Blockbuster "2012" Hier entlang zum Weltuntergang

Wie man Städte und Landstriche zerlegt, weiß er. Jetzt hat sich Regisseur Roland Emmerich die ganze Welt vorgeknöpft. Sein Endzeitspektakel "2012" zeigt die Apokalypse als bildmächtigen Untergangsporno mit der schlichten Botschaft: menschliche Zivilisation? Muss in den Müll.
Von Daniel Haas
Blockbuster "2012": Hier entlang zum Weltuntergang

Blockbuster "2012": Hier entlang zum Weltuntergang

Foto: Sony Pictures

Es ist blöd gelaufen für Apokalyptiker, gerade in den letzten Jahren. Dabei hätte es 1999 eigentlich klappen müssen: Der Millenniumswechsel galt als todsicheres Datum fürs Weltenende. Und dann? Nichts. Kein Computergau, kein Zusammenbruch der globalen Infrastruktur. Stattdessen: Viel Party an Silvester, danach ging's weiter wie bisher.

Jetzt kriegen die Untergangspropheten noch mal eine Chance: Der 21. Dezember 2012 ist das nächste Datum für den Superclash. Für diesen Tag sagten die Maya das Ende der Welt heraus. Auch im chinesischen Orakelbuch I-Ging und im Alten Testament soll es Hinweise auf das Datum geben.

Roland Emmerichs

Wenn es auch diesmal nicht funktioniert, wenn die Zivilisationsmüden am nächsten Tag wieder die verhasste Kultur vorfinden, inklusive Straßenverkehr, Börsenkursen und Mikrowellenessen, dann können sie sich wenigstens an "2012" schadlos halten. Der Film ist opulente Untergangspornografie, ein gigantomanisches Spektakel, bei dem die Natur dem Menschen ordentlich Bescheid stößt.

Supervulkane fetzen Kontinente auseinander, Gesteinsbrocken bombardieren die verbleibenden Landmassen, und was dann noch nicht klein gekrümelt wurde, kriegt die Himalaja-hohen Flutwellen ab. Das ist im Groben die Handlung, und weil Grobheit und die von ihr ausgelöste Schaulust Sinn und Zweck dieses Stadt-Land-Fluss-Zerknüllkinos ist, muss man sich eigentlich nicht beschweren.

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"2012": Zivilisation? Weg damit!

Foto: Sony Pictures

Diesmal darf Emmerich seine Zerstörungswut allerdings noch umfassender als bisher in Bilder fassen. Vorbereitet war man ja, durch jene Blockbuster, mit denen der schwäbische Regiehandwerker soziale, politische und kulturelle Strukturen zerlegte. War das nicht praktische Architekturkritik, als Godzilla New York zertrampelte? Und als in "Independence Day" das Weiße Haus explodierte: Ging da nicht auch die verwaltete, entfremdete Welt zu Bruch?

Natürlich muss, aus rein dramaturgischen Gründen, in diesem Pulverisierungskintopp immer auch eine Erzählung über Menschen vorkommen, die sich bewähren und ein Happy End hinkriegen. In "2012" gibt es deshalb einen mäßig erfolgreichen Buchautoren, der seine Familie vernachlässigt hat, im Angesicht globaler Auslöschung aber seine Vaterqualitäten entdeckt.

Ihn begleitet der Zuschauer wie den Helden eines Computerspiels über die verschiedenen Levels der Zerstörung hinweg bis ins Finale, das auf einer riesigen Arche stattfindet. Dort hat sich der Rest der Menschheit versammelt, um, tja was eigentlich? Endlich mal die Sache mit dem Umweltschutz ernst zu nehmen? Sich die ganzen Ungereimtheiten der Zivilisation - Armut, Ausbeutung, Gewalt - vorzuknöpfen?

Der Film endet hier, das ist konsequent, weil das Ausspinnen von Utopien nicht auf der Agenda steht. Emmerichs filmische Logik konzentriert sich auf die Kreation der Destruktion, und in der Aufwendigkeit, mit der Orkane, Tsunamis und Erdbeben programmiert werden, liegt ein vielsagender Widerspruch.

Eine Katastrophe namens Fortschritt

Kein anderer Regisseur nutzt technologische Innovationen derart konsequent, um seine Moderne- und Technikfeindlichkeit zu inszenieren. Die wahre Katastrophe, das ist der Fortschritt. Zuletzt zeigte Emmerich das im Prähistorienspektakel "10.000 B.C.": Da wurde der ägyptischen Hochkultur mit maximaler Rechnerleistung von ein paar Mammutjägern der Garaus gemacht.

Natürlich speist sich das Katastrophengenre generell aus Ressentiments, es verquirlt Schuldgefühle und Bestrafungsphantasien. Und es bestätigt das magische Potential des Mediums: Die im Bild gebannten Schrecken sind weniger schrecklich, wenn die Leinwand sie als Moment der Angstlust gefangen hält.

"2012" weitet die Grenzen des Genres jedoch ins Extrem. Denn diesmal sterben nicht nur ein paar tausend Amerikaner oder Ägypter, diesmal sterben Milliarden. Und mit ihnen die Institutionen, die Kulturen, die Glaubenssysteme. In Italien zerbirst der Petersdom, kurz vorher geht ein Riss durch Michelangelos "Erschaffung des Adam". Das ist die Kernszene des Films: Die Schöpfung wird rückgängig gemacht, das Kino ist eine gigantische Kulturrückbaumaßnahme und Emmerich ihr oberster Stratege.

Sieh an: Der Untergang

Damit dies darstellbar bleibt, ist man, was die filmische Perspektive angeht, nie mittendrin, sondern letztlich nur dabei: als übergeordnetes Auge, das das Versinken der Welt bezeugt. Immer wieder braust man mit einem Auto, einem Flugzeug oder sonst einem Vehikel durch die zerberstende Welt, bis die Kamera aufzieht, und man sich gottgleich über das apokalyptische Szenario erhebt. Dann schwebt man im Nirgendwo und bestaunt die sich selbst verschlingende Erde.

Aus Sicht der Menschen, sagen diese Bilder, ist die Apokalypse nur halb so viel wert. Wer die Endzeit zeigen will, braucht Überblick. So kann die Kamera immer neue, prächtige Tableaus der Auslöschung malen, bis von der Welt nur noch ein einziger bleischwarzer Ozean übrig ist.

Roland Emmerich hat die Genesis revidiert. Was bleibt so einem noch? Warten auf den Untergang? Zwei Jahre können eine lange Zeit sein.

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