
Fritz-Bauer-Film: Vergessenes Vorbild
"Der Staat gegen Fritz Bauer" Großes Nazijäger-Kino
Der Anfang der Fiktion ähnelt dem Ende in der Wirklichkeit: ein Mann liegt in einer Badewanne, Schlaftabletten und ein Rotweinglas auf dem Wannenrand. Ein Unglücksfall, wie der Gerettete später sagen wird: "Wollte ich mich umbringen, würde ich dafür meine Pistole benutzen."
Es ist ein gefährdetes Leben, das der hessische Oberstaatsanwalt Fritz Bauer Ende der Fünfzigerjahre führt. 1936 vor den Nazis nach Skandinavien geflohen, war der Jurist und Sozialdemokrat 1949 in die Bundesrepublik zurückgekehrt, 1956 wurde er Generalstaatsanwalt in Hessen. Dass er am Aufspüren des Kriegsverbrechers Adolf Eichmann in Argentinien entscheidenden Anteil hatte, wurde erst nach seinem Tod bekannt.
Zu seinen Lebzeiten verknüpfte sich Bauers Name vor allem mit dem Auschwitz-Prozess, in dem ab 1963 erstmals seit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen in großem Maßstab die nationalsozialistische Vergangenheit aufgearbeitet wurde, die in Zeiten von Wiederaufbau und Wirtschaftswunder nur allzu gerne verdrängt wurde.
Für den Regisseur Lars Kraume ist Bauer ein deutscher Held, ein Vorbild, dessen Name viel zu wenig bekannt ist. Das könnte sich mit seinem Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" jetzt endlich ändern.
Im Video: Kino in Kürze - "Der Staat gegen Fritz Bauer"
Es ist nicht der erste Versuch, den Namen Fritz Bauer bekannter zu machen: Christian Petzold hat ihm seinen Film "Phoenix" gewidmet, und der soeben als deutscher Beitrag für den Auslands-Oscar eingereichte Film "Im Labyrinth des Schweigens" erzählt die Geschehnisse um die Aufspürung Eichmanns und die Vorbereitung des Auschwitz-Prozesses aus der Perspektive eines jungen Staatsanwaltes aus Bauers Team.
Auch der Jurist und "SZ"-Redakteur Ronen Steinke betont in seiner 2013 vorgelegten Biografie "Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht", dass die beiden "hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten über ihn", Matthias Meuschs Dissertation von 2001 und Irmtrud Wojaks Habilitation von 2009, dessen Wirken "einem breiteren Publikum nur wenig zugänglich" gemacht hätten.
Kraumes Film zeigt sich mit den Erkenntnissen dieser Publikationen ebenso vertraut wie mit den Dokumenten, die im vergangenen Jahr in einer Bauer-Ausstellung in Frankfurt präsentiert wurden: darunter das "Treuebekenntnis einstiger Sozialdemokraten" (mit dessen Unterzeichnung sich Bauer im Herbst 1933 aus der Haft befreite) und Protokolle der dänischen Ausländerpolizei, in denen er sich 1936 zu homosexuellen Kontakten bekannte.
Bauer wollte kein Rachejurist sein
Diese Kontakte haben mittlerweile einen Streit um die Person Bauers entfacht: Während die einen sagen, dadurch werde sein Ansehen beschädigt, argumentieren andere, dies gehöre zu Bauers Persönlichkeit ebenso wie die Tatsache, dass er, selber jüdisch, während seiner Amtszeit Distanz zu jüdischen Organisationen hielt.
"Er wollte nicht als 'Rachejurist' eingestuft werden", so Lars Kraume, dessen Film Bauer in seiner Widersprüchlichkeit gerecht zu werden versucht. "Wir haben gesagt, wir erzählen die Geschichte der Erlösung eines Mannes, der sich einmal der Tyrannei der Nazis unterworfen hat, der zurückkommt und diese Erniedrigung auslöschen will. Ein Mann, der erkennt, dass es eine junge Generation gibt, die etwas anderes will."
Für diese junge Generation steht im Film der Staatsanwalt