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FILMGESCHÄFT In den Wind geschrieben

Nach dem Konkurs-Antrag des Constantin-Filmverleihs gibt es Streit: Einem abgesprungenen Constantin-Retter, der dann doch lieber eine Konkurrenz-Firma kaufte, droht eine Klage.
aus DER SPIEGEL 46/1977

Über der deutschen Film-Landschaft hängt der Himmel voller Pleiten. Nachdem im Juli die Münchner Cinerama des Wolfdieter Freiherr von Stein Konkurs anmelden mußte, zu dessen Eröffnung es mangels Masse erst gar nicht kam, hat es nun auch den einstmals größten europäischen Verleih, die Constantin (Umsatz 1975 im bundesdeutschen Verleihgeschäft: rund 30 Millionen Mark), erwischt.

Nach langem Siechtum, vergeblichen Wiederbelebungsversuchen und der ultimativen Drohung deutscher Produzenten, Strafanzeige zu erstatten, weil sie von der Constantin immer häufiger mit geplatzten Wechseln und ungedeckten Schecks bezahlt worden waren, gab der Verleih am 24. Oktober endgültig auf. Am vorigen Montag wurde (Aktenzeichen 32 N 1077/77) in München Konkursantrag gestellt.

Damit fand eine Institution ihr unrühmliches Ende, die das Gesicht des deutschen Nachkriegsfilms wesentlich gezeichnet hatte. Von Waldfried Barthel (Branchenspitzname: »Der Konsul") 1950 gegründet, florierte die Constantin in den goldenen 50er Jahren vor allem mit ihrem Seichtangebot aus Heimatfilmen ("Wetterleuchten um Mana") und Komödienplotten ("Ja, ja die Liebe in Tirol") und überstand auch die ersten Krisenzeiten Anfang der 60er Jahre, als das Fernsehen das Publikum aus den Kinos zog, leidlich.

1965 übernahm der Bertelsmann-Konzern 60 Prozent des Barthel-Anteils, um über die Constantin groß ins Audiovisionsgeschäft zu steigen. Politische Angriffe wegen eines drohenden Medienmonopols und Zuschauerschwund verleideten den Bertelsmännern das Engagement. 1970 verkauften sie an den Konsul zurück. Die Ratenzahlungen für diese Transaktionen belasteten die Constantin bis zuletzt.

Als dann 1974 der Hagener Wirtschaftsprüfer Hellmuth Gierse, der sich bis dahin vornehmlich an Rechenzentren und Firmen der Kosmetikbranche beteiligt hatte, in die Constantin einstieg, schob der Verleih, wie Branchenkenner schätzten, bereits einen Schuldenberg von 30 bis 40 Millionen Mark vor sich her. Gierse ließ sich denn auch die Kaufsumme von 4,5 Millionen für seine sechzigprozentige Beteiligung auf 30 Jahre zinslos stunden.

Anfang 1976 übernahm Gierse auch noch den Rest für 1,35 Millionen, wobei an diesen Anteilen bereits ein Pfandrecht der Frankfurter Investitions- und Handels-Bank (IHB), der damaligen Hausbank von Constantin, bestand. Von nun an ging"s bergauf. bergab.

Bei seinem Bemühen, sich vom Glamour der Filmwelt bestrahlen zu lassen, geriet der Hagener Geschäftsmann immer mehr ins Zwielicht. Gierse wechselte das Constantin-Management

* Mit Ehefrau (r.) und Schauspielerin Elisabeth Volkmann.

fast häufiger aus als sein Filmangebot, bei dem er sich von einem »künstlerischen Beirat« helfen ließ, um den angeschlagenen Verleih »zurück in die internationale Familie der Filmemacher« zu bringen (so ein Beiratsmitglied).

Doch die feine Familie mochte das kränkelnde Kind nicht. Constantin, auf »Berlinger« bis »Schulmädchen-Report 11. Teil« angewiesen, schloß Jahr für Jahr mit Verlust ab.

Als im August 1976 Dr. Hans-Peter Fausel die Geschäftsführung antrat, hatte die Constantin bei der Hessischen Landesbank (Helaba) die inzwischen die Forderungen ihrer Tochter IHB voll übernommen hatte, Schulden von 20 Millionen Mark. Die Helaba schrieb Anfang dieses Jahres den größten Teil ihrer Forderungen ab. Die Restschuld beglich Gierse mit einem Kredit der Spar- und Darlehnskasse Meinerzhagen (Spadaka), der er als Sicherheit unter anderem die Einspielergebnisse des laufenden Filmprogramms abtrat.

Da wurden nun die deutschen Produzenten, die ihre Filme von Constantin verleihen ließen, endlich wach. Denn in der von Gierse angebotenen Sicherheit befanden sich auch ihre Einspielanteile, die sich in der Regel auf 70 Prozent aller Verleih-Einnahmen an einem Film belaufen. Die Spadaka zeigte sich zwar bereit, diese Gelder an die Produzenten weiterzuleiten, doch das Mißtrauen blieb.

Trotz eines (laut Fausel) erwirtschafteten Gewinns von über zwei Millionen Mark im ersten Halbjahr 1977 aus dem Verleihgeschäft trudelte die Constantin nun von einer Liquiditätskrise in die andere. Die Sachleister, zum Beispiel die Kopierwerke, räumten der Firma aus guten Gründen statt der branchenüblichen Zahlungsfrist von 12 Monaten nur noch null bis drei Monate ein. Zudem mußten noch sechsstellige Ratenzahlungen an Bertelsmann geleistet werden, und auch Gierse zog mal 170 000 Mark für sich ab.

