SCHRIFTSTELLER Junger Hengst
Hardy Krügers erste Karriere begann im Sommer 1946 mit einer improvisierten Abschlußprüfung als Theaterschauspieler in Hamburg. Launig beschreibt er in seinem »autobiografischen Roman« (Krüger) »Junge Unrast« die Zeremonie. _(Hardy Krüger: »Junge Unrast«. Roman. C. ) _(Bertelsmann Verlag, München; 576 Seiten; ) _(36 Mark. )
Während der Intendant nach der lockeren Talentprobe von August Unrast - so nennt Krüger sein anderes Ich - im Kreis einiger Theaterleute ein Vertragsformular aus der Tasche zog, schwadronierte er nach Schauspielerart drauflos, »daß er sich freue, das Formular zufällig bei sich zu haben ... und er schreibt mit einer Schrift hinein, die so rund ist wie er selber: ''Anfänger im 1. Jahr'', und hinter den Vordruck Bühnenfach schreibt er ''Jugendlicher Komiker und Naturbursche''«.
Den Komiker in sich hat Hardy Krüger dann in den fünfziger Jahren mit Klamotten wie »An der schönen blauen Donau« und »Die Christel von der Post« ausgetrieben, später in »Einer kam durch«, »Taxi nach Tobruk« und »Die Brücke von Arnheim« endgültig besiegt.
Krüger spielte darin so blond, blauäugig und rauhbeinig den deutschen Offizier und Technokraten, daß der Eindruck entstanden ist, er habe 50 von diesen Kriegsfilmen gemacht und zu Hause seine eigene Uniform hängen; das gestand der Schauspieler kürzlich in einem »Playboy«-Interview. »Tatsache ist«, so Hardy Krüger trotzig, »ich habe an die 50 dieser Filme abgesagt.«
So widmete er sich in den letzten Jahren verstärkt der Pflege seines Images als Naturbursche. Zwei Autostunden östlich von Los Angeles hat er sich in den Bergen Kaliforniens 3,5 Hektar Urwald aus Kiefern und Eichen gekauft, dort oben ein Plateau gerodet und ein »riesiges Blockhaus« ("Playboy") daraufgesetzt.
In dieser wilden Einsamkeit versucht Hardy zusammen mit seiner dritten jungen Frau Anita »so etwas wie einen Garten anzulegen«, meldete die »Hörzu« in einem Artikel, der den Abdruck seines neuesten Romans in dem 3,7-Millionen-Blatt einläutete.
In diesen Roman hat Hardy Krüger mehr als ein Jahr lang acht Stunden am Tag seine Lebensgeschichte gesät. Gewachsen ist daraus ein Garten voller Lüste, in dem vor allem frisches Obst zu ernten ist, etwa Brüste wie »Äpfel« oder »Birnen« oder obstförmige Ärsche, auch »herrliche Knospen«, die der Autor poetisch auch die »Blumen der Schönheit« nennt - Hardys Stilblüten-Gärtchen.
Beim Grapschen nach solchen Früchtchen wie einen »schönen Titt« oder einer »herrlichen Futt« hat der Autor meist seinen aufrechten, mal »pochenden«, mal »pulsierenden« »Schweif« im Blick - »Dunnerlüttich« würde das August Lehmann, der Großvater unseres Helden August Unrast, der später zum »Jungen Unrast« wird, auf seine derbe Art kommentieren.
An einem Apriltag des Jahres 1928, zwei Minuten nach vier, hatte sich der junge Unrast »brüllend in dieses Leben gedrängt«. Das freudige Ereignis nennt Autor Krüger im nachhinein dessen erste Geburt.
Denn eigentlich wird so ein Mann wie er erst »beim Eindringen in die Frau« richtig geboren - im Fall des Helden fünfzehn Jahre später, als Zögling an der Adolf-Hitler-Elite-Schule in Sonthofen: »Urplötzlich wußte er, daß er nicht an jenem Tag geboren war, an dem sie ihn blind und unwissend aus dem Leib der Frau geholt hatten.«
Dazu bedarf es eigener Anstrengungen: »Sein Körper bog sich zurück und stieß wieder vor und verlor sich in dem Rhythmus, der so alt ist wie die Zeit«, reflektiert Hardy Krüger die Geburtswehen des jungen Mannes und »mit der Kraft seiner Stöße wogten die Brüste der Frau, und sie warf ihren Kopf hin und her, und das war der Beginn seines Lebens«.
Auf diese Weise wird Junge Unrast in dem Roman noch oft geboren, alle Dutzend Seiten bedrängt von erotischen Erscheinungen - wie ein Durstender in der Wüste von der Fata Morgana. Ewig lockt der Leib.
