BÜCHER Honig vom Himmel
Däniken sei Dank, sie sind wieder da, seine Astronauten-Götter: Kukumatz aus Südamerika, Jahwe aus Kleinasien, Omohi-kane no kami aus Japan, Wischnu aus Indien und wie die Götter der Religion alle heißen, die Erich von Däniken als vorgeschichtliche Raumfahrer von fernen Sternen entlarvt hat.
Immerhin: Viereinhalb Jahre mußten gläubig interessierte oder auch nur einfach amüsierte Däniken-Leser warten -- sein 1974 veröffentlichtes Buch Erscheinungen« war für viele eine Enttäuschung -, bis ihnen der Bestseller-Autor (Welt-Gesamtauflage: 38 Millionen Exemplare) jetzt neue Kunde bringt von der Macht und Herrlichkeit seiner »Sternen-Söhne«.
Mit der für Däniken-Bücher zwar längst üblichen Startauflage von 100 000 Exemplaren, aber dafür mit der »größten Werbe-Verbundaktion, an der bisher ein Buchverlag beteiligt gewesen ist« (Werbeleiter Michael Tochtermann), wird der Econ-Verlag den neuen Däniken Anfang März auf den Markt bringen*.
Beteiligt am Geschäft mit der »Dänikitis« sind neben Econ Radio Luxemburg (RTL) und die Rundfunk-Illustrierte »Hörzu«. Bereits seit dem 24. Januar verkündet Däniken täglich um 17 Uhr acht bis neun Minuten lang seine Astro-Theologie im deutschen Programm des kommerziellen Senders. 41 Tage lang darf er das kostenlos tun, bis zum 5. März. An diesem Tag wird Däniken dann auch noch als »Stargast« der »Löwen-Verleihung« von RTL in der Dortmunder Westfalenhalle vor 16 000 Zuschauern auftreten. Ende Februar beginnt »Hörzu« (Auflage 4,1 Millionen) den Astronauten-Götter-Rummel weiter anzuheizen: 16 Folgen einer eigens von Daniken und seinem langjährigen Manuskript-Bearbeiter Wilhelm Roggersdorf geschriebenen Illustrierten-Fassung des neuen Buches wird Springers Programm-Zeitschrift abdrucken und dafür und für sich selbst in Funk. Fernsehen sowie den großen Tages- und Sonntagszeitungen Reklame machen.
Am 14. März wird Götter-Bote Däniken dann auf seine große Lese-Tournee gehen, die von Econ, »Hörzu« und RTL gemeinsam veranstaltet wird. In 15 Städten, von Hamburg bis München und von Aachen bis West-Berlin, wird er jeweils rund zweieinhalb Stunden lang mit monomaner Besessenheit aus Fabeln, Fakten und Phantasie seinen flockigen Schaum schlagen, der seinen Zuhörern auf der Zunge zergeht und so schön die kleinen grauen Zellen verklebt.
Die Kosten für die einmalige Promotion-Aktion »teilen sich, Gott sei Dank, sehr gut auf«, freut sich Econ-Chef Erwin Barth von Wehrenalp. Jeder zahlt für sich und ist dabei überzeugt, ein gehöriges Stück von Dänikens Götterspeise zu ergattern.
Für Econ ist die Sache jetzt schon klar: Knapp drei Wochen vor Erscheinen des Buches liegt die Zahl der Vorbestellungen bei rund 70 000 Exemplaren, und schon zwölf ausländische Verleger haben Lizenzen erworben. Wehrenalp: »Es ist phantastisch.«
Kein Zweifel, der neue Daniken wird die Fans nicht enttäuschen, auch wenn sie manche Ingredienzen schon kennen. Doch der Meister des magischen Unfugs findet auch immer wieder etwas Neues, für das er auch gleich eine Erklärung parat hat.
Wenn beispielsweise in der Mythologie der sudanesischen Dogon-Neger vom Ur-Gott Amma die Rede ist, der die Sterne aus Erdklumpen erschuf, »die er in den Raum schleuderte«, so ist das für Däniken die mythische Umschreibung der »Urknall-Theorie«, des »Big Bang«, mit dem das Universum seinen Anfang genommen haben soll.