Ende September sah Geschäftsführer Fausel keinen anderen Ausweg mehr, als die Eröffnung eines Vergleichs zu beantragen. Doch zwei Tage vor dem Termin, dem 29. September, wurde ihm von Gierse fristlos gekündigt. Begründung.« Finanzielles Mismanagement.« Mit dem Vergleichsversuch, so behauptet Gierse, habe Fausels Rausschmiß nichts zu tun.

Gierses Suche nach einem neuen Kapitalgeber gestaltete sich in den letzten Monaten äußerst schwierig. Nach der spektakulären Entschuldung bei der Helaba wollte ihm keine Bank mehr Kredit einräumen. Zudem hatten der Simmel-Produzent Luggi Waldleitner und der Sexfilm-Hersteller Carl Spiehs nach dem Spadaka-Schreck in Erwartung der Constantin-Pleite einen eigenen Verleih, die C-Film, gegründet und waren mit ihm in Wartestellung gegangen.

Am 6. Oktober schien jedoch der Constantin-Retter nah. Gierse schloß mit dem Schnaps- und Saft-Fabrikanten Ludwig Eckes ("Chantré«, »Hohes C"), den familiäre Filminteressen plagen -- sein Schwiegersohn produzierte die Sexschnulze »Bilitis« -- eine Art Agreement, in dem sich Eckes bereit erklärte, für fünf Millionen Mark die Hälfte der maroden Firma zu übernehmen.

Doch dann bekam Eckes kalte Füße. Er bezweifelte nun den von Gierse vorgelegten Status der Constantin und schätzte das ebenfalls von Gierse präsentierte Steuermodell für sein angestrebtes Engagement als undurchführbar ein. Eckes: »Gierse hatte mir Sachen aufgetischt, die hätte er einem Lehrling erzählen sollen, aber nicht mir.

Am 18. Oktober erteilte Eckes per Telex der Constantin eine endgültige Abfuhr. Eckes-Anwalt Wolfgang Felten: »Ich drücke mir heute noch jeden Tag die Hand, daß wir da nicht eingestiegen sind.« Gierse, der, wie er erklärt, in Erwartung der Eckes-Millionen anderen möglichen Interessenten abgesagt hatte, will nun eine Klage vorbereiten.

Sollte der Constantin-Boß damit Erfolg haben, was zumindest zweifelhaft ist, stünde er als Verleiher trotzdem mit leeren Händen da. Denn Ende Oktober kündigten zwölf »maßgebende deutsche Produzentern«, darunter Wolf C. Hartwig, dessen Kriegsfilm »Steiner« nach seinen Angaben allein 70 Prozent des Constantin-Umsatzes in diesem Jahr einbrachte, Heiner Angermeyer ("Mädchenkrieg") und Spiehs, ihre Verträge mit dem Verleih und forderten Offenlegung. Eine Woche später war der Konkurs unabwendbar.

In dem Gierse-Brei der nun zusammengekrachten komplizierten Firmen- und Kreditkonstruktion werden die Gläubiger wohl vergebens nach ihren insgesamt 17 Millionen Mark Forderungen (Fausel-Schätzung) stochern. Hartwig: »Die deutschen Produzenten allein hätten noch über zwei Millionen an rückständigen Leihmieten zu kriegen. Die können wir in den Wind schreiben.«

Der deutsche Kinogänger muß dennoch nicht auf die gemischte Constantin-Ware vom Jodler-Sexstreifen »Auf der Alm, da gibt"s koa Sünd« bis zum »Mädchenkrieg« verzichten. Denn am 26. Oktober hat Ludwig Eckes nun die C-Film gekauft -- in sie werden die von Gierse abgesprungenen Produzenten ihre Filme einbringen. Gierse: »Die müßte jetzt eigentlich Hohes-C-Film heißen.«

Geschäftsführer der neuen Firma sind der einstige Constantin-Mann Karl-Heinz Böllinghaus und der Eckes-Schwiegersohn Sylvio Tabet, ein Pariser, der wenige Worte Deutsch spricht und sich deshalb mehr um den Export kümmern soll. Die C-Film übernahm fast die gesamte Constantin-Mannschaft, deren Oktober-Gehälter Hartwig aus seiner Privatschatulle zahlte, wofür er sich die Konkursausfallgelder verpfänden ließ.

Als ersten Neustart wird die C-Film den zuvor bei Constantin angekündigten Abenteuer-Streifen »Die Insel des Dr. Moreau« herausbringen.

Gierses Verdacht, Eckes habe in Verbindung mit den deutschen Produzenten durch die Rücknahme seines Constantin-Engagements den Verleih erst mal in Konkurs gehen lassen, um sich dann aus dem frei gewordenen Filmstock billiger bedienen zu können, weisen die Betroffenen als »schwachsinnig« zurück. Gerichtlichen Auseinandersetzungen über Eckes' Gebaren sieht man bei der C-Film gelassen entgegen. Ein Produzent: »Ich betrachte Herrn Gierses Drohungen in dieser Richtung nicht als finanzielles, sondern mehr als medizinisches Problem:

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