Kein Wunder, daß er bei den Mädels bald »junger Hengst«, bald »Faun« gelobt wird. Wiehernd melden sich die Stuten zur Stelle: »Hauptsache, ''n Kerl wie du hat ''ne Frau im Bett.«
Seine erste hieß Tina, Junge Unrast lernte sie während der Dreharbeiten zu dem Film »Junge Adler« in Berlin kennen. Dafür hatte ihn der Regisseur Bertram Weyland - der wohl Alfred Weidenmann nachempfunden ist - eigens aus der Allgäuer Elite-Schule für den nationalsozialistischen Nachwuchs in die Ufa-Studios geholt.
Dort, im lockeren Boheme-Milieu der Nazi-Stars, verliert der Junge seinen Kinderglauben an den Führer. Mit dem hatten sie ihn im kleinbürgerlichen Elternhaus - Vater war ein brauner Ingenieur - und auf der Schule in Süddeutschland sein junges Leben lang malträtiert.
Der Schauspieler Florian Menning - gemeint ist vermutlich Albert Florath, der in »Junge Adler« eine der Hauptrollen spielte - lehrt den Jungen in seinen respektlosen Zirkeln, kritisch gegenüber den braunen Machthabern zu sein, wachsam und untreu. Deshalb begleitet Unrast eines Tages im Schutz seines Schuldresses Flüchtlinge von Berlin bis an die Schweizer Grenze, Mut in Uniform.
Mehr noch: Unrast wird in den letzten Kriegstagen gar zum passiven Widerstandskämpfer!
Im Mai 1945 wurde er wegen »feigen Verhaltens vor dem Feind und Hochverrats« zum Tod durch Erschießen verurteilt.
Doch der Junge, die Hosen schon naß angesichts des Erschießungskommandos - »Beschissen hat er sich noch nicht. Nur bepinkelt. Der Kerl trägt links. Das linke Hosenbein ist naß« - wird auf wundersame Weise von einem Hauptsturmführer, der der Bruder eines Kameraden von Sonthofen ist, ins pralle Leben zurückgerettet.
Zwingend, daß sich nach solcher Art Wiedergeburt zwischen Retter und Gerettetem ein schlüpfriger Dialog entwickelt - Männerphantasien: »Magst du das, nur eine Frau in unserem Bett?« - »Wie soll ich das wissen, ob die Frau das mag?« - » Was kann ihr Besseres geschehen?« grinste der Hauptsturmführer und machte sich auf die Socken, eine Schöne aus dem Dorf zu holen.
Doch diesmal, Hengst hin, Faun her, macht sich Unrast auf und davon.
Rastlos marschiert er weiter durch sein Leben, als Kriegsgefangener der Amerikaner, dann Rundfunksprecher in Hamburg, Hannoveraner Wanderschauspieler, Theaterstar in Nord und Süd und schließlich beim internationalen Film - eine dröhnende Karriere, wie sie »Unrast«-Autor Hardy Krüger ähnlich erlebt hat.
Doch zu kurzatmig gibt er seine Erlebnisse zum besten, er berichtet zu atemlos vom großen Glück und den kleinen Katastrophen seines Lebens. Kein Buch aus dem Kopf - trotz mancher politischer Einsichten - eher der Erlebnisaufsatz eines talentierten großen Buben, voller peinlicher Entblößungen des Menschen Hardy Krüger. Der trampelt öfters wütend auf der deutschen Sprache herum:
»Er kannte keine Verzweiflung mehr, keine Verwirrung und keine Sorgen. Der schreckliche Tag ging verloren, und die brennenden Menschen hatte es nie gegeben, ebenso, wie es niemals mehr ein Morgen geben würde, sondern nur noch diese Hände und das Gleiten dieser Hände und das Gefühl nie enden werdenden Glücks, das in seinem Kopf zu leuchten anfing wie ein zartes Licht.«
Schmerzlich, daß sich beim Verlag kein Lektor fand, der dieses ausknipste.
Geübt hatte sich Hardy Krüger in solchem Getöse bereits in etlichen Geschichten, die in dem Band »Die Frau des Griechen« gesammelt sind. Ins Englische, Französische, Niederländische und gar Türkische übersetzt, wurden von seinen schriftstellerischen Arbeiten - darunter befinden sich die Romane »Wer stehend stirbt, lebt länger« und »Schallmauer«, der Bericht »Eine Farm in Afrika« und das Kinderbuch »Sawimbula« - fast eine Viertelmillion Exemplare verkauft. »Junge Unrast« erreichte vergangene Woche Platz 10 der SPIEGEL-Bestseller-Liste.
Heute, sagt Hardy Krüger, kann er sogar vom Bücherschreiben leben. Sein nächstes Werk, wohl eine Art »Unrast«-Fortsetzung, soll von einem Schauspieler im Berlin des Jahres 1956 handeln. _(Als Flieger von Werra im Film »Einer kam ) _(durch«. )
Hardy Krüger: »Junge Unrast«. Roman. C. Bertelsmann Verlag, München;576 Seiten; 36 Mark.Als Flieger von Werra im Film »Einer kam durch«.