Disney-Remake "Aladdin" Dschinn-derassabumm!

Das Desaster schien programmiert: Will Smith als Dschinni in einem Live-Action-Remake des Disney-Klassikers "Aladdin" unter der Regie von Guy Ritchie? Hilfe! Aber rubbel' die Wunderlampe, es funktioniert.
Disney-Remake "Aladdin": Dschinn-derassabumm!

Disney-Remake "Aladdin": Dschinn-derassabumm!

Foto: Disney

Als Will Smith vor einigen Monaten im Trailer zu "Aladdin" zum ersten Mal als Lampengeist Dschinni zu sehen war, gab es schockierte Reaktionen. "Ich werde nie wieder schlafen, und das ist Will Smiths Schuld", schrieb ein Twitter-User, der sich wohl schon von Albträumen heimgesucht sah ob dieses riesigen, blauen CGI-Dämons. Creepy much! "Aladdin" als Horror-Remake? Immerhin geht es um einen, hu-huuuh, Geist? Auch nicht schlecht. Aber nicht in der unschuldig reinen Märchenwelt von Disney.

Der Smith-Grusel deutete also früh auf ein totales Desaster hin. Überhaupt: Will Smith? Der in den vergangenen Jahren eigentlich alles dafür getan hatte, sich vom Comedy-Genie zum Gähn-Garanten zu wandeln ("Bright", "Concussion", "Focus"). Ausgerechnet diese Nervensäge sollte nun den geliebten Dschinni in der Live-Action-Version des noch viel mehr geliebten Disney-Animationsklassiker "Aladdin" verkörpern?

Und überhaupt: Waren nicht die bisherigen Versuche des Mega-Multikonzerns Disney, aus dem Erfolgsarchiv noch mal neues, jetzt starbesetztes Kapital zu schlagen, von eher bescheidenem Glanz gewesen? Wer "Die Schöne und das Biest", "Dschungelbuch" oder "Dumbo" in ihren Realverfilmungen gesehen hat, weiß, wie schwierig es trotz verblüffendster Trick- und CGI-Technik sein kann, Seele und Zauber der Zeichentrickfilme auf moderne Weise zu reproduzieren (demnächst folgen "König der Löwen" und "Mulan").

Und dann auch noch Guy Ritchie als Regisseur, der britische Berserker, von dem nach einem müden "King Arthur" und zwei miesen Sherlock-Holmes-Filmen wohl wirklich niemand mehr glaubt, er könne noch einmal so cool wie sein Debüt-Doppel "Bube, Dame, König, grAS" und "Snatch". Lange ist's her.

Fotostrecke

"Aladdin": Ein Dschinni als Date-Doktor

Foto: Disney

Über dieses abgehalftert wirkende Duo hinaus stand ein weiteres Desaster zu befürchten: Wie inszeniert man eigentlich einen auf 1001-Nacht-Märchen basierenden Hollywood-Mainstream-Film mit ausschließlich arabischen Charakteren inmitten aktueller Debatten über kulturelle Aneignung und identitätspolitische Sensibilitäten von Persons of color?

Im animierten Original von 1992 waren alle Sprecher weiß (u.a. Robin Williams als Dschinni), was vor knapp 30 Jahren vielleicht gerade noch so weggelächelt werden konnte, heute ganz sicher nicht mehr. Wie vermeidet man kulturelle Klischees in einem bewusst mit Exotik spielenden Setting? Man stellt sich vor, wie die für dieses Harakiri-Unternehmen verantwortlichen Disney-Manager hektisch an einer Wunderlampe rubbelten, um sich beim allmächtigen Dschinni drei mal dasselbe zu wünschen: Bitte, bitte, lass uns das nicht versauen!

Nun, offenbar wurden sie erhört.

Denn so überrascht man auch sein mag: "Aladdin" ist ein sympathischer, bisweilen sehr komischer Film geworden, der vor allem eines richtig macht: Statt den Plot auf Krampf zu modernisieren oder politisch zu problematisieren, konzentriert sich Guy Ritchie, der auch das Drehbuch schrieb, auf das Wesentliche: ein gutmütiges und zutiefst eskapistisches Singspiel zu inszenieren, das leichtherzig wirkt. Worum es geht, weiß jedes Kind: Armer junger Dieb, böser, machthungriger Wesir, magische Lampe, durchgeknallter Dschinn, schöne, einsame Prinzessin. Drei Wünsche, viel turbulente Verwirrung, Intrige, Romanze, Happy End.

