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"Coco": Die Familie zählt

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Neue Pixar-Film "Coco" Tod, so machst du Spaß

Ein Trickfilm für Kinder, der vom Tod erzählt - wie soll das denn funktionieren? Man muss das Thema nur in die bewährten Hände von Pixar geben, dann wird daraus ein buntes Abenteuer.

Das neue Pixar-Animationsabenteuer "Coco" hat alles, was ein Kinderfilm angeblich so braucht: Es ist lustig, rasant und farbenfroh. Und doch befasst es sich mit dem Tod. Das passt nun wirklich nicht zusammen, finden Sie? Vielleicht ja doch.

Die Geschichte spielt in Mexiko, wo die Bevölkerung am 2. November den Día de los Muertos feiert, den Tag der Toten. Und dabei geht es nun einmal nicht still und traurig zu, sondern eben fröhlich. Nicht der Verlust steht für die Mexikaner bei diesem Fest im Vordergrund, sondern die Verbundenheit mit den verstorbenen Vorfahren.

Die, so der Glaube, besuchen ihre Familien dann auf der Erde, deshalb werden ihre Bilder aufgestellt und ihre Leibspeisen gekocht. Der kleine Miguel allerdings, Titelheld des von Lee Unkrich ("Toy Story 3") inszenierten Films, geht den umgekehrten Weg: Er landet im Reich der Toten, wo er sich auf die Suche nach seinem Ur-Ur-Großvater macht, dem berühmten Sänger Ernesto de la Cruz. Miguel will auch so singen und Gitarre spielen wie er.

Dumm nur, dass seine Familie partout keine Musik mag und alle Instrumente verbannt hat. Denn Ernesto hat damals seine Frau Imelda für die Karriere sitzen lassen. Die schuftete hart und schlug sich als Schuhmacherin durch. Noch heute ist die Familie Rivera eine Familie von Schuhmachern - und in diese Fußstapfen soll auch Miguel treten.

Der erfolgreichste Film Mexiko

In Mexiko startete "Coco" geschickt platziert wenige Tage vor dem diesjährigen Feiertag und brach alle Kassenrekorde. Er ist dort nun der erfolgreichste Film, der je im Kino lief. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es scheint.

Im Jahr 2013 schrillten alle Alarmglocken, als bekannt wurde, das der Disney-Konzern im Zuge des Produktionsstarts von "Coco" versucht hatte, aus dem Día de los Muertos ein geschütztes Markenzeichen zu machen. Ausgerechnet aus dem tief in der mexikanischen Geschichte und Kultur verwurzelten Fest, dessen Bandbreite in den letzten Jahren ohnehin merklich geschrumpft ist, weil regionales Brauchtum verschwindet, während immer mehr Kinder Halloween-Kostüme tragen.

Der Aufschrei war laut. Disney zog seine Pläne zurück und stand trotzdem als Unternehmen dar, das sich der Kultur anderer Länder bemächtigt, um seine Produkte zu vermarkten. Und Pixar, seit 2006 Teil des riesigen Konzerns? Gab sich unschuldig. "Wir arbeiten in einer Blase und halten uns ein gutes Stück von der großen Maschine entfernt",erklärte ein Mitarbeiter des Konzerns  der "Washington Post". "Wir waren alle ziemlich enttäuscht und traurig, als wir davon erfuhren."

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"Coco": Die Familie zählt

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Disney, der große, böse Konzern, der lediglich an Gewinnen interessiert, aber kreativ ausgeblutet ist; und Pixar, die kleine, feine Animationsschmiede, die wahre Kunst schafft: Das ist eine Erzählung, die immer wieder neue Nahrung bekommt. Auch ganz aktuell wieder. Während auch in den Zuschauer und Kritiker "Coco" lieben, zieht der vorgeschaltete Kurzfilm, den diesmal Disney beisteuert, die ganze Häme der Kinogänger auf sich. Den Film mit Schneemann Olaf aus "Die Eiskönigin" schießen sie auf Twitter  als schmalzigen, überlangen Weihnachtskommerz ab.

Pixar, nicht erst seit John Lasseters Abgang durchaus mit hausgemachten Problemen belastet , reagierte bei der Produktion von "Coco" geschickt auf den Marketing-Super-GAU: Das Team machte die lautesten Kritiker wie den Cartoonisten Lalo Alcaraz zu Beratern und reiste oft nach Mexiko, um sich vor Ort inspirieren zu lassen. Man sieht den fantastischen Bildern an, das seine Macher viel Wert auf Authentizität legten.


"Coco - Lebendiger als das Leben"
USA 2017

Regie: Lee Unkrich, Adrian Molina
Drehbuch: Adrian Molina und Matthew Aldrich, nach der Idee von Lee Unkrich, Jason Katz, Matthew Aldrich und Adrian Molina
Darsteller: Anthony Gonzalez, Gael García Bernal, Benjamin Bratt, Alanna Ubach, Renee Victor, Jaime Camil, Alfonso Arau
Produktion: Pixar Animation Studios, Walt Disney Pictures
Verleih: Walt Disney Germany
FSK: ab 0 Jahren
Länge: 109 Minuten
Start: 30. November 2017


Allerdings nur, um "Coco" dann, wie die besten Pixar-Filme, von der Schwere der Realität zu befreien und komplett abheben zu lassen. Mit aberwitzigen visuellen Gags, inklusive einer Sequenz, die Frida Kahlos surreale Malerei persifliert. Ein Totentanz der guten Laune. Hier passiert das, wenn der Titelheld das Reich der Toten betritt und dort Bekanntschaft mit dem Skelett Héctor macht. Gemeinsam gehen sie auf die Suche nach Ernesto de la Cruz. Aber wie sich herausstellt, hat Héctor ein viel drängenderes Problem: Wenn sich niemand auf der Erde mehr an ihn erinnert, wird er auch sein Leben nach dem Tod verlieren.

Eine Brücke aus Millionen Blütenblättern, ein gigantisches Stadion als Schauplatz des Showdowns, eine Barackensiedlung für die Abgehängten - die Schauplätze in der Stadt der Toten sind so vielfältig und detailversessen ausgestaltet, dass der Zuschauer sich gemeinsam mit Miguel völlig darin verliert.

Zusammengehalten wird das Ganze von einer Geschichte, die diesmal doch deutlich konservativer und konventioneller ausfällt als bei den ganz großen Pixar-Meisterwerken "Oben" und "Alles steht Kopf". "Nichts ist wichtiger als die Familie", heißt es mehrmals in "Coco", und der Satz ist als Motto zu verstehen, das alles, auch die Angst vor dem Tod, überformt. Ein Satz, der natürlich auch das Innerste des Disney-Konzerns in Worte fasst.

Ohne die lange Erzähltraditon von Disney wären die fantastischen Welten von Pixar eben nicht vorstellbar.

Anmerkung: In einer früheren Version des Textes hieß es, die Titelfigur des Animationsfilms würde "Coco" heißen. Die Figur des 12-jährigen Jungen heißt aber "Miguel". Wir haben die entsprechenden Stellen korrigiert.

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