
Tina Fey: Karriere als Kauz
Comedy-Star Tina Fey Gestatten, meine Name ist Nerd
Sie stöckelt den Hotelflur entlang, als wäre sie ein zweitklassiges Model, kurz vor dem Fotoshooting. Ihre Garderobe: irgendwas zwischen Karstadt und C&A. Die Frisur: knapp an der Tina-Turner-Mähne vorbei. Ganz klar: , 39, die erfolgreichste Komikerin der USA, darf alles sein - trashig, lasziv, schrill -, nur nicht mousy.
Mousy, maushaft, ist das Todesurteil für jede Darstellerkarriere. Eine Maus bringt keine Quote, eine Maus kann man nicht vermarkten. Sue Menger, eine mächtige Agentin, hatte aber genau das damals gesagt, als ein Produzent Fey vor die Kamera holen wollte: "Nicht mit dem Aussehen. Zu mousy."
Weil der Producer sich nicht beirren ließ, begann 2008 eines der schönsten Verpuppungsmärchen der jüngeren Entertainmentgeschichte. Fey, die Brille tragende Intellektuelle, die sich im Hinterzimmer Gags für die Sketchshow "Saturday Night Live" ausdachte, wurde zu Fey, dem Brille tragenden Sexsymbol für alle, die Foucault nicht für eine Käsesorte halten.
Fey bewährte sich als Nachrichtensprecherin eines satirischen Wochenrückblicks, zum Phänomen aber wurde sie durch Sarah Palin. Während des Wahlkampfs imitierte sie die Vizepräsidentschaftskandidatin so überzeugend, dass Palin Autogrammkarten verteilen musste. Aufschrift: "Ich bin nicht Tina Fey."
Humor auf die Schnelle
Wenn sie einem dann so gegenübersitzt, mit einem betont hippen Outfit, dann ist das also die neue, global vermarktbare Tina Fey, der mit Emmy und Golden Globe ausgezeichnete Star, der seinen aktuellen Kinofilm promotet. In der Komödie "Date Night" spielen Fey und Steve Carell ein Ehepaar, das zwischen Jobstress und Kindererziehung aufgerieben wird. Beim einzigen Date seit Wochen werden die beiden erst mit Gangstern verwechselt, dann von korrupten Cops gejagt.
Der Film ist ungefähr so komisch wie ein Oliver-Pocher-Scherz. Man würde deshalb viel lieber über "30 Rock" reden, die TV-Serie, mit der Fey endgültig zur Ikone des intelligenten, selbstironischen Humors wurde. In der mit Preisen überhäuften Reihe stellt Fey quasi sich selbst dar: Hinter den Kulissen einer fiktiven Comedy-Sendung muss sie als Autorin namens Liz Lemon einen Haufen verrückter Kollegen und einen noch verrückteren Chef im Zaum halten.
"Fernsehen ist schneller als Kino", sagt Fey und tätschelt unruhig ihren Arm. "Das Tempo einer guten Sitcom kann man nicht im Film durchhalten." Das erklärt dann noch mal, warum "Date Night" so misslungen ist: Fey ist Spezialistin für die schnelle Pointe, für rasante Situationskomik. Der Film aber hat den Charme einer zusammengestoppelten Nummernrevue, mit nervigen Action- und Romantikszenen als Füllmaterial.
"Auf der Leinwand ist man auch so groß, da darf man weniger machen", sagt sie fast ein bisschen traurig, und das ist noch so ein Problem: In "30 Rock" kann sie den agilen Geistesmenschen verkörpern, der sich um Kopf und Kragen redet. Als neurotische Plaudertasche braucht sie die Sprache und möglichst viel davon. Ihr Medium ist die Rhetorik; die ideale Form für ihren Humor die Miniatur, in der Verzweiflung und Scharfsinn aufeinanderprallen.
Kult mit Kauz
Die Gestalt, die diese Geistes- und Lebenshaltung immer noch am besten zum Ausdruck bringt, ist der Nerd. Bis Fey die Bühne betrat, waren Nerds vorwiegend männlich, Kauze, die sich mit obskuren Vorlieben vor der Wirklichkeit verschanzten. Einer Welt romantischer Enttäuschungen und sozialer Tiefschläge entgeht der Nerd mit Parallelexistenzen in Comics und Computerspielen. In der gehobenen Variante können es auch Jazz, Kunstfilme und schwierige Bücher sein.
Die Unterhaltungsindustrie verdankt den Nerds Milliardenumsätze, und die Comedy nutzt sie als Spielmaterial. "Wir wären nirgendwo ohne die Nerds", sagt Fey und wuschelt sich unbeholfen die Frisur zurecht. "Ich mag diese Loser."
Kein Wunder: Sie hat den tapferen Verlierer ja für die weibliche Humorkultur erobert und regelrecht zur Kunstfigur veredelt. Liz Lemon ist bei allem Wortwitz so lächerlich, dass es wehtut. Sie ist zum Beispiel süchtig nach einer mexikanischen Käsekringelsorte namens Sabor de Soledad - Geschmack der Einsamkeit -, die so viel Östrogen enthält, dass sie Schwangerschaftstests verfälscht.
Auf solche Ideen kommt man leichter mit dem entsprechenden Fundus an Versagens- und Leidensgeschichten. Fey war selbst "sehr uncool in der Schule", und ihr Humor machte erst mal alles nur noch schlimmer: "Witze reißen ist eine höchst effiziente Weise, um Jungfrau zu bleiben", sagt sie. Dann rutscht sie an die Stuhlkante und biegt den Kopf nach unten, als hätte der Klassen-Bully gerade einen besonders fiesen Scherz auf ihre Kosten gemacht.
Ist sie also doch eine graue Maus? Nein. Aber die vom Marketing ausgedachte Comedy-Biene zum Glück auch nicht.