Comicverfilmung "Birds of Prey" Sie mischt Gotham nach ihren Regeln auf

Frisch getrennt vom Joker dreht die Psychopathin Harley Quinn völlig frei: "Birds of Prey" ist eine Comicverfilmung, die mehr Glitter und Gewalt als Sinn und Verstand liefert. Warum auch nicht?
Harley Quinn (Margot Robbie) nimmt sich für Feinheiten wenig Zeit.

Harley Quinn (Margot Robbie) nimmt sich für Feinheiten wenig Zeit.

Foto: Warner Bros.

Bereits der epische Originaltitel "Birds of Prey: And the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn" lässt sich als Kampfansage lesen. Denn im Genre der Comicverfilmungen, wo das Kräftemessen vornehmlich männlicher Superhelden nicht selten einem präpotenten Schwanzvergleich gleicht, stellt dieser Film über weibliche Figuren aus dem DC-Universum quasi schon durch die Zeichenzahl des Titels klar: Packt die Penisse ein, wir brauchen sie nicht und haben trotzdem den Längsten.

Ohnehin geizt das Spektakel von Regisseurin Cathy Yan und Autorin Christina Hodson nicht mit selbstbewusster Attitüde, dafür leistet es sich allerdings auch nur einen alibihaften Hauch von Handlung. Als grelle, gewaltreiche aber im Kern gutherzige Nummernrevue verlässt es sich stattdessen ganz auf die Strahlkraft des schlag- und zugkräftigen Stars Margot Robbie.

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"Birds of Prey: The Emancipation of Harley Quinn"

Und Robbie, die ihren Paradeauftritt auch als Produzentin mitverantwortet, brilliert fraglos als Harley Quinn. Mit ihrer enthusiastischen Verkörperung der weiß getünchten Spaßterroristin ragte sie schon aus dem ansonsten nicht weiter erwähnenswerten DC-Desaster "Suicide Squad" (2016) hervor, und Robbies Rückkehr zur Rolle wird nun mehr als ausladend zelebriert.

So ist vor allem die erste Hälfte des Films weitgehend eine Soloshow für Harley Quinn, die nach dem abrupten Ende ihrer co-abhängigen Beziehung zu Erzschurke Joker ihren Platz in der Welt, respektive Gotham, sucht. Dort haben jedoch viele Einheimische noch eine Rechnung mit Quinn offen, weshalb sie auch in ihrer Trennungsarbeit habituell eine Schneise der Verwüstung hinter sich lässt.

Filminfo "Birds of Prey"

USA 2020
Originaltitel: "Birds of Prey: And the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn"
Regie: Cathy Yan
Buch: Christina Hodson
Darstellende: Margot Robbie, Mary Elizabeth Winstead, Ewan McGregor, Rosie Perez, Chris Messina
Produktion: DC Entertainment, Clubhouse Pictures et al.
Verleih: Warner Bros.
Freigeben: Ab 16 Jahren
Länge: 109 Minuten
Start: 6. Februar 2020

Dabei stört die fidele Soziopathin auf Selbstfindungstrip auch die Kreise von Großgangster Roman Sionis alias Black Mask (Ewan McGregor). Um sein blutiges Machtstreben zu finanzieren, will der narzisstische Sadist und Frauenfeind ein Bankvermögen plündern. Die benötigten Kontozugangsdaten sind in einen Diamanten eingraviert, doch die minderjährige Taschendiebin Cassandra Cain (Ella Jay Basco) kommt Sionis zufällig zuvor und stiehlt den Edelstein. Eine Jagd auf Teenager und Juwel beginnt, an der sich neben Sionis und Quinn auch die Sängerin Dinah "Black Canary" Lance (Jurnee Smollet-Bell), die Polizistin Renee Montoya (Rosie Perez) und die mysteriöse Vigilantin Huntress (Mary Elizabeth Winstead) beteiligen.

Verglichen mit Harley Quinns ausführlicher Einführung bleibt für die Mitspielerinnen nur wenig Zeit. Ihre individuellen Eigenschaften offenbaren sich nicht im szenischen Verlauf, sondern werden kurzerhand postuliert, und auch das obligatorische Teambuilding der gegensätzlichen Frauen geschieht in Rekordzeit. Zudem fehlt zwischen gedehntem Auftakt und einem ebenso langen Finale ein zweiter Akt, um eine echte emotionale Fallhöhe für die Figuren einzuziehen.

Die dramaturgischen Defizite sind also eklatant, aber womöglich ist eine Kritik daran gar nicht zielführend. Zumindest nicht, wenn "Birds of Prey" als ein Cartoon begriffen wird, der letztlich keine erzählerische Entwicklung fordert, sondern plakative, raumgreifende Performances.

Derart betrachtet funktioniert Harley Quinns Emanzipation verblüffend schlüssig als knallbuntes Gegenstück zum düsteren Werden des "Joker" . Während der vielfach Oscarnominierte Film die per se grenzenlosen Möglichkeiten der Comicwelt gegen einen trostlosen - und dabei nicht minder konstruierten - Realismus tauscht und immer mehr Traumata auf Joaquin Phoenix' zweifellos beeindruckende Darstellung der Titelfigur türmt, erheben sich die Raub- und Spaßvögel in "Birds of Prey" unbekümmert über die Zwänge der Wirklichkeit und das Leid.

Es ist eine Entscheidung gegen die Pathologie und für den Pop. Damit lassen sich zwar kaum Oscars gewinnen, aber es macht den Film trotz seiner Schwächen sympathisch. Zumal der grobe Unfug von Harley Quinn und ihren Gefährtinnen durchaus Spaß und Sinn ergibt, wenn sie mit Konfettikanonen misogyne Mannsbilder pulverisieren.

Als feministische Selbstermächtigungsfantasie ist das zwar in etwa so subtil wie der große Holzhammer, den Harley so gerne schwingt. Aber für Feinheiten ist noch genug Zeit, wenn das Gröbste erledigt ist.

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