"Das Leben der Anderen" Wir sind Oscar
Berlin - Der "Oscar" für das deutsche Stasi-Drama "Das Leben der Anderen" ist parteiübergreifend als Würdigung der Opfer des DDR-Geheimdienstes und als Beitrag zur Aufarbeitung des Unrechts in der früheren DDR bewertet worden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte den Film in ihrer Würdigung tief bewegend. Das Werk habe "mit seiner Qualität nun auch Hollywood überzeugt", erklärte Merkel. "Der Oscar ist eine fantastische Bestätigung für diesen eindrucksvollen Film mit einer authentischen deutschen Erzählung." Das sensibel umgesetzte Werk spreche die Menschen mit großer Eindringlichkeit an. "Das ist ein bleibender Verdienst dieses Films."
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hat die Verleihung des Oscar an "Das Leben der Anderen" von Florian Henckel von Donnersmarck als "verdiente und großartige Anerkennung" für ein Meisterwerk bezeichnet. "Dieser Erfolg zählt umso mehr, da die Konkurrenz in diesem Jahr besonders stark war und sich der Film mit gerade mal 1,8 Millionen Euro als eine Low-Budget-Produktion durchsetzen konnte", sagte Neumann. Henckel von Donnersmarck habe zur Aufarbeitung jüngster deutscher Geschichte einen wichtigen Beitrag geleistet, indem er die Unterdrückung durch die Staatssicherheit in der DDR thematisierte. "Das ist Henckel von Donnersmarck mit seinem ebenso emotionalen wie realitätsnahen Film auf eindrucksvolle Weise gelungen", sagte Neumann. Der Film stehe zudem exemplarisch auch für den zunehmenden internationalen Erfolg des deutschen Films.
Ein Oscar für Bayern
"Das ist ein Oscar für den deutschen Film und für den Filmstandort Bayern", sagte der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Donnersmarck habe an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen ein großes Werk und ein großes deutsches Thema entwickelt und beeindruckend umgesetzt. "Dieser Erfolg ist Vorbild und Motivation für unseren Nachwuchs und ein wuchtiges Signal für den deutschen Film." Auch Gerhard Fuchs, der Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks und Rektor der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München gratulierte zu dem Erfolg: "Es ist eine unbeschreibliche Freude, dass diese Kino-Koproduktion des Bayerischen Rundfunks die Mitglieder der Oscar-Academy überzeugt hat, und dass das sehr deutsche Thema ausgerechnet in Amerika ein so starkes Interesse fand."
Der Vizepräsident des Bundestages, Wolfgang Thierse, sagte, dass dieser unangenehme Teil deutscher Geschichte, der "eher versteckt wird", durch den Film und den Preis Öffentlichkeit erhalte, werde "bei vielen Opfern ein leises Gefühl der Genugtuung erzeugen". Natürlich könne ein Film nicht leisten, was nur die Gesellschaft könne, nämlich ideelle, moralische und materielle Anerkennung, sagte Thierse im Deutschlandfunk.
Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, sieht in dem Oscar auch ein Zeichen dafür, "dass die Ära des Kommunismus kein geschichtliches Randthema ist". "Das Leben der Anderen" weise weit über die besondere Situation in der DDR hinaus, erklärte Birthler. "Die Frage danach, wie und warum Menschen zu Verrätern werden und andere sich selbst und ihren Mitmenschen treu bleiben, stellt sich zudem in allen Gesellschaften, die Diktaturen überwunden haben."
Auch wenn sie nicht zur Preisverleihung nach Hollywood kommen konnte: Hauptdarstellerin Martina Gedeck (45) ist "stolz und glücklich" über den Oscar-Erfolg. "Ich freue mich sehr. Erst der Silberne Bär und jetzt der Oscar", sagte sie. Bei der Berlinale hatte sie gerade im Namen des Ensembles von Robert De Niros "Der gute Hirte" einen Silbernen Bären entgegengenommen.
"Begrenzt realistisch" und "kreative Verharmlosung"
Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hat die Oscar-Auszeichnung als "Zeichen für einen Epochenwandel" begrüßt. Hier sei offenbar eine neue Generation von Filmemachern herangewachsen, die sich dem Thema der kommunistischen Diktatur in der DDR auf andere Weise nähert, als diejenigen, die dabei gewesen sind, sagte Knabe. Bezeichnend sei allerdings, dass ausgerechnet die Geschichte vom "guten Stasi-Mann" diesen durchschlagenden Erfolg hat, betonte er. Eine solche Figur habe es im realen Leben leider nie gegeben. Deswegen habe er den Film damals auch nur als "begrenzt realistisch" bewertet. Knabe fügte hinzu, er habe mit Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck lange Diskussionen geführt, weil dieser im ehemaligen Stasi-Gefängnis in Hohenschönhausen drehen wollte. Er habe es jedoch für "höchst problematisch gehalten", die Geschichte um einen fiktiven guten Stasi-Mann an einem authentischen Ort zu drehen. Da der Regisseur ihm keinen solchen Fall nennen konnte, habe er damals die Erteilung eine Drehgenehmigung abgelehnt.
Kritik, bei all dem Jubel, kam auch von dem früheren DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz. "'Das Leben der Anderen' hat keinen Oscar verdient. Streng genommen auch keinen deutschen und europäischen Filmpreis", kritisierte Schulz auf "Welt Online". "Der gravierendste Fehler des Films besteht darin, dass es einen solchen Stasi-Offizier, der unter Lebensgefahr einen Dissidenten rettet, nicht gab und im System begründet liegt, warum es ihn nie geben konnte. Steven Spielberg wäre weltweit zerpflückt worden, hätte er sich Oskar Schindler und dessen Liste ausgedacht. Roman Polanski wäre es mit dem "Pianisten" ähnlich ergangen. Mit der DDR-Geschichte kann man offenbar losgelöst von historischer Authentizität frei und phantasievoll umgehen. Vermutlich ist dem Erfinder die kreative Verharmlosung gar nicht bewusst."
albi/Reuters/AFP/ddp/dpa/AP