Bienen-Doku "More Than Honey" Fliegende Honigzombies

Wann wurden aus Bienen eigentlich Honigmaschinen? Markus Imhoofs Dokumentarfilm "More Than Honey" versucht, dem mysteriösen Bienensterben auf die Spur zu kommen - kein Pamphlet, sondern das melancholische Porträt eines wundersamen, missverstandenen Tieres.

Die gewöhnliche Honigbiene genießt bei den Menschen Beliebtheitswerte, von denen die meisten anderen Insekten nur träumen könnten, wenn sie denn für solche Dinge irgendein Interesse hätten. Bienen sind nicht sehr niedlich, und sie stechen, aber sie gelten als gutmütig, fleißig und spendabel - stellen sie uns doch offenbar ohne große Beschwerden ihren mühsam produzierten Honig zur Verfügung und verhelfen der Pflanzenwelt mittels Bestäubung zu einem funktionierenden Sexleben.

Und der Menschheit damit wiederum zu einer Menge Obst und Gemüse. Die Biene, dein Freund.

Und dieser Freund ist offenbar in Gefahr. John Miller trauert nicht mal mehr, wenn wieder ein Bienenvolk gestorben ist, es passiert einfach zu oft. Miller ist Chef der "Miller Honey Farms" und damit Hüter von etwa 500 Millionen Honigbienen, und er erlebt immer wieder, wie das Summen verstummt. Entvölkerte Bienenstöcke, nur noch Kadaver, eine sterbende Brut. 2006 fing es an, und es hat nicht wieder aufgehört. Erst in den USA, dann auch in Asien und Europa. Die Bienen sterben, massenweise. Und niemand weiß genau, warum.

Anfällig für Todfeinde

Der Schweizer Filmemacher Markus Imhoof, 71, sucht in seiner faszinierenden Dokumentation "More Than Honey", die an diesem Donnerstag in die Kinos kommt, nach Antworten. Und findet sie auch: bei Miller in Kalifornien, der seine Bienen im Winter gigantische, pestizidbesprühte Mandelbaumplantagen bestäuben lässt, bevor er sie für den Sommer in einer tagelangen Lastwagentour nach North Dakota schafft, wo sie sich um den Honig kümmern sollen. Bei zwei Österreicherinnen, die produktionsoptimierte Königinnen züchten und sie per Post in die ganze Welt schicken. Bei einem netten Schweizer Imker, der seine Tiere aus Angst vor Rassenvermischung der Inzucht aussetzt.

Sie alle verstehen sich als Freunde der Bienen und machen ihnen doch das Leben schwer. Sie erschaffen mit Antibiotika vollgepumpte Honigmaschinen, fliegende Zombies, friedfertig, aber kaum noch lebenstüchtig. Anfällig für Todfeine wie die Varroamilbe, die den Tieren das Blut aussaugt und dabei gleichzeitig todbringende Viren überträgt. Oder die Faulbrut - eine bakterielle Erkrankung, die eine ganze Larvenbrut in stinkenden braunen Schleim verwandeln kann.

"More Than Honey" ist dabei kein wütendes, anklagendes Pamphlet, sondern ein melancholisches Porträt eines wundersamen, aber schwerst missverstandenen Tieres. Spektakuläre Bilder direkt aus dem Bienenstock oder während der Paarung im Flug erzählen von einem Insekt mit unglaublichen Fähigkeiten, das nur gegen die Menschen nicht anzukommen weiß. Weder John Miller, noch die Königinnen-Züchterinnen oder der Schweizer Imker werden als Bösewichte gezeichnet. Regisseur Imhoof will einfach nur darauf aufmerksam machen, dass unser heutiges System der Bienenzucht die Tiere in den Untergang führen kann. Dass wir bei weitem nicht so nett zu den Bienen sind, wie wir glauben. Und dass sie das alles nicht freiwillig tun. Honig zum Beispiel ist kein Geschenk. Er wird den Bienen eiskalt geklaut, und sie werden dabei mit minderwertigem Zuckerwasser abgespeist.

So geht man mit Freunden doch einfach nicht um.


More Than Honey. Kinostart: 8.11. Regie: Markus Imhoof.

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