"Cinderella" mit Cate Blanchett Kitsch!!! Ist das schön...
Schön, dass es Geschichten gibt, die, wenn sie in die richtigen Hände geraten, immer wieder aufs Neue funktionieren. Die erste "Cinderella"-Verfilmung der Disney-Studios bekam 1951 - auf der ersten Berlinale überhaupt - den Goldenen Bären in der Kategorie "Bester Musikfilm". Und pünktlich zur 65. Berlinale bringt Kenneth Branagh "Cinderella" noch einmal auf die Leinwand - nicht als Animationsfilm, sondern mit einem großartigen Cast und ohne jede Scheu vor Kitsch und großen Gesten.
Der britische Regisseur veranstaltet in seinem Märchenfilm so viel Rambazamba wie seit seiner enthemmten "Frankenstein"-Verfilmung von 1994 nicht mehr. Die Räume quellen über vor Dekor, die Natur überwältigt, die Farben sind zu stark, um als natürlich durchgehen zu können. So gesehen passt "Cinderella" prima zur Technicolor-Retrospektive, einem der filmhistorisch interessantesten Programmsegmente der diesjährigen Berlinale.

"Cinderella": Wie in Technicolor geträumt
Damals wie heute basiert der Plot auf Charles Perraults "Cendrillon oder der kleine gläserne Pantoffel" von 1697, nicht auf dem recht blutigen "Aschenputtel"-Stoff der Brüder Grimm. 2015 wirkt die Geschichte um einiges antiquierter als in den Fünfzigerjahren. Die Wunschfantasie aber, von der sie befeuert wird, ist zeitlos: Die liebenden Eltern sind beide tot, und die Waise wird von einer erzbösen Stiefmutter und ihren zwei missgünstigen Töchtern schlecht behandelt. Doch am Ende triumphiert die Liebe über alle Klassenunterschiede und Gemeinheiten. Auf diese Weise sollte es oft im Leben ausgehen, ist aber meist nur im Märchen so.
Der Originalfilm begann mit einem Song, der die Philosophie der Disney-Studios wie auch die Versprechen des klassischen Hollywood-Kinos auf eine griffige Formel brachte, "A Dream is a Wish Your Heart Makes". Man muss nur fest an sich und an das Gute und den eigenen Mut glauben, am Ende winkt das Glück: "No matter how your heart is grieving / If you keep on believing / The dream that you wish will come true".
Farben, Bewegung, große Gefühle
Branagh und sein Drehbuchautor Chris Weitz ("About a Boy") finden eine recht schöne Lösung, um den gut 300 Jahre alten Plot aufzubereiten: Sie wählen die Flucht nach vorne und verstehen das eigene Medium ebenfalls vollkommen ohne Arg als Traumfabrik. Einen Film, der nicht nur keine Angst vor Klischees hat, sondern sie mit unübersehbarer Freude am Altbekannten geradezu sucht, findet man heute selten.
Der Märchenprinz wurde etwa in Disneys "Rapunzel - Neu verföhnt" gründlich modernisiert. Hier kommt Prince Charming (Richard Madden) hingegen ähnlich klassisch daher wie 1950, ein edler Monarch mit Herz fürs Volk (nur dass er aussieht wie eine jüngere Ausgabe von Cinderellas verstorbenem Vater, könnte psychoanalytisch interessierte Zuschauer irritieren).
Kenneth Branagh nimmt seinen Stoff - von einigen wenigen Momenten abgesehen - ernst, hat aber nichtsdestotrotz viel Spaß mit ihm. Vor allem seine Schauspieler sorgen dafür, dass auch Zuschauer, die älter als, sagen wir, zwölf Jahre alt sind, sich nicht langweilen müssen. Allen voran natürlich Cate Blanchett, die jedes Bild adelt, in dem sie erscheint.
Blanchett spielt eine Art Comicversion ihrer oscargekrönten Rolle aus Woody Allens "Blue Jasmine", legt maximale Emphase noch in die kleinste Geste und ironisiert die Klischeefigur der bösen Stiefmutter mittels punktgenauem Overacting. Die Katze dieser Schreckensgestalt trägt den standesgemäßen Namen Luzifer. Subtilität ist Branaghs Sache nicht.
Banal ist dieser Film dennoch nicht. Zum einen ist "Cinderella" die ultimative Prinzessinnenfantasie geworden. Zum anderen kann man sich, wenn der Film einen einfängt, durch den Bilderreigen wieder von den basalen Qualitäten des Kinos begeistern lassen: Farben, Bewegung, überdimensionierte Gefühle.
Insofern schade, dass "Cinderella" im Wettbewerb außer Konkurrenz läuft. Ein zweiter Bär für die Geschichte vom Mädchen reinen Herzens, das sich durch die Liebe zu einem Königssohn aus seinem Elend befreit, wäre hübsch gewesen, schon weil damit seit Langem wieder einmal ein politisch unkontroverser, kompromissloser Crowdpleaser ausgezeichnet worden wäre. Was ja wiederum eine kontroverse Entscheidung wäre.
"Cinderella" kommt am 12. März in die Kinos.