HERR DER GESCHICHTE
Axel Springers Trauerjahr ist zu Ende. Ostern 1968 hatte »Bild«-Leser Bachmann die mit Dutschke-Photo erläuterte »Bild«-Parole: »Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!« nicht ganz richtig verstanden. Die Folge: Springers Verlagshäuser glichen belagerten Festungen; Stacheldrahtbarrieren um sein Hochhaus an der Mauer machten es Ortskundigen schwer, zwischen Ulbrichts und Springers Machtbereich zu unterscheiden. Und er selbst zog sich da ihn kaum einer mehr liehen wollte -- vom Treiben dieser Welt zurück.
Das Jahr ist um -- die Trübsal ist verflogen. Axel Springer ist wieder da -- wie eh und je, als hätte es um seine Verlagshäuser nie nach Bürgerkrieg gerochen. Und er hat sich auch einen starken Schutz und Trutz mitgebracht, nämlich jenen allmächtigen Verbündeten, der älteren Deutschen unter dem Namen »Vorrrsehung« noch bekannt ist.
So vor fünf Wochen im »ZDF Magazin«, wo Axel Springer erstmals wiederauftauchte. Dort beschwor er den »Herrn der Geschichte«, der ihm kundgetan hatte, es sei »an der Zeit, sichtbare Zeichen zu geben«.
So wenige Tage später in Jerusalem, als er von der »historischen Chance« sprach, die derselbe »Herr der Geschichte« gefällig »meinem Volk eingeräumt hat«.
So vor zwei Wochen in New York, als Axel Springer in einer »stark beachteten Rede« ("WamS") auf die »historic chance« verwies die der hoffentlich polyglotte »Lord of history« uns geschenkt hat.
Und diese historische Chance heißt: »dem Staat Israel fest durch alle Fährnisse zur Seite zu stehen«, was uns um so leichter fällt, weil wir den Juden seit dem »Blitzkrieg« der Israelis unseren Antisemitismus verziehen haben. Und weil »unsere Araber« -- laut »Bild« -- »Ulbrichts Volksarmee« sind
Wer sich so mit dem »Herrn der Geschichte« an allen Orten im Bund weiß -- wie heute Axel Springer, den muß der kleinmütige Zagegeist seiner eigenen Beauftragten sehr irritieren. Springer-Geschäftsführer Peter Tamm etwa -- auf die Fernsehpläne seines Verlegers angesprochen -- beschwichtigte erst kürzlich: »Es gibt bei uns nur noch so »ne Art Archiv.« Axel Springer dagegen offenbarte in New York: »Unser Ziel ist es, dieselben Möglichkeiten zu bekommen wie die meisten amerikanischen Verleger, für die sich der Besitz von Rundfunk- und Fernsehstationen von selbst versteht.«
So desavouiert sieht sich auch Springer-Informationschef W. Joachim Freyburg« der gleichfalls eine hasenherzige Defensivstellung bezogen hatte. Einem Amtsgerichtsrat, der die »gleichartige Berichterstattung in allen Springer-Zeitungen« gerügt hatte, hielt er in einem offenen Brief entgegen, was sich »die Gelehrten erarbeiten« nämlich eine etwas zweifelhafte Seminararbeit bei der bekannten Frau Noelle-Neumann« die durch die Untersuchung eines einzigen Beispiels zu dem Ergebnis kommt, gleichförmig sei die Berichterstattung der Springer-Blätter nicht.
Wie anders der oberste Befehlshaber des Verlagshauses« dem der »Herr der Geschichte« den Rücken stärkt. in Jerusalem bekannte er: »Vor und während Ihres Dreifronten-Krieges war ich ganz nebenbei zu einer Art Israel-Berater für die Redaktionen meiner Blätter geworden, ich konnte meinen Redakteuren sagen, wie die Dinge wirklich lagen, und daraus hat sich eine Haltung der Zeitungen meines Hauses entwickelt, die sich bis heute nicht verändert hat.«
Und in New York erneuerte der Mann,
der seinen Redakteuren sagen kann, wie die Dinge liegen, sein Bekenntnis zu den vier Pflöcken. innerhalb derer sich seine Journalisten bewegen müssen: Bedingungsloses ("unconditional") Eintreten für die Wiedervereinigung, Versöhnung zwischen Juden und Deutschen, Ablehnung des politischen Extremismus von rechts und links und Eintreten für die »freie Marktwirtschaft«.
Aber der Springer-Konzern ist zugleich auch »ein Zeitungshaus« das sich christlichen Werten verpflichtet fühlt«. Springer unlängst an seine führenden Mitarbeiter (SPIEGEL 17/1969): »Der dritte Imperativ unseres Hauses -- Kampf gegen den Radikalismus jeder Art -- bezieht sich nicht nur auf politische, sondern auch auf religiöse Extremisten.«
Der bewährte alte Axel Springer ist nach einem Jahr der Zurückgezogenheit wiederauferstanden: Cheftheologe seiner Redaktionen, Überredakteur in Nahost- und sicherlich bald auch wieder in anderen Fragen.