Klatsch von der Journaille Immer Ärger mit alten Überzeugungen
Wer, wie wir, seit längerem zur großen Gemeinde der "Bild"-Freunde gehört und das jederzeit freimütig zugibt, hat es in Journalistenkreisen nicht leicht. Sicher gibt es mittlerweile immer mehr Kollegen, die sich nicht scheuen, zuzugeben, daß sich viele komplizierte Sachen oft in zehn einfachen Sätzen erklären lassen - anstatt in ungefähr 350 Druckzeilen. Was die Verfasser dieser, zumeist ja sehr schlauen Zeilen natürlich kaum akzeptieren können - genausowenig wie die Tatsache, daß ungefähr fünf oder zehn Millionen Leute jeden Tag lieber zu den zehn einfachen Sätzen greifen.
Was wir damit sagen wollen, ist: Wer, wie wir, der Meinung ist, die "Bild"-Zeitung habe neben manch Kritikwürdigem auch zwei, drei gute Seiten, muß den Vertretern der hohen journalistischen Schule leider immer wieder erklären, daß deshalb heute nicht mehr die Kultur untergeht.
Dabei freuen wir uns natürlich über jede Unterstützung. Diesmal kommt sie von einem, dem wir dies zunächst nicht zugetraut hätten: Christoph Scheuring. Falls Ihnen dieser Name nichts sagt, ist das nicht schlimm, denn erstens ist der Mann ein schreibender Journalist - was bedeutet, daß er sich damit abfinden muß, daß er kaum jemals so richtig berühmt werden kann; und zweitens haben Sie ja uns. Und wir können Ihnen mitteilen, daß Scheuring eine, wie wir in unseren Kreisen gern sagen, "Edelfeder" ist - und zwar im Gegensatz zu vielen, die nur so genannt werden, eine echte. Wirklich wahr.
"Er kann so schreiben, daß sich Kollegen ernsthaft fragen, ob es sich noch lohnt zu schreiben, weil sie ja doch kaum Ähnliches zustande bringen", stellt die Berliner Zeitung über Scheuring fest. Ein großer Satz, dem nichts hinzuzufügen ist.
Daß dieser Scheuring seine Werke natürlich in allen wichtigen Blättern hinterlassen hat und dabei zweimal den Egon-Erwin-Kisch-Preis bekommen hat, was für uns Journalisten der absolut allerhöchste Orden ist, erwähnen wir nur nebenbei. Dieser Scheuring jedenfalls ist, und jetzt halten Sie sich fest, seit ein paar Wochen Mitarbeiter der "Bild"-Zeitung! Ist das ein Ding? Eine "Edelfeder" beim Drei-Wort-Satz-Blatt! Als wir das in der Berliner Zeitung lasen, stand für uns fest, daß die Medien-Welt nicht mehr dieselbe ist wie zuvor.
Scheuring selbst sagt dazu, es gebe "heute keine moralisch-ethischen Gründe mehr, nicht zu Bild zu gehen". Ihn habe "immer das große Gefühl" interessiert, "und das ist Boulevard-Journalismus". Und was macht man als Edelfeder bei "Bild" genau? Aktuelle Geschichten werde er "nur im allergrößten Ausnahmefall" schreiben, sagt Scheuring. "Mein Platz ist in der Serie." Ein bißchen altes Denken hat er sich, trotz der neuen "Herausforderung, für die Bild-Leser zu schreiben", jedoch noch bewahrt: In manchen Journalisten-Kreisen werde er zeit seines Lebens "der mit den zwei Kisch-Preisen" sein. Was, wie die Berliner Zeitung sofort schlußfolgert, nur heißen kann: "Zurück kann er immer."