gesamtwerk umfasse mehr als 60 Choreografien, die weltweit von bedeutenden Compagnien aufgeführt würden.

jae
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