ZDF-MAGAZIN Im Mahlwerk
Nach dem Begräbnis des ZDF-Fernsehrats-Mitglieds Waldemar Besson auf dem Friedhof Litzelstetten am Bodensee nahm der ZDF-Programmdirektor Joseph Viehöver seinen Intendanten beiseite.
Viehöver. zur Zeit amtierender Anstalts-Leiter, übergab dem aus dem Urlaub im Schwarzwald angereisten Professor Karl Holzamer am letzten Mittwoch einen Brief mit schlechten Nachrichten.
Neun Redakteure des »ZDF Magazins« baten darin um vorübergehende Versetzung in ein anderes Ressort. »Da der Gang der Dinge für uns nicht mehr zu ertragen ist«, schrieben die »Magazin«-Journalisten« »bitten wir Sie, sehr geehrter Herr Professor, um zeitweilige Abordnung an einen anderen Arbeitsplatz.«
Grund des Ersuchens: Die neun Redakteure wollen den autoritären Führungsstil und das konservative Engagement des »Magazin«-Chefs Gerhard Löwenthal nicht länger tolerieren. »Eine gemeinsame redaktionelle Arbeit« so der Brief-Mitverfasser Günter Schubert, »ist nicht mehr möglich.«
Schon seit langem kommt es bei der Auswahl der Themen für das Mainzer Mittwochs-Magazin regelmäßig zu Kontroversen zwischen dem Moderator und seinen Redakteuren. Mit gleichlautender Begründung lehnte Löwenthal ("Das untergräbt den Rechtsstaat") beispielsweise Reportagen über den Abtreibungsparagraphen 218 oder die Anti-Nazi-Aktionen der Beate Klarsfeld ab. Dafür erschienen dann »plötzlich Beiträge im Magazin, von denen wir alle nichts wußten« -- so einer der rebellierenden neun.
In den Donnerstags-Konferenzen, klagen die Aufrührer, seien »Diskussionen irrelevant, weil Herr Löwenthal doch macht, was er will«. Jede Kritik sei deshalb nur ein »Abgeblase von Emotionen«, denn sämtliche wichtigen Entscheidungen fielen ohnehin nur in einem kleinen exklusiven Kreis: am Samstagvormittag in Löwenthals Zimmer, »wenn sich die treuen Paladine« (wie Wolfgang Weinert und Friedrich Mönkmeier) »um ihn scharen«.
Im Protest gegen diese Praxis waren sich neun von 13 ZDF-Magazin-Redakteuren einig -- obwohl sie unterschiedlicher politischer Auffassung sind. Der Historiker Günter Schubert zum Beispiel ist SPD-Mitglied, der linkskatholisch orientierte TV- Reporter Günter Ederer gehört der CDU an. Selbst Jürgen R. Meyer, um Weihnachten in der Bevilacqua-Affäre noch mit Löwenthal -- gegen den »Stern«-Verleger Henri Nannen -- vereint, gesellte sich jetzt zu den Protestanten.
»Wir sind hier«, kommentierte Löwenthal-Kritiker Schubert, »an einem Grundproblem der öffentlich-rechtlichen Anstalten; und deshalb muß dieser Konflikt jetzt endlich einmal ausgetragen werden.« Am Samstag der vorletzten Woche um 13.30 Uhr brachte der Redakteur Wolfram Pabel den Zwei-Seiten-Brief der Aufrührer deshalb in Löwenthals Büro. Der Chef nahm ihn an seinem Schreibtisch entgegen -- »nervös, aber ohne eine Miene zu verziehen« ("Süddeutsche Zeitung").
Die Fronde gegen Löwenthal hatte sich indessen schon im Frühjahr formiert. Als die »Magazin«-Reporter Hermann Kümhoff und Helmut Kamphausen in der Kantine bei einem Gespräch über Rechts- und Linksradikalismus »dann schon lieber die NPD als das kleinere Übel« (Kümhoff) bevorzugten und sich Löwenthal von diesen Äußerungen nicht distanzieren mochte, beschwerten sich einige Redakteure beim Intendanten. Obwohl der ZDF-Chefredakteur Wolf Dietrich die Querelen als »scheißkleine Differenzen« abtat und das Protest-Schreiben nicht weiterleitete, versuchte Intendant Holzamer zu schlichten und versprach. in der Löwenthal-Redaktion »personell, strukturell und organisatorisch Veränderungen« vorzunehmen.
Doch schon der erste Versuch. dem »ZDF Magazin« eine »schon längst vorgesehene Verstärkung zuzuführen« (Holzamer) und den Bonner »Heute«-Korrespondenten Gustav Trampe als Ko-Moderator zu engagieren, scheiterte, weil Löwenthal Trampe zu wenig Rechte einräumen wollte. Trampe nach dem Gespräch: »Wir haben beide gemerkt, daß wir nicht sonderlich gut zueinander passen.
Löwenthals Widerstand gegen den künftigen Partner, sein selbstherrliches Regiment und seine Attacken gegen die Bonner Ost- und Deutschlandpolitik verstärkten den Unmut bei Mitgliedern der ZDF-Aufsichtsgremien. So brachte der Mainzer SPD-Oberbürgermeister und stellvertretende Fernsehrats-Vorsitzende Jockel Fuchs in der letzten Woche erneut Trampe als zweiten Moderator des »ZDF Magazins« in die Diskussion. Fuchs nach der »Magazin«-Meuterei: »Trampe wird kommen, und Herr Löwenthal muß sich daran gewöhnen.«
Dem zögernden Intendanten Holzamer, den Fuchs seit Wochen nur noch mit der Bemerkung begrüßt: »Na. Professor. wann entscheiden wir"s denn?«, prophezeite der Fernsehrats-Vize: »Wenn er die Nuß bis zur Tagung des Fernsehrats im August nicht geknackt hat, kommt er ins Mahlwerk.«
So lange wird der Intendant die Entscheidung wohl auch noch aufschieben. In seinem Antwortschreiben an die neun Redakteure. das am Freitagabend in Mainz eintraf, wies Holzamer, der zur Zeit in Hinterzarten im Schwarzwald Urlaub macht, lediglich darauf hin, daß seine »Absichtserklärung vorn 1. April 1971 nach wie vor Gültigkeit« habe. Damals versprach er eine Umorganisation der Magazin-Redaktion. Holzamer: »Die Verhandlungen sind zwar noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen, aber ich habe die berechtigte Hoffnung, daß schon bald nach Beendigung der Urlaubszeit eine Entscheidung möglich ist.«
Und auch die Bitte der neun Redakteure um einen anderen Arbeitsplatz hat Holzamer nicht erfüllt. »Es ist mir unmöglich«, schreibt der Intendant, »Ihrem Anliegen auf zeitweise Abordnung zu entsprechen.«