
"25 km/h": Zwei Brüder brettern durchs Land
Lars Eidinger und Bjarne Mädel auf Roadtrip Born to be mild
Zwei ungleiche Brüder, der eine Schreiner im Schwarzwald, der andere erfolgreicher Geschäftsmann gerade aus Singapur eingeflogen, treffen nach 30 Jahren bei der Beerdigung des Vaters in der schwäbischen Heimat wieder aufeinander, prügeln sich noch am offenen Grab, um nach einer beschwipsten Tischtennispartie auf dem Dachboden des elterlichen Hofs einen Jugendtraum nachzuholen: mit den Mofas vom Brunnen des schwäbischen Dorfes bis zum Timmendorfer Strand - und zwar sofort.
Klingt nach gepflegtem Mainstream - und das ist "25 km/h" auch. Massenkompatibel mit dem TV-Liebling Bjarne Mädel und dem Film- und Theaterliebling Lars Eidinger besetzt, spielt der Film jedoch mit den klassischen Motiven des Roadmovie. Regisseur Markus Goller kennt sich aus mit dem Genre: 2010 schickte er nach einem Drehbuch von Oliver Ziegenbalg Matthias Schweighöfer und Friedrich Mücke in "Friendship!" als zwei Ossis kurz nach der Wende von der Ost- zur Westküste der USA. Es wurde der erfolgreichste deutsche Film des Jahres. 2017 folgte "Simpel", in dem ein junger Mann (Frederick Lau) mit seinem behinderten Bruder (David Kross) aus der norddeutschen Provinz nach Hamburg reist, um dort den Vater zu suchen. Bei aller Schwere des Themas gelang Goller damit auch ein urkomischer Film.

"25 km/h": Zwei Brüder brettern durchs Land
Eine differenzierte Charakterstudie darf man von "25 km/h" nicht erwarten. Ein paar hektische Telefonanrufe und wehleidige Worte über sein einsames Leben in Singapur machen aus Christian (Eidinger) noch längst keinen knallharten Businessman. Er ist vielmehr der große Junge, dem Drehbuchautor Ziegenbalg auch noch die ärgsten Plattitüden aufgeschrieben hat: "Lass das Glas doch einfach mal halbvoll sein", fordert er Bedenkenträger Georg (Mädel) auf. Und als die beiden Brüder ihren Trip mal wieder abbrechen wollen, sagt er bedeutungsschwer: "Diese Reise hat einen Sinn, aber nur wenn wir sie zu Ende bringen."
"Dein Penis liegt auf meinem Bauch"
Diese Sätze wären kaum zu ertragen, würde sie Goller nicht in hübsch skurrile Situationen einbetten. Denn trotz der gemächlichen Fahrt auf den Uralt-Mofas mit titelgebender Höchstgeschwindigkeit erzählt Goller die Geschichte in teils wahnwitzigem Tempo - angetrieben von Synthie-Klängen von "The Cure" und "Camouflage".
"25 km/h"
Deutschland 2018
Regie: Markus Goller
Drehbuch: Oliver Ziegenbalg
Darsteller: Lars Eidinger, Bjarne Mädel, Franka Potente, Alexandra Maria Lara, Wotan Wilke Möhring
Produktion: Mythos Film, Pictures in a Frame et al.
Verleih: Sony Pictures
Länge: 116 Minuten
FSK: ab 6 Jahren
Start: 31. Oktober 2018
Egal ob es eine Tischtennispartie gegen einen herrlich dämlichen Campingproll (Wotan Wilke Möhring) ist, eine Völlerei beim Griechen (als Jugendliche hatten die Brüder sich vorgenommen, einmal alle Gerichte auf der Speisekarte zu essen) oder eine Stepptanzeinlage bei einem Weinfest in der Provinz, wo sie noch zwei frustrierte Ehefrauen (Franka Potente und Alexandra Maria Lara) aufreißen, Goller unterlegt sie mit schnellen Beats.
In schönem Kontrast dazu sprechen Mädel und Eidinger ihre Dialoge unbeirrt gleichmütig. Etwa wenn sich Christian und Georg in weiße Bademäntel gehüllt in einem noblen Hotel mal wieder raufen. Als Georg Christian überwältigt und zu einem Geständnis bewegt hat, merkt dieser nur an: "Dein Penis liegt auf meinem Bauch." Durch den lakonischen Vortrag verlieren solche Sprüche ihre Zotigkeit, erzählen vielmehr von der brüderlichen Nähe, die immer mal wieder homoerotische Züge trägt. Auch so eine Anspielung auf andere Buddy- und Roadmovies.
Schlips statt Sternenbanner
Das geschickte Spiel mit den Genremotiven ist es dann auch, das "25 km/h" sehenswert macht: Wie Christian auf dem Mofa mit dem Hochlenker kauert, der an einen echten Chopper erinnert, aber eben auch ganz schön lächerlich ist. Ebenso der schwarze Schlips, den er sich immer mal wieder als Stirnband um den Kopf wickelt, aber mit dem Sternenbanner aus "Easy Rider" doch nicht mithalten kann. Dass Ziegenbalg und Goller das Duo dann auch noch auf ein Hippiefestival (in Paderborn) schicken und anschließend von zwei Polizisten bis zur niedersächsischen Landesgrenze eskortieren lassen, weil sie keine Helme tragen, ist eine weitere Reminiszenz an den Filmklassiker.
Sehr viel offensichtlicher ist hingegen das Kalkül, die Geschichte über zwei Ü-Vierzigjährige auf der Suche zu sich selbst und zueinander als massenkompatible Unterhaltung mit reichlich Retroschick aus den Achtzigern zu inszenieren. Ein großes und wohlwollendes Publikum, das sich gern an Depeche-Mode-Poster, Zauberwürfel und Zündapp-Mofas erinnert, ist Goller und Ziegenbalg damit sicher.