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FILM / NEU IN DEUTSCHLAND Kalter Braten

aus DER SPIEGEL 13/1967

Die Nacht der Generale (England/Frankreich). Hans Hellmut Kirst schrieb das Buch zum Film nach einer Krimi-Episode des James Hadley Chase -- der Regisseur Anatole Litvak ("Entscheidung vor Morgengrauen") schlich wieder zur trüben Quelle zurück: In grolldeutschem Pomp und Drell rollt ein Jack-the-Ripper-Reiller ab.

Im deutschbesetzten Warschau hat einer eine Dirne greulich aufgeschlitzt -- vom Abtritt aus besah ein holzbeschuhter Pole das Hosenbein des Mordbuben: Es trug die scharlachroten Streifen eines deutschen Generals.

Ein Abwehr-Major (Omar Sharif) nimmt die Spur des Schlitzers auf. Drei Generale haben für jene Nacht kein Alibi -- sie stehen betreten, als Sharif sie scharf anschaut. »Etwas Sauerkraut, Herr General?« muntert eine Ordonnanz auf. Antwort: »Danke, ich bin schon sauer.«

Zwei der Strategen fürchten delikate Entdeckungen -- der eine gehört zum Widerstand, der andere hat beim blonden Blitzmädel gelegen. Und der dritte General (Peter O'Toole), ein rechter Bluthund und Eisenfresser, kann die privaten Stiche leugnen; er schlitzt dann weiter in Paris und nach dem Krieg in Hamburg.

Peter O'Toole, seit »Lawrence von Arabien« im Heldenfach, ließ sich zur großdeutschen Knallcharge degradieren. Mit Stahl im Blick und zu Schicksalsmusik lenkt er Straßenschlachten, doch wenn der sexuelle Wahnsinn dräut, zuckt er die Züge wie ein Horror-Unhold.

Den Finsterling lenkt Litvak durch ein historisches Panoptikum. Ein klotziger Stauffenberg setzt seine Bombentasche ans Tischbein in der Wolfsschanze, ein Rommel tönt nach alter Weise, und deutsche Kriegsvehikel (aus polnischen Museen) scheppern durch Warschau und Paris.

Denn die »Nacht«, zum großen Teil im Osten gedreht, fand polnische Unterstützung -- die Warschauer sprengten auch ein paar Häuser für Litvak in die Luft.

Als Gegenleistung korrigierte der Regisseur die Nachkriegsentwicklung des hochgestellten Bauchaufschlitzers: Im Kirst-Buch ereilt ihn die Justiz als DDR-General, im Film tritt ihn Gerechtigkeit in München an, wo er mit alten SS-Kameraden feiert

Das Ende ist dekorativ. Der General a. D., von eigener Hand gerichtet, liegt wie ein kalter Braten zwischen Brötchen unterm Totenkopf.

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