BÜCHER Jeder möchte
Heinz Ludwig Arnold (Herausgeber): »Dein Leib ist mein Gedicht. Deutsche erotische Lyrik aus tönt jahrhunderten«. Rütten + Loening; 320 Seiten; 25 Mark.
Da stellt sich einer ganz dumm: »Kürzlich«, so vorwortelt er, habe ihn jemand »mit etwas ungläubiger Miene« gefragt, ob es denn »eindeutig erotische Lyrik« etwa schon zu Zeiten der Klassiker gegeben habe.
Und diese eingebildete, weil inzwischen durch viel zuviel Anthologien verstopfte Informationslücke konnte Im Ernst wohl auch nur ein Verlag der Scherz-Gruppe noch mal zum Anlaß nehmen, um darzutun, »daß erotisches Dichten nicht allein eine Vorliebe ... der Lyriker des 20. Jahrhunderts ist« -- wie Immer mit Goethes »Tagebuch«, den »Priapischen Oden« von Bürger, Voß und Stolberg, den einschlägigen Versen der notorischen Pornographen Lessing, Schiller, Wieland, Rückert, Mörike usw.
Die Zeitgenossen präsentieren sich im letzten Buchviertel, das nicht aus anderen Sammlungen zusammengeschrieben Ist. Fast die Hälfte von ihnen hat auf Editor Arnolds Anfrage Unveröffentlichtes aus dem Schreibtisch gekramt; eine Entdeckung immerhin sind die fünf Gedichte des bislang mehr als Natur- und Innerlichkeitslyriker berühmten Karl Krolow, 55. Seine unzweideutigen Porno-Poeme gehören zum Schärfsten des (recht schlampig gemachten) Bandes.
Wie viele erst durch das Buch-Projekt zum Produzieren von Erotika inspiriert sein mögen, läßt sich kaum abschätzen: »ich glaub / lieber Arnold«, so dichtete der schnelle Horst Bienek in seinem Beitrag, »jeder seriöse Autor / möchte vertreten sein.«