NEU IN DEUTSCHLAND Kakeln im Kastell
Wenn Katelbach kommt (England). Dem schlafenden Gangster Richard steckt Teresa Papier zwischen die Zehen, zündet es an - und wird von dem Gesengten übers Knie gelegt. Richard abschließend: »Das nennt man eine Wucht - gefällt dir's?«
Für eine Wucht hielten im Juli Berliner Juroren den jüngsten Film Roman Polanskis, 33, und belohnten ihn. Nachdem sie den polnischen Regisseur 1965 für sein wortkarges und zähflüssiges Schauerspiel »Ekel« mit dem Silbernen Bären bedacht hatten, gaben sie ihm diesmal Gold für einen irr-realen Reißer.
Denn Polanskis Katelbach kommt zwar sowenig wie Samuel Becketts Godot, nach dessen Vorbild er entworfen scheint; aber die Wartezeit wird durch Gangstergroteske und eheliche Psychofarce vergnüglich verkürzt. Gewartet wird in einem northumberlandischen Kastell, das nur bei Ebbe auf dem Landweg zu erreichen ist. Dort lebt der kahlköpfige Nichtschwimmer George (Donald Pleasence) mit seiner jungen Frau Teresa (gespielt von Francoise Dorléac, der Schwester der »Ekel« -Heldin Catherine Deneuve). George hat Teresa aus einem Bordell ins Ehebett verlegt und züchtet Hühner im Überfluß - zum Umgang mit den fragilen
Legefrüchten wie mit der lebensfrohen Gattin gleichermaßen ungeschickt.
Den flauen Frieden des Ei-Lands stört der flüchtige, angeschossene Gangster Richard (Lionel Stander). Er schleicht sich - unter Gurren und Kakeln des aufdringlichen Symbolgeflügels - in den Hühnerstall und dann ans Telephon: Er sucht Verbindung zu seinem zitternd verehrten Boß Katelbach. Der ferne Übervater ist ungehalten, will aber Hilfe senden.
Derweil übernimmt Richard per Pistole das Regiment im Schloß. Erst als Teresa ihrem Gatten den Gangster-Revolver zusteckt und ihm vorlügt, der Unhold habe sie bedrängt, schießt der Hausherr den Eindringling nieder und bricht auch zusammen. Teresa, die schon früher in den Dünen fremdging, entweicht mit einem Freund aufs Festland; George bleibt zurück und greint nach seiner ersten Frau Agnes. Katelbach hat längst abgesagt.
Gebrauchsanweisung für die superbe Symbol-Satire mag der Regisseur allerdings nicht geben. Polanski: »Ich bin nicht Billy Graham - wenn ich eine Botschaft hätte, würde ich sie mit der Post schicken.«
Francoise Dorléac, Partner in »Wenn Katelbach kommt« Übervater ist ungehalten