Social-Media-Trend in China Handy schlägt Handlung

In China können Kinogänger ihre Kommentare zum Film ins Mobiltelefon tippen und an die Leinwand projizieren lassen. Bullet Screen heißt der Trend, er verändert das Filmerleben radikal.
3D-Kinovorführung in China: Jetzt auch noch Besucherkommentare

3D-Kinovorführung in China: Jetzt auch noch Besucherkommentare

Foto: © Stringer China / Reuters/ REUTERS

Hamburg - Im Kino fauchen Besucher sich schon mal gegenseitig an, wenn jemand redet, lacht oder sich über die Banalitäten des Films lustig macht. In chinesischen Kinos gibt es nun einen neuen Trend, der es den Zuschauern ermöglicht, sich ausgiebig über das Gezeigte auszutauschen. Und das direkt im Kino und ganz ohne die anderen Besucher zu stören. Sie kommentieren selbst mit.

Bullet Screen oder Danmu heißt das Model, bei dem Kinogänger während der Vorführung ihre Gedanken zum Film in ihr Handy tippen und die Nachrichten dann direkt auf die Leinwand projiziert werden, wie die "New York Times" berichtet.   Manchmal schreiben die Zuschauer dann so eifrig Nachrichten, dass die Filmszenen gar nicht mehr zu sehen sind, weil die ganze Leinwand voll von ihnen ist. Wie Bullets, also Kugeln, durchlöchern sie dann quasi den Film.

Für Kinoliebhaber muss diese Vorstellung genauso schrecklich sein wie für Fußballfans der Bildausfall bei einer Liveübertragung. Doch für die jungen chinesischen Kinozuschauer haben Bullet Screens durchaus ihren Reiz. Sie gehören einer Generation an, die ihr Mobiltelefon ständig und überall dabei hat und das Leben in Timelines und Icons übersetzt.

Die Idee kommt aus Japan

In den vergangenen Monaten haben mehrere Kinos in China die Bullet Screens ausprobiert, sogar in 3D-Filmen wie dem chinesischen Romantikdrama "Tiny Times" kommen sie zum Einsatz, wie die "New York Times" weiter meldet. Der Vertreiber von "Tiny Times", Le Vision Pictures, versteht die Bullet Screen als Strategie, den Film nach dem Start zu vermarkten. "Wir wollen ein soziales Experiment schaffen und das unter jungen Leuten verbreiten", sagte eine PR-Managerin des Unternehmens, Enya Sun, der US-Zeitung.

Die Idee des Bullet Screen kommt aus Japan. Dort wurde das Projizieren von kurzen Nachrichten in Videos schon vor Jahren durch das Portal Nicodou ermöglicht. Der Trend soll eine Art Gruppenzugehörigkeit schaffen, die manch einer auch zu finden hofft, wenn er sich den "Tatort" im Public-Viewing-Lokal anschaut.

Bei chinesischen Regisseuren scheinen die Bullet Screens hingegen nicht so gut anzukommen. Der Geschäftsführer der chinesischen Filmemachervereinigung, He Ping, befürchtet etwa, sie könnten die ästhetische Intention zerstören. "Wenn die Bullet Screens" sich verbreiten, sollten zuerst Drehbuchautoren und Regisseure um Einverständnis gebeten werden", sagte He der "China Youth Daily".

Die Kinobetreiber verfeinern indes das Konzept immer weiter: Wenn etwa der Akku des Mobiltelefons nur noch wenige Prozent Energie hat, können Nutzer sogar Hilfe-SMS mit der Sitznummer an das Kinopersonal schicken. Ein Mitarbeiter kommt dann und reicht dem Zuschauer einen aufgeladenen Akku. Fraglich ist nur, ob sich die Kinobesucher nicht womöglich doch gestört fühlen könnten, wenn sich plötzlich ein Mitarbeiter während einer romantischen Liebesszene durch die Reihen quetscht, um den Akku zu bringen.

kha
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