Klatsch von der Journaille Immer Ärger mit Fernsehserien
So aufregend und lustig es ist, in der Medienbranche zu arbeiten, manchmal könnten wir uns auch andere Jobs vorstellen. Das Problem ist nicht, daß die vielen Neuigkeiten hin und wieder Langeweile erzeugen; oder daß wir zuwenig Geld verdienten; oder daß uns nie ein Leser auf der Straße erkennt und uns begeistert auf die Schulter klopft - nein, das schlimmste ist, daß wir kaum noch richtig fernsehen können.
Mit "richtig" meinen wir, daß wir nach unserem normalen Arbeitstag, wenn wir Glück haben, gerade noch die Spätnachrichten schaffen - was zwar auch unheimlich wichtig ist, in puncto Entspannungs- und Unterhaltungswert jedoch nur enttäuschend abschneidet. Um so mehr beneiden wir jene glücklichen Menschen, die zu einer Zeit nach Hause kommen, die die Fernsehmacher "Vorabend" nennen und mit vielen schönen Sendungen, meist serienhaften "Characters", ausfüllen.
Damit Leute wie wir trotzdem nicht ganz den Anschluß verpassen, haben sich die Fernsehmacher außer ihren Serien noch eine prima Sache einfallen lassen: den Jahresrückblick in - und das ist das beste - gedruckter Form. Klar, daß wir uns als erstes sofort den Klassiker geholt haben; ein Epos, das sogar wir noch aus unserer aktiven Fernsehzeit kennen: "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", oder wie die Profis sagen: "GZ, SZ".
Und seit wir "Das war 1998" durchgeblättert haben, müssen wir schon sagen, daß auch die Vorabend-Welt nicht mehr ganz so in Ordnung ist, wie wir sie in Erinnerung haben. Ab Seite 14 zum Beispiel sehen wir "Die Rache einer Mutter": Eine Frau mit einer Pistole; Reporter, die sich auf Leon, "den vermeintlichen Mörder", stürzen; Leon, der seinem Freund Charlie eine Sichel an den Hals hält. Eine Seite weiter stirbt Charlie dann "in Leons Armen". Auf Seite 27 hat Barbara eine Schere in der Hand und will Sonja damit stechen; und später hat Sonja einen blutenden Kopf. Schlimm.
Zum Glück gibt es aber auch noch das Schöne: "Cora und Nicky lernen sich in Charlies Laden kennen und verlieben sich ineinander. Bei Ricky und Nataly dauert es etwas länger. Ricky muß einige Ausdauer beweisen, bis Nataly ihn erhört." Gut gefallen haben uns die knappen, klaren Zusammenfassungen der Folgen. "16. Februar: Flo erleidet einen Kreislaufzusammenbruch. Am Krankenbett versöhnen sich Andy und Flo. 23. April: Flo und Andy freuen sich so richtig auf ihren Sprößling, und Andy richtet ein total süßes Kinderzimmer ein." (Schade nur, daß wir jetzt nicht wissen, was die beiden von Februar bis April gemacht haben.)
Ganz zum Schluß kommen noch die "starken Momente". Da sehen wir unter anderem Nico und Nataly, wie sie nebeneinander sitzen und ihre Hände überm Kopf halten; Daniel als "nicht gerade der geborene Heimwerker"; und einen Hund namens Vivaldi, der einen Blumentopf umgeworfen hat, und "sich keiner Schuld bewußt" ist. Vielleicht, dachten wir da, ist es doch nicht so schlimm, daß wir am Vorabend nie zu Hause sind. Denn wer weiß, welche "schwachen Momente" wir wohl bei "GZ, SZ" zu erwarten hätten?