
Amy Adams im Interview: "Michelle Obama ist mein Vorbild"
Amy Adams im Interview "Michelle Obama ist mein Vorbild"
Unter den Stars in Hollywood gehört Amy Adams seit jeher zu den unauffälligsten. Eigentlich erstaunlich, spielt sie beruflich doch in der obersten Liga mit. Zu ihren Filmen gehören so unterschiedliche Werke wie "Verwünscht", "Julie & Julia", "Her" oder "Big Eyes". Bereits zweimal war sie als Lois Lane auf der Leinwand zu sehen, zuletzt in "Batman v. Superman".
Zu den bislang fünf Oscar-Nominierungen der 42-Jährigen (für "Junikäfer", "Glaubensfrage", "The Fighter", "The Master", "American Hustle") könnte sich bald die nächste gesellen. Aktuell ist sie in zwei der spannendsten weiblichen Hauptrollen dieses Kinowinters zu sehen: nach dem Science-Fiction-Drama "Arrival" ist sie nun auch in Tom Fords Romanverfilmung "Nocturnal Animals" zu sehen.
SPIEGEL ONLINE: In "Nocturnal Animals" spielen Sie eine Frau, die auf ihr bisheriges Leben zurückblickt und etliche Entscheidungen bereut. Ist das etwas, wobei Sie sich selbst oft ertappen?
Adams: Ich bin niemand, der viel Zeit damit verbringt, sich den Kopf zu zerbrechen. Was nicht heißt, dass es nicht einige Entscheidungen gibt, von denen ich mir wünschte, dass ich sie nie getroffen hätte. Oder Aussagen, die ich in Interviews gemacht habe, und auf die ich bis heute leider immer wieder angesprochen werde. Aber das sind im Grunde Kleinigkeiten, die ich eigentlich problemlos hinter mir lassen kann.
SPIEGEL ONLINE: Lassen Sie Ihre Filme auch so rigoros hinter sich?
Adams: In der Regel schließe ich das Kapitel gern, wenn ein Film abgedreht ist. Aber natürlich gibt es Dinge, die man aus bestimmten Rollen mitnimmt. Meine Figur in "Arrival" etwa konnte ich nicht ohne Weiteres abschütteln. Immer wieder ertappte ich mich, dass ich an sie dachte, wenn ich mich mit meiner eigenen Tochter unterhielt. Und aus "Nocturnal Animals" habe ich mitgenommen, dass man nicht zwangsläufig vor Entscheidungen zurückschrecken sollte, die einem Angst machen.

Amy Adams im Interview: "Michelle Obama ist mein Vorbild"
SPIEGEL ONLINE: Mit "Arrival" und "Nocturnal Animals" spielen Sie in diesem Kinoherbst gleich zwei große Hauptrollen in prestigeträchtigen Filmen. Ist das nur Zufall oder tut sich vielleicht etwas in Sachen Rollenauswahl für Frauen?
Adams: So leid es mir tut, das sagen zu müssen: Ich denke darüber selten so allgemein nach. Auch weil ich es ein bisschen problematisch finde, immer wieder darauf herumzureiten, wie wenig gute Rollen es für Frauen gibt. Nicht, dass das nicht stimmt. Doch ich habe mitunter das Gefühl, dass wir dieses Narrativ einfach immer nur fortschreiben. Obwohl das Thema in letzter Zeit ja durchaus breit verhandelt wurde, geht es für meinen Geschmack immer noch viel zu wenig darum, was wir denn konkret ändern können.
SPIEGEL ONLINE: Dass sich etwas ändern muss, daran besteht für Sie immerhin kein Zweifel.
Adams: Selbstverständlich nicht. Und da geht es ja längst nicht nur um die Filmbranche. Es geht ganz allgemein um die Frage von Gleichberechtigung, um das Verhältnis von Männern und Frauen. Michelle Obama hat Mitte Oktober im US-Wahlkampf eine Rede in New Hampshire gehalten, die mir durch Mark und Bein ging.
SPIEGEL ONLINE: Das war kurz nachdem das Video publik geworden war, in dem Donald Trump über Frauen sagte: "grab them by the pussy"...
Adams: Ganz genau. Michelle Obama machte mit ihrer Rede klar, dass wir so etwas nicht als Normalität akzeptieren dürfen. Dass solche Sprüche und solches Denken gefährlich sind. Dass es endlich Zeit wird, dass unsere Töchter nicht mehr in einer Welt aufwachsen, in der Trumps Einstellung selbstverständlich und allgegenwärtig ist. Und tatsächlich ist das ein Problem, neben dem die Anzahl von Rollen für Schauspielerinnen dann doch etwas verblasst.