Die Nandi-Neger in Kenia haben einen Gott, den sie Chepkeliensokol nennen. Übersetzt heißt dieser Name »das Ding mit den neun Strahlenbeinen«. Was anderes könnte dieser Gott gewesen sein als ein Raumfahrzeug? Und die neun Strahlenbeine? Je nun, ein echter Danikenist weiß sofort, daß
* Erich von Dänikvn: »Beweise«. Econ-Verlag. Düsseldorf; 448 Seiten; 28 Mark.
es sich dabei nur um neun Raketenmotoren gehandelt haben kann.
Wer wollte bei so plausiblen Erklärungen da noch mit Carl Gustav Jung kommen und behaupten, in den Mythen der Urvölker spiegelten sich »archetypische Bewußtseinsentwicklungen« wider. Solche »psychologischen Exegesen« weist Däniken scharf zurück: »Wo sich die Realitäten hart im Raum stoßen, sollte man nicht mit psychologisierender Salzsäure die Kerne der Berichte in unkenntliche Bestandteile auflösen ...«
Und wie hart es damals im Raum zuging, fand Daniken in den indischen Nationalepen Mahabharata und Ramayana beschrieben. Da wimmelt es nicht nur von fliegenden Wagen, mal so groß wie dreistöckige Häuser, mal »unseren Helikoptern ähnlich«, da versuchen die Götter sich auch gegenseitig mit den fürchterlichsten Waffen ins Jenseits zu befördern.
Wenn Rama befahl: »Man fahre unverzüglich den Wagen der Lüfte heraus!« und mit seinem »waghalsigen Piloten«, dem König der Affen, durch die Gegend brauste, um sich zum »Luftkampf zu stellen«, dann wackelten die Berge, und »Hochbauten und Türme« stürzten ein.
»Mehrfachraketenwerfer« ("Man wird spontan an die Stalinorgel erinnert") wurden eingesetzt, glühende, messerscharf geschliffene Diskusse trennten die göttlichen Häupter von den Rümpfen, und mit der »Hypnosewaffe« Antardhana ("eine gar köstliche und angenehme Waffe, denn sie besitzt die Fähigkeit, die Gegner einzuschläfern") schickte der göttliche Held Arjuna seine Feinde zur Ruhe. Den Militärs in Ost und West, meint Däniken, müßte angesichts solcher »Waffen von mörderischer Vernichtungskraft das Wasser im Munde zusammenlaufen«.
Klar, daß sich Däniken bei solchen Beweisen »nicht für dumm verkaufen« läßt, zumal es ja noch mehrere von dieser Sorte gibt. Da wäre etwa der »kluge Henoch«, laut Altem Testament einer der zehn vorsintflutlichen Patriarchen und Held eines gleichnamigen apokalyptischen Buches, in dessen slawischer Version die »Himmelreise« des Urvaters geschildert wird.
Obwohl das slawische Henoch-Buch nachweislich erst unter dem Einfluß des Christentums entstanden ist, gibt es für Däniken keinen Zweifel, daß es sieh um den authentischen Bericht einer vorsintflutlichen Raumfahrt des »Astronauten Henoch« handelt.
Denn wer anders als ein Astronaut könne schon wie Henoch behaupten, er habe die »Mündungen aller Ströme« gesehen, die Arktis und »die Vorratskammern der Blitze«. Er war Augen- und Ohrenzeuge, wie der Kommandant des Raumschiffes seine Mannschaft vergatterte, weil sie sich in gewohnter Besatzer-Manier »Erdenweiber genommen« und mit ihnen Riesen gezeugt hatten. »Hier hatte heiße Leidenschaft einem kosmischen Planer einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. eine arge Sache für den Kommandanten.«
Peinlich deshalb, weil die Erdenbewohner den Schwindel mit den unsterblichen Göttern durchschauen könnten, und aus wär"s mit der Verehrung, dem Weihrauch und den Gebeten. Da hilft nur noch eine Sintflut, in der auch die Bastarde ersaufen, genau 4 090 000 uneheliche Riesen.
Die Bibel hat also doch recht, es war schon so, wie es da steht, nur war es eben nicht das Werk des zornigen Jahwe, sondern die notwendige Maßnahme eines Raumschiffkommandanten, der die sexuellen Entgleisungen seiner Mannschaft wieder aus der Welt schaffen mußte.
