Nicht noch ein Vampirfilm? Doch! In "Durst" wird ein katholischer Priester durch eine Bluttransfusion zum Vampir. Der südkoreanische Kultregisseur Park Chan Wook hat aus dieser Prämisse einen aberwitzigen Splatterfilm gemacht, den auch Horror-Hasser lieben können.
Noch ein Vampirfilm? Nur auf den ersten Blick, denn in Park Chan Wooks neuem Film "Durst" geht es um die Gewissensnöte eines Geistlichen, der durch eine Bluttransfusion zum Vampir wird. Der Regie-Intellektuelle hat mit dem aktuellen Gruselkino-Trend, dem hauptsächlich junge Mädchen zum Opfer fallen, in Wahrheit nichts am Hut. Sein Autorenfilmer-Anliegen sind existentielle Fragen ums Seelenheil. Damit zieht er in seinem Heimatland Südkorea regelmäßig Millionen Zuschauer ins Kino. "Durst", der heute in Deutschland anläuft, hat in seiner Heimat bereits die Millionengrenze überschritten.
Im Rest der Welt ist Park Chan Wook dagegen eher ein Favorit des Feuilletons als ein Liebling der Massen. Doch auch Gewaltfilm-Spezialisten und Nerds mit Faible für das Absonderliche lieben ihn.
verhalf Parks Rächerschocker "Oldboy" als
-Jurypräsident 2004 zum Großen Preis. Im letzten Jahrzehnt hatte Park
, dem japanischen Meister des Gangsterfilms, als asiatischer Kino-Hipster Nummer eins, Filmfestival-Liebling, exzessiver Gewalt-Stilist, Komiker des Absurden und elliptischer Erzähler den Rang abgelaufen.
Nun aber scheint der Hype um Park seinen Höhepunkt überschritten zu haben. Als Parks "Durst" in diesem Sommer im Wettbewerb von Cannes den Jury-Preis abgriff und danach mit dem Fantasy Filmfest durch Deutschland tourte, mischte sich in den unverdrossenen Jubel der Park-Gemeinde auch Genörgel. "Dramaturgische Schwächen" ("taz") nahe an der "Albernheit" (FAZ") wurden dem "Sinnenfest ohne Tiefe" ("Cinema") angelastet. Das Werk, gleichzeitig "blutgeschwängerter Horror, schwarze Komödie, Schuld-und-Sühne-Psychodrama und Melodram einer wahnsinnigen Liebe", verhebe sich am eigenen Anspruch, monierte die "New York Times".
"Zum Teil abartige Sexszenen"
Davon muss sich der Horror-, Asia- und Gefühlskarussell-Fan aber nicht beunruhigen lassen. Im Gegenteil. Feuilletonfeingeister lobten immerhin den Anfang noch als "melancholisch und poetisch" ("FAZ"). Dabei ist gerade die introspektive Einführung in die Gewissensnöte eines katholischen Priesters in seiner klerikalen Nabelschau doch ein wenig dröge. Das schwante wohl auch Park. Bereits vor zehn Jahren wollte der Akademikersohn, der katholisch erzogen wurde, aber in der Pubertät vom Glauben abfiel, die Geschichte eines zweifelnden Heiligen im Kampf gegen die Versuchungen der Finsternis verfilmen, legte diese Idee als halbgar aber erst mal auf Eis. Bis ihm aufging: Ein nobler Gläubiger vom Bösen infiziert - da drängt sich ja eine Vampirgeschichte auf.
Besagter Gottesmann reist aus tätiger Nächstenliebe nach Afrika und infiziert sich dort beim Impfstoffexperiment mit einem Vampir-Virus. Ein sittlich gefestigter Philantrop als Vampir? Da muss der Blutrausch noch mal überdacht werden. Zur ethisch korrekten Nahrungsaufnahme hängt sich der Priester also vorerst an Blutkonserven, bis ihn gottlob dann doch die Fleischeslust übermannt.
Das Presseheft verspricht mit der Ankündigung "zum Teil abartiger Sexszenen" zwar etwas zu viel, aber zumindest findet der Film die richtige Gangart, wenn zum ersten Mal kopuliert wird. Nun ist der Vampir, feministisch angefeuert, als Triebtäter in seinem Element. Im Wesentlichen folgt die Handlung fortan Émile Zolas Roman "Thérèse Raquin": Eine erotisch frustrierte Ehefrau, an einen Schlappschwanz und dessen herrische Mutter gekettet, findet Erfüllung bei ihrem Liebhaber (im Film der Priester), mit dem sie ihren Mann aus dem Weg räumt, doch das Verbrechen treibt das sinnlich aufgepeitschte Paar in Schuldgefühle, Wahnsinn und Selbstzerfleischung.
Park ist Kunstfilmer genug, um selbst den Splatter-Irrsinn sehr stilbewusst zu inszenieren. Schließlich sind seine Lieblingsvampirfilme ausgerechnet Werner Herzogs "Nosferatu"-Remake und die spröde Sexualangst-Studie "Martin", George A. Romeros persönlichster Film. Als Analytiker von Seelenpein und Gewissensnot mag Park bisher überbewertet gewesen sein, als Ästhet des Aberwitzes macht er mit dieser hysterischen Amour fou aber immer noch Spaß.