SPIEGEL ONLINE: Eigentlich hatte man ja gedacht, wir seien längst sehr viel weiter was Gleichberechtigung, Feminismus und ähnliche Themen angeht, oder?
Adams: Das stimmt. Diese Themen werden plötzlich so lautstark verhandelt wie seit den Siebzigerjahren nicht mehr. Und sie sind heute kaum weniger drängend. Ich fürchte, dass wir als Gesellschaft auch ein bisschen bequem und selbstgefällig geworden sind. Wir nehmen ein paar Verbesserungen wahr - und begnügen uns damit. Oder hinterfragen nicht, ob die Veränderungen, die wir erleben, wirklich die richtigen sind. Ich jedenfalls erkenne mehr denn je, dass noch viel Arbeit vor uns liegt.
Im Video: Psychothriller "Nocturnal Animals" - Schatten der Vergangenheit
SPIEGEL ONLINE: Bislang sind Sie eher selten als Schauspielerin aufgefallen, die sich auch politisch äußert ...
Adams: Ich bin auch eigentlich kein sonderlich politischer Mensch. Und ich habe bislang auch nicht wirklich die Stärke gefunden, öffentlich darüber zu sprechen, welche sexistischen Erfahrungen ich selbst als Frau gemacht habe. Nicht nur, aber auch in meinem Job. Doch in den letzten Wochen und Monaten hat sich das zu ändern begonnen. Ich will mich künftig stärker engagieren und suche gerade nach den für mich passenden Wegen und Gruppen, denen ich meine Stimme leihen möchte.
SPIEGEL ONLINE: Trump hat Sie also politisiert?
Adams: Alles, was im Kontext des US-Wahlkampfs an Missachtung zu erleben war, hat mich einfach unendlich traurig gemacht. Für mich ist ein Punkt erreicht, von dem es so einfach nicht weitergehen kann. Nicht zuletzt als Mutter eines Mädchens. Aber wenn Sie von "Politisierung" sprechen wollen, dann hat Michelle Obama damit fast mehr zu tun als Trump.
SPIEGEL ONLINE: Sie dürften nicht die Einzige sein, die sich von ihr inspiriert fühlt.
Adams: Michelle Obama ist wirklich mein Vorbild. Wenn ich eines Tages erwachsen bin, möchte ich sein wie sie! Ich bin mir sicher, dass sie für unsere Gesellschaft noch viel Gutes tun wird.
SPIEGEL ONLINE: Lassen Sie uns noch einmal zurück auf die Filmbranche kommen. Welche Veränderungen streben Sie dort an - und wie?
Adams: Das Schlüsselwort ist sicher Repräsentation. Ob es nun um Frauen geht oder um Protagonisten, die nicht weiß sind - wir müssen dafür sorgen, dass deren Geschichten erzählt und deren Stimmen gehört werden. Und um Ihre Frage von vorhin zu beantworten: Ich habe schon den Eindruck, dass sich diesbezüglich etwas tut. Es gibt mehr interessante Rollen für Frauen. Gerade übrigens im Fernsehen. Da müssen wir weiter am Ball bleiben. Statt unsere Zeit damit zu verbringen, darüber zu jammern, was alles schiefläuft. Wir sollten uns darauf konzentrieren, was funktioniert - und das ausbauen.
SPIEGEL ONLINE: Auch Sie selbst wagen sich 2017 ins Fernsehen vor.
Adams: Stimmt, mit der Serie "Sharp Objects", basierend auf dem Roman von Gillian Flynn. Da spiele ich nicht nur die Hauptrolle, sondern bin auch als Produzentin involviert. Auch von den anderen Produzenten sind die meisten weiblich, die Showrunnerin ist auch eine Frau, und in der Geschichte wimmelt es von starken Frauenfiguren.
SPIEGEL ONLINE: Produzieren ist das eine, Regieführen das andere. Wäre das nicht auch etwas für Sie?
Im Video: Der Trailer zu "Nocturnal Animals"
Adams: Ich bewundere Kolleginnen, die das machen. So wie Sarah Polley, die eine wunderbare Regisseurin ist, oder Elizabeth Banks. Aber ich habe diesbezüglich keine Pläne. Mir wäre das einfach zu viel.
SPIEGEL ONLINE: Zu viel Verantwortung?
Adams: Vor allem zu viel zeitlicher Aufwand. Ich sehe ja, wie hart Regisseure arbeiten. Da gehört so viel mehr zu als die Dreharbeiten, vom Casting über die Suche nach den Locations bis hin zum Schnitt. Aber fragen Sie mich noch einmal, wenn meine Tochter größer ist. Vielleicht überlege ich es mir anders. Denn eigentlich liebe ich es, mit anderen Schauspielern zu arbeiten. Und ich würde mich freuen, Geschichten zu erzählen, die andere vielleicht ignorieren.