BÜCHER Jux mit Jerry
Es hat schon was Deprimierendes: wie der gebeugte Jerry Cotton »mit einem gehörigen Schrecken« an der Bar sitzt und in einem alten Jerry-Cotton Heft nachliest, »wie es früher war«. Oder wenn der legendäre Sherlock Holmes, der kichernd »in einem uralten, verstaubten Schaukelstuhl kauert und an einem letztjährigen Oster-Cake kaut«, sich allenfalls der Zeiten erinnern kann, wo »man die Gabel noch in der linken Hand hielt«.
Von solcher und ähnlich verfremdeter Heldenart sind die meisten Meisterdetektive, die 13 schriftstellernde Krimifreunde unter Anleitung des Oberpoeten Hans Carl Artmann für eine Sammlung nachertunden haben, in der die ehemals niedere Pennyshocker-Trivialkunst den Stoff zu höherem Poeten-Jux liefert.
Chef Artmann selbst, der »sich mit vorliebe im nordwesten Europas aufhall Lind seinen langen schatten wie eine pelerine durch nacht und rieselregen trägt«, kultiviert das eigene Gaslight-Image in der Maske des Cello spielenden »Weltdetektivs« Tom Parker
und verfällt damit ebenso wie einige Kollegen der allzu direkten Verführung, die Großen des Gewerbes, von Tom Shark bis Philip Marlowe, imitatorisch zu neuem Literaturleben zu erwecken. Die alten Meister freilich sind ohne Dichterhilfe schon längst so sehr zur Trivialmythemarke geworden, daß ihr Abziehbild blasser ausfallen mußte als das allemal originellere Original.
Entschieden Lustigeres produzierte dagegen das Verfahren, mit dem vor allem Chotjewitz, Fuchs, Widmer und Reichert die klassischen Krimi-Klischees sich verselbständigen und den geölten Handlungs- und Personenautomatismus der Detektivstory in bodenlosen Wer-ist-der- Mörder-Nonsens umkippen lassen.
Und besonders im Schlußbeitrag Wondratscheks erweist sich die poetische Qualität, die unparodierbare Krimi-Sätze so schön macht wie diesen: »Bob Rankin, ein Mann, der sich den fünfundvierzig näherte, mit einem kleinen Schlitz, den er als Mund benutzte, wischte sich mit dem Handrücken die Stirn.«