So reiht Däniken Beweis an Beweis, und nichts kann sie widerlegen. Geschickt legt er alle böswilligen Gegner seiner Theorie aufs Kreuz. Etwa in der Sache mit der Nazca-Ebene (SPIEGEL 6/1977), die Däniken eindeutig als vorgeschichtlichen Raketenstartplatz identifiziert hatte. Die langen, breiten Linien, so schrieb er, könnten nur »Landebahnen« gewesen sein.
Doch wozu benötigten Raketen Landebahnen. »hielt man mir höhnisch entgegen«. Das hätte man lieber bleiben lassen sollen. Zwar dauerte es eine Weile, bis Däniken die Antwort fand. aber dann las er vom amerikanischen »Space-Shuttle-Projekt«, und das Problem war ein alter Hut. Auch die Götter hatten solche Raumfähren. und die brauchen eben extrem lange Landebahnen.
Letzte Zweifler an Dänikens Götter-Astronauten werden schließlich beschämt zur Seite schleichen, wenn sie in »Beweise« das Kapitel über die »Manna-Maschine« lesen, Prunkstück des ganzen Buches.
Im 2. Buch Mose. Kapitel 16. wird von jener himmlischen Speise berichtet, die Gott für sein auserwähltes Volk regnen ließ. Die »war wie Koriander-Samen und weiß und hatte einen Geschmack wie Semmel mit Honig«.
Generationen von Exegeten hatten sich schon vergebens bemüht, das Rätsel dieser Götterspeise zu lösen. Erst Däniken fand die Erklärung in der angesehenen britischen Wissenschaftszeitschrift »New Scientist«. In einem mehrseitigen Aufsatz mit dem Titel »Deus est machina?« enthüllten die beiden Engländer George Sassoon und Rodney Dale ihre sensationelle Entdeckung, wonach die alten Israeliten eine Maschine besaßen, die Manna herstellte, eine »Manna-Maschine«.
Nach der Beschreibung, die Sassoon und Dale in einem alten Kabbala-Text fanden, bestand der Apparat aus einem männlichen und einem weiblichen Teil. Das Ganze war eine äußerst komplizierte Anlage, in der eine Algenkultur, »möglicherweise eine Grünalge vom Chlorella-Typ«, gezüchtet wurde.
Der Algenschlamm wurde im unteren Teil des Apparats »in Hostien oder Hoden gesammelt und durch einen Penis abgezogen«. In einem anderen Teil der Maschine wurde der Schlamm dann »so behandelt, daß die Stärke teilweise zu Malzzucker hydrolisierte, der dann, leicht gebrannt, den Honigwaffelgeschmack bewirkte«.
Die Maschine, so hatten die beiden Engländer errechnet, produzierte täglich 1,5 Kubikmeter Manna, von dem ein Teil für den Sabbat aufgehoben wurde. An diesem Tag wurde der weibliche Teil vom Rücken des männlichen genommen, der Apparat wurde gesäubert und am darauffolgenden Tag wieder in Betrieb gesetzt.
Auch was später aus der Maschine geworden ist, konnten Sassoon und Dale ermitteln. »Nach der Einnahme von Jericho wurde die Maschine als heiliger Gegenstand in Silo aufgestellt (1. Sam. 4. 3).« »Später wurde sie von den Philistern erobert, jedoch schnell wieder den Israeliten zurückgegeben«, weil, wie der jüdische Geschichtsschreiber Josephus Flavius berichtete, »die Philister nach dem Genuß der Produkte der Maschine allesamt an Durchfall litten«.
König David errichtete für die göttliche Maschine ein Zelt, und sein Sohn Salomo ließ ihr einen Tempel in Jerusalem bauen. Bei der Plünderung dieses ersten Tempels durch Nebukadnezar wurde laut Sassoon und Dale auch die Maschine zerstört.
Zwar muß nun Däniken seine frühere, bibelfestere Ansicht revidieren, wonach der erste jüdische Tempel die Bundeslade beherbergte, die ursprünglich eine Wechselsprechanlage gewesen war, mit der sich Moses und die göttlichen Raumfahrer verständigten, aber voller Genugtuung zitiert er die beiden Engländer: »Man ist versucht, zu spekulieren, daß die Erde vor ungefähr 3000 Jahren von Wesen aus dem Weltall besucht wurde und daß diese Besucher die Maschine mitbrachten.«
Nur etwas hat Däniken übersehen: Der Bericht über die Manna-Maschine wurde von 2New Scientist« am 1. April 1976 veröffentlicht und war auch als Aprilscherz gemeint.