Die Spektakel- und Actionsequenzen hat Ritchie routiniert im Griff. Der Film eröffnet mit einer wilden Hatz durch die Gassen und über die Dächer einer orientalischen Medina. Später, als Aladin vom Dschinn in Prinz Ali verwandelt wird, gibt es einen pompösen, perfekt choreographierten Gala-Aufmarsch mit Elefanten, Straußen und Spielmannszug. Einzig der erste große Auftritt des blauen Zauberzampanos in einer Höhle voller CGI-Lava gerät ein bisschen außer Kontrolle, und als Smith dann bei der Gesangsnummer "Friend Like Me" allzu zu sehr auf die Wicka-Wahwah-Tube drückt, um den schockierten Aladin von seinen Fähigkeiten zu beeindrucken, schüttelt sogar der fliegende Teppich den Kopf, äh, die Quaste.


"Aladdin"
USA 2019
Regie: Guy Ritchie
Drehbuch: Guy Ritchie, John August
Cast: Mena Massoud, Naomi Scott, Will Smith, Marwan Kenzari, Nasim Pedrad
Produktion: Walt Disney Pictures ,Lin Pictures, Rideback u.a.
Verleih: Disney
Länge: 128 Minuten
FSK: ab 6 Jahren
Start: 23. Mai 2019


Aber so schlimm, dass man Albdruck davon kriegt, ist es dann doch nicht, zumal Smith sich im Folgenden sympathisch zurücknimmt und als Draufgänger-Dschinni mit großem Herz zu charmieren weiß. Seine irritierend blaue Hautfarbe, Hommage ans Original, lässt er mit einem Fingerschnippen schnell verschwinden. Etwas länger darf man darüber nachdenken, dass hier ein afroamerikanischer Darsteller einen Charakter spielt, der zwar über Superkräfte verfügt, aber unter der Versklavung durch den jeweiligen Lampeninhaber leidet.

Mehr Tiefgang hat "Aladdin" über die altbekannte "Innere Werte zählen mehr als Macht und Status"-Botschaft hinaus nicht zu bieten. Es geht vielmehr ums Abheben, um einen magic carpet ride mit möglichst viel Rührung und Rasanz. Der gelingt einerseits durch die unzerstörbaren Musical-Schlager von Alan Menken und Tim Rice, allen voran der Sehnsuchts-Schmachter "A Whole New World" des unglücklich verliebten Aladin (Mena Massoud). Prinzessin Jasmin (Naomi Scott) erhält in dieser Version mit "Speechless" sogar eine eigene, feministische behauchte Powerballade.

"Aladdin" - Trailer ansehen:

Die beiden jungen Darsteller, Massoud ist Kanadier mit ägyptischen Wurzeln, Scott eine Britin indischer Herkunft, können gut singen, wirken in den Spiel- und Dialogszenen manchmal aber etwas überfordert. Da dies aber eigentlich für den gesamten Film gilt, fällt das gar nicht weiter auf. Sondern addiert zu einer entwaffnenden Rumpeligkeit dieses "Aladdins", als verberge sich hinter jeden Szene ein erleichtertes "Hui, geschafft".

Ob dieser spürbaren Anstrengung entfaltet "Aladdin" letztlich nicht den ganz großen Zauber. Aber er bezaubert ein bisschen. Zum Beispiel durch einen fast durchweg nicht-weißen Cast, darunter ein intensiv spielender Marwan Kenzari als "Bösewesir" Dschafar und Nasim Pedrad als Jasmins neu dazu erfundene Zofe Darla. So viel nicht stereotype arabisch-indisch-nahöstliche Repräsentanz gab es in einem Mainstreamfilm, wenn überhaupt, seit "Slumdog Millionär" nicht mehr - vielleicht eine Lehre, die Disney auch aus dem Blockbuster-Erfolg von "Black Panther" gezogen hat.

Der einzige Weiße im Ensemble ist Billy Magnussen als skandinavischer Prinz Anders, der scharf auf Jasmin ist. Diese Witzfigur bleibt dann aber auch das einzige, was an "Aladdin" ziemlich creepy ist.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten