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"Snowpiercer": Der Weltuntergangsfilm, der fast unterging

Foto: Malcolm Taylor/ Getty Images

Streit um Actionfilm "Snowpiercer" Eiszeit in Amerika

Zur Berlinale erlebt "Snowpiercer" von Bong Joon-ho seine Deutschlandpremiere. Die spektakuläre Endzeitsaga beweist, dass Actionfilme sehr smart sein können. Und genau deswegen verhindert der mächtige Hollywood-Mogul Harvey Weinstein den Kinostart in den USA.

Ab 3. April wird man in Deutschland, wie zuvor in Korea und Frankreich, die ungekürzte Version von Regisseur Bong Joon-hos anspruchsvollem Actionkracher "Snowpiercer" sehen können. Die deutsche Uraufführung wird im Programm des Forums bei der Berlinale laufen. Wenn es nach Harvey Weinstein gegangen wäre, der die Vertriebsrechte für die englischsprachige Welt hält, wäre es selbst dazu nie gekommen: Er verhinderte den Kinostart von "Snowpiercer" bisher in den meisten Ländern der Welt.

Warum das so ist, ist schwer zu begreifen. Jedenfalls liegt es nicht daran, dass der Film schlecht wäre. Weinstein hält ihn eher für "zu intelligent" für das US-Publikum. Die Charakterzeichnung sei zu ausführlich und bremse die "Action". Deshalb forderte der berühmt-berüchtigte Produzent und Verleiher die Kürzung des Films, doch der Regisseur weigerte sich.

Muss ein Blockbuster dumm sein?

Dabei schnitt auch in den USA die Originalversion bei Testvorführungen weit besser ab, behauptet Bong Joon-ho. Weinstein äußert sich nicht dazu. Gekürzt habe Weinstein vor allem Dialoge und Szenen, die den Figuren Geschichte und Tiefe geben sollen, sagt Bong Joon-ho.

Dabei ist es genau der Mix aus Drama und Action, der "Snowpiercer" zu etwas Besonderem macht. Der Film ist in weiten Passagen atemlos, stressig, hektisch. Und dann gefriert er geradezu, fokussiert auf die Personen und ihre Geschichten. Wenn es hierzulande so läuft wie überall dort, wo der Film bisher zu sehen war, wird er für einen Science-Fiction-Film ungewöhnlich positive Kritiken ernten.

Der Snowpiercer ist ein Zug, der durch eine postapokalyptische Eiswelt rast - in einem Thriller, der als düstere, oft brutale Dystopie besticht, der aber auch den Action-Fluss immer wieder unterbricht, surreal anmutende Momente schafft und die Erwartungen des Publikums intelligent unterläuft. Ein blutiges Märchen für Erwachsene, über Anstand, Macht und Manipulation, Unterdrückung, Aufstand und Verrat - großes Theater in klaustrophobischer Szenerie.

Erfolgreicher Stotterstart

Und der erste Film, den der koreanische Regisseur Bong Joon-ho ("The Host", "Mother") als internationale Produktion in englischer Sprache drehte. "Snowpiercer" hätte sein Sprung vom Genre- und Arthouse-Kino in den Mainstream sein sollen - mit Darstellern wie Tilda Swinton, John Hurt, Ed Harris, Jamie Bell und Chris Evans. Dann aber kam Weinstein.

Als der im Herbst 2012 die Vertriebsrechte für die englische Version kaufte, schien der Erfolg fast programmiert. "'Snowpiercer' ist eine erstaunliche Vision von Bong Joon-ho", ließ Weinstein damals die US-Presse wissen: "Wir freuen uns darauf, (...) diesen actionreichen Thriller mit seiner Starbesetzung einem weltweiten Publikum zu präsentieren."

Schon im Spätsommer 2013 sollte der Film in die Kinos kommen. Und dann begann der Streit.

Harvey Weinstein: Der Produzent und Verleiher hat klare Vorstellungen davon, wie Kino für ein US-Publikum aussehen sollte

Harvey Weinstein: Der Produzent und Verleiher hat klare Vorstellungen davon, wie Kino für ein US-Publikum aussehen sollte

Foto: DANNY MOLOSHOK/ REUTERS

Harvey Weinstein, der als letzter Mogul Hollywoods gilt, wird von seinen Kritikern wegen der oft rigorosen Eingriffe in die Filme, deren Rechte er erwirbt, "Scissorhands" ("Scherenhände") genannt. Im Juli 2013 wurde bekannt, dass er eine Kürzung des Films um rund 25 Minuten verlangte. Sonst werde er ihn nicht in den Vertrieb bringen.

Keine leere Drohung. Statt international koordiniert erscheint "Snowpiercer" seitdem nach und nach in regionalen Märkten; dort, wo Weinstein keine Rechte hält. Sehen kann man ihn deshalb in

  • Korea seit August 2013
  • Frankreich (Oktober)
  • Hongkong (November)
  • Thailand, Taiwan, Vietnam und Estland (Dezember)
  • den Vereinigten Arabischen Emiraten (Januar 2014)
  • Japan, Schweden und Griechenland (ab Februar)
  • Deutschland ab April.

Ob und wie es weitergeht, ist ungeklärt.

Damit fehlt dem Film der rechte Wumms: Ohne einen international koordinierten Kinostart ist es schwerer, Aufmerksamkeit zu bekommen. Christian Meinke, Chef des deutschen Vertriebs MFA+ Filmdistribution , ist trotzdem zuversichtlich: "Einen großen Werbeetat haben wir natürlich nicht. Wir hoffen aber, den Film ab Anfang April mit 100 Kopien in die Kinos zu bringen. Wie erfolgreich er wird, muss man dann abwarten. Die Reaktionen, die wir bisher bekommen haben, waren sehr positiv."

So ist das also: Der Film ist ein Kritikerliebling, der auch beim Publikum ankommt. Seine Produktionskosten von rund 40 Millionen Dollar spielte er trotz des Hickhacks um den internationalen Verleih längst wieder ein, die Einnahmen nähern sich 150 Millionen Dollar. Trotzdem spielt er bei den Ausblicken aufs Kinojahr - auch in Deutschland - bisher kaum eine Rolle.

Dabei haben hiesige Kinogänger Glück: "Natürlich zeigen wir den Film so, wie der Regisseur ihn sich gedacht hat", sagt Verleiher Meinke. Er hofft nun auf gute Berlinale-Presse. Von den Webseiten der Weinstein Company ist dagegen jede Spur des "Snowpiercer" verschwunden. Ob der Zug dort damit endgültig abgefahren ist, bleibt vorerst ungeklärt: Die Firma ließ alle Fragen von SPIEGEL ONLINE unbeantwortet.

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