FERNSEHEN Ich danke euch
Progressive Ernstnehmer haben seine autoritare Vaterfigürlichkeit getadelt: »Er ist allwissend. Er erlöst die Menschen von den Übeln dieser Welt.« Eine »Gesellschaft für Rationelle Psychologie« hingegen erforschte, daß durch ihn »die Toleranz unter den Eheleuten« gefördert wurde: »Der TV-Kommissar sorgt für mehr Zärtlichkeit in den Schlafzimmern.«
Den Norwegern, immerhin, unsere Botschaft in Oslo hat"s ermittelt, erschien er als »sympathischer« Vertreter deutschen Polizeiwesens.
Gleichwie -- vorbei nun. Vorbei mit dieser »seit Old Shatterhand verbreitetsten volkstümlichen Figur deutscher Herkunft« (ein Kritiker-Wort). Vorbei mit der längsten -- und zuletzt langweiligsten -- Krimi-Serie des deutschen Fernsehens (acht Jahre, 97 Folgen, 756 600 Filmmeter, 18 Regisseure. 1016 Darsteller). Vorbei mit Kommissar Keller, dessen Vornamen (Herbert) am Ende kaum jemand noch wußte und dessen Ehefrau, unter dramaturgisch nie geklärten Umständen, unterwegs abhanden kam. Ode, 65, ade.
»So, jetzt erst mal der Reihe nach«; »Mein Instinkt sagt mir ...«; »Rehbein, kommst du mal her«; »In Ordnung, Robert« -- nur noch in Island, in Ungarn oder einem anderen der insgesamt 27 fremden Länder, in die das ZDF den »Kommissar« exportieren konnte, werden solche Worte zu hören sein: Vertrauen erweckende Worte eines rundum respektierten Vorgesetzten.
Seiner deutschen Millionengemeinde waren sie mittlerweile nur zu vertraut geworden, die Leit- und Leerformeln einer Dramaturgie, die den jovialen, kleinen »Chef« mit dem immer wieder verblüffenden Instant-Durchblick nicht nur die verworrensten Fälle klären, sondern meistens auch über sein ziemlich ratlos umhertappendes Assistenten-Trio triumphieren ließ.
Sie haben sich gelegentlich darüber beklagt, die Kommissar-Gehilfen, deren zu kurz gekommene Darsteller. Und das Publikum hat derlei Interna, etwa auch den denkwürdigen Austausch der Brüder Wepper in der Rolle des Junior-Assistenten, mit einer Anteilnahme verfolgt, wie man sie freudigen oder betrüblichen Familienereignissen entgegenbringt.
Geholfen haben jene Klagen nicht viel. Der Kommissar, der sich -- man denke zurück und staune -- mit Maigret messen sollte, blieb der Kommissar, wie und weil Herbert Reinecker, sein beharrlich solo schaffender, redaktioneller Assistenz kaum zugänglicher Urheber, ganz er selbst blieb.
Auf seine rechtschaffene Art überlegen, mit moralischen Urteilen zurückhaltend, quasi nur innerlich kopfschüttelnd, dackelte Odes Kripo-Biedermann mit dem feschen Hütchen durch die Untaten in Grünwalder Villen und Schwabinger Absteigen, nahm er sich der entarteten Reichen wie der Entgleisten aus Kaschemme und Hinterhaus an. Und ließ dabei die Mannschaft, die Grabert (Günther Schramm), Heines (Reinhard Glemnitz) und Klein (Fritz und Elmar Wepper), in seinem Schatten kümmern. Mutete ihm das Drehbuch einmal Action zu, zog er mal die Dienstpistole aus dem Übergangsmantel, so wirkte das eher rührend.
Spät dann -- doch zu spät: Die Serie war längst verschlissen, Reineckers Einfälle waren immer dürftiger, der Kommissar immer knittriger, sein Team spürbar lustlos geworden -, zu spät dann noch ein paar Ansätze: Im vorletzten Fall durfte Assistent Grabert des Rätsels Lösung finden. Und die 97. Folge, »Tod im Transit«, das Finale am vergangenen Freitag, hatte sogar etwas von einer Wiedergutmachung in letzter Minute: Alle, alle konnten sie einmal kräftig aufspielen -- der straffe Glemnitz und der liebe Wepper; der nette schramm durfte sich telegen zusammenschlagen lassen und selbst das so oft als treue Büro-Seele vernachlässigte Fräulein Rehbein diesmal im dramatischen Außendienst mitmischen.
Kommissar Ode machte einen Fehler und hatte Unerhörtes zu bekennen: »Zum ersten Mal in meinem Leben hab' ich Angst.« Und schließlich, des Gangsters Revolver in seinem Genick, rettete ihn nur ein Schuß des wackeren Robert. Odes letzte Keller-Worte, vielsagend gerührt: »Danke. Ich danke euch für alles.«
Am letzten Drehtag, so ist uns berichtet worden, habe Erik Ode »Tränen in seinen Augen« gehabt. Wir verstehen seine Rührung, dürfen aber auch Verständnis dafür erwarten, daß sich die unsere in Grenzen hält.