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GAGS Känguruh mit Reißverschluß

aus DER SPIEGEL 4/1952

(s. Rückseite)

Fünfzehn Jahre lang versuchte der untersetzte, schnurrbärtige französische Werbegraphiker Raymond Savignac, den Fabrikanten seine Werbeplakate zu verkaufen. Savignac wollte eine Synthese zwischen Kunst und Werbung, mit einem guten Schuß Humor. Die Fabrikanten wollten süßlich lächelnde Mädchen. Wenn man dem Publikum mit neuen Ideen komme, dann gehe der Umsatz zurück, meinten sie. Gab es doch einmal ein graphisch etwas kühneres Plakat, dann warb es für eine Kunstausstellung oder einen Maskenball.

Savignac mußte erfahren: »Die Leute wollten weder Humor auf ihren Plakaten haben noch sonst irgend etwas, was ungewöhnlich war. Vor allem aber hatten sie furchtbare Angst vor Humor. Der Industrielle nimmt das, was er fabriziert, tierisch ernst, und es grenzt für ihn an Gotteslästerung, wenn man über sein Produkt lacht. Ein Reißverschluß am Bauche eines Känguruhs? Der Mann, für den der Entwurf war, schlug die Hände über den Kopf zusammen. Er fabriziere seine Reißverschlüsse nicht für die Tiere im Zoo, sagte er, sondern für die Menschen, und die hätten ohnehin keine Tasche im Bauch.«

Auch bei der Presse fand Savignac anfänglich kein Verständnis: »Der Werbechef der größten französischen Tageszeitung 'France Soir', für den das Plakat mit dem Zeitungsleser war, das dann schließlich in Belgien von 'Het Laatste Nieuws' angekauft wurde, meinte, kein Leser könne seine Zeitung ernst nehmen, wenn sie so ein komisches Plakat herausbringen würde. Bei der großen Klebstoffabrik, für die ein

Entwurf war, wurde ich fast hinausgeworfen. Sie fabrizierten Klebstoff für Bürozwecke, sagten sie, also für vernünftige Zwecke, und nicht, damit man damit Unfug treibe und Hüte aneinanderklebe.«

Dabei läßt Savignac auf witzige und geistvolle Art die Ware selber sprechen, oder er zeigt ihren Effekt. Für die Dunlopillo-Matratze verzichtet er auf das reizende Mädchen, das man sonst im Nachtgewand auf Matratzenplakaten schlummern sieht. Savignacs Matratze ist so

gut, daß der Schläfer mit ihr verschmilzt. Auf seinem Plakat streckt sich morgens, nach einem ausgezeichneten Schlaf, ein Wesen: halb Matratze. halb Mensch.

Meint Savignac: »Wenn mir ein Auftraggeber sagt, mein Entwurf spreche eine Selbstverständlichkeit aus, dann weiß ich, daß ich das Richtige getroffen habe. Darauf kommt es ja gerade an - nicht darauf. Argumente zu konstruieren oder dem Beschauer auf dem Umweg über ein lächelndes Mädchen zu sagen, X-Bier, Y-Zahnpasta oder Z-Automobile seien die besten. Was ich in meinen Arbeiten auszudrücken suche, will ich mit der Ausdrucksfähigkeit Charlie Chaplins zeigen.« Mit Chaplin hat Savignac auch äußerlich Aehnlichkeit.

»Das Wesentliche in jedem Plakat ist der Gag - jener kleine, zündende Funke.« Savignac sucht seinen Plakaten eine volkstümliche Sprache zu geben, »eine Sprache, die jeder Mensch versteht. Aber der Patron, der Mann mit dem Geldbeutel, hat fast nie verstanden, wie man volkstümlich spricht.«

Erst das Plakat der seifegebenden Kuh brach Savignac die Bahn zum Erfolg. Ganz Paris sprach davon, ganz Paris lachte darüber. Das Plakat war nicht nur komisch, es war auch verständlich und künstlerisch. Savignac ist einer der wenigen Graphiker, denen es gelungen ist, moderne Werbung so zu gestalten, daß in ihr keinerlei Konzession an den schlechten Geschmack gemacht wird und daß sie trotzdem jedem Menschen verständlich wird.

Da steht zum Beispiel auf einem Plakat eine Flasche Mineralwasser, das besonders durch seinen starken Gehalt an natürlichen Gasen bekannt ist. Der Wasserstrahl springt dem Durstigen genau in den Mund - wenn dem dabei der Hut hoch geht, dann nicht nur vor Staunen, sondern auch vor Genugtuung.

Jedes Plakat Savignacs enthält einen solchen Gag und erinnert oft an die amerikanischen cartoons. Sagt Savignac: »Plakatwerbung ist der Ausdruck des Absurden in logischer Form. »Heute steht der 43jährige anerkannt an der Spitze der französischen Werbegraphiker.

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