Katharina Blum als Opern-Opfer
Die Herren Tonsetzer können es nicht lassen: Letzten Samstag wurde in Bielefeld wieder mal die langlebigste Leiche des Genres - die zeitgenössische Literaturoper - gefleddert. Täter war diesmal der aus Jena stammende Wahlrheinländer Tilo Medek, 51, der, mit mehrjähriger Verspätung, nun doch »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« in »Fünf Tagen und einem Nachspiel« besungen und nach fast zweieinhalb Stunden Spielzeit musikdramatisch geschändet hat. Mit dem kreuzbrav besetzten und spießig genutzten Orchester und mit einem Monsteraufgebot von 22 Solisten (mehr als in »Idomeneo«, »Don Giovanni« und »CosI« zusammen) nimmt Medek sich und das von Frau Gemahlin Dorothea biß- und witzlos gefertigte Libretto über Gebühr wichtig. Mehr als eine kleindeutsche Konservatoriumsvariante der amerikanischen Minimal Music ist nämlich bei der Zugewinngemeinschaft nicht herausgesprungen: Im Orchestergraben ruckt, zuckt und orfft den ganzen müden Abend lang eine endlose Toccatatata; die Stimmen quälen sich durch den Wortwust der Vorlage; und was Reiz und Raffinement des Klanges angeht, so steht Medek mitten im Musikleben der Jahrhundertwende - alles in allem eine Verböllhornung des geschätzten Dichters.