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AUTOMOBILE Harte Beine

Mitsubishi bringt als erster das »denkende Fahrwerk«, eine elektronisch gergelte Abstimmung, auf den europäischen Markt. *
aus DER SPIEGEL 34/1984

Halten Sie mich bitte nicht für eitel«, sprach letzte Woche Hanns Trapp-Dries, »aber wir glauben, daß dieses Auto in die Käuferschichten des Mercedes 190, des Fünfer-BMW, des Audi 80 und 100, des Opel Rekord und des Ford Sierra hineingreift.«

Die kühnen Hoffnungen des Firmenchefs für den Vertrieb von Mitsubishi-Autos im Bundesgebiet (Marktanteil: 1,78 Prozent) gründen sich insbesondere auf ein Kompendium von Mikroprozessoren, Magnetventilen, Sensoren und Luftpolstern. Als erster hat der japanische Autohersteller ein Serienauto mit elektronisch geregeltem Fahrwerk, das seine Abstimmung während der Fahrt ändert, auf den Markt gebracht - laut Mitsubishi »das denkende Fahrwerk«.

Mit dieser aufwendigen Apparatur, die sich bisher nur an Forschungsautos fand, setzt Mitsubishi - zumindest nach den Überzeugungen der Japaner - »den Maßstab, an dem man künftige Fahrwerkskonstruktionen messen wird«. Erstmals eingebaut wird das Räder-Hirn im Galant Royal, dem 30 000 Mark teuren Spitzenmodell (Zweiliter-Vierzylindermotor, 102 PS, 175 km/h) der neuen Galant-Baureihe, mit deren Hilfe Mitsubishi den Deutschen in diesem Jahr 43 000 Autos verkaufen möchte.

Auf dem heiklen Gebiet der Fahrwerksabstimmung galt unter den Automobilingenieuren, von Daimler-Benz in Stuttgart-Untertürkheim bis Mazda in Hiroschima, bisher ein Kompromiß zwischen Straßenlage und Fahrkomfort als optimale Lösung. Für die im Prinzip wünschenswerte Möglichkeit, die Werte für Federung und Dämpfung während der Fahrt je nach Fahrzustand und Beladung variabel zu machen, boten sich - den Technikern seit langem bekannt - zwei Wege an.

So wäre denkbar, den Fahrer in die Abstimmung eingreifen zu lassen - für die Fahrwerksingenieure aus Gründen der Fahrsicherheit allerdings eine Horror-Vision.

Als zweiter Weg blieb nur, mit den komplizierten Regelaufgaben der variablen Fahrwerksabstimmung eine Elektronik zu beauftragen - und ihn hat nun Mitsubishi befahren.

Sensorische Nervenstränge und Druckluftleitungen durchziehen den Leib des Galant Royal, vom Steuer-Computer im Heck und einem Druckluftspeicher im Motorraum bis zu den vier Feder-Dämpfer-Einheiten der Räder. Gedankenschnell durchzucken jene Impulse das Geäder, die über die jeweils günstigste Abstimmung des Fahrwerks entscheiden - sportlich-straff oder eher weich und komfortabel.

Dem Fahrer stehen, einstellbar auf einer Konsole, zwei Funktionsweisen zur Wahl. Er kann auf »Auto« (für Automatik) schalten. Sofort glimmt rötlich ein freundliches »Soft« (weich) auf, das aber, bei entsprechendem Fahrzustand - schon eine rasche Lenkkorrektur genügt -, blitzschnell einem barschen »Hard« weichen muß. Und umgekehrt.

Ausschlaggebend sind dabei die Sensoren, die dem Rechner wichtige Daten

wie Beschleunigung, Verzögerung, Seitenneigung, Geschwindigkeit oder Lenkeinschlag melden. Werden bestimmte vorgegebene Werte überschritten, verfügt der Computer das Umschalten, indem er in besonderen Luft-Feder-Elementen das Luftvolumen verändert. Und für eine automatische Niveauregulierung sorgt er auch noch.

Behagt dem Fahrer jedoch die härtere Gangart, so kann er seine Apparatur auch auf »Hard« fixieren. Er reist dann, mit einer um 50 Prozent stärkeren Federwirkung und um 150 Prozent erhöhter Dämpfung, auf harten Beinen.

Bei Tempo 90 sorgt das Mitsubishi-Fahrwerk zusätzlich dafür, daß sich die Karosse um zwei Zentimenter senkt und somit den Luftwiderstand mindert. Und jenseits von Tempo 120 halten die Japaner ihre »Soft«-Stellung für unsicher - der Rechner befiehlt daher in diesem Fall das Umschalten.

Wenn's funktioniert.

Es gibt kaum einen namhaften Autohersteller, der sich nicht ebenfalls mit einer elektronischen Regelung der Fahrwerksabstimmung befaßt hat. Allen war das Verfahren bisher zu störanfällig, aber auch für Kunden zu wenig nützlich.

»Der Nutzen für den Fahrer«, meinte Wolfgang Lincke, Chef der Personenwagen-Entwicklung bei VW, »ist beim derzeitigen Stand das Mehr-Geld nicht wert.«

Mitsubishi beteuert gleichwohl, das Elektronik-Fahrwerk biete »in Gefahrensituationen optimale Sicherheit zum Ausweichen vor unvermuteten Hindernissen«. Bei Störungen eines Elements schalte das System automatisch auf »die sicherste Fahrwerksabstimmung«.

Und wenn auch diese Automatik versagt, weil womöglich eine Druckluftmanschette geplatzt ist - wird das »denkende Fahrwerk« dann am Ende zum elektronischen Krüppel?

Auch dann, so Mitsubishi, »kann man weiterfahren, wenn auch nicht gerade mit 160«. Allerdings, wenn vollbeladen, »hängt das Auto dann leicht schief«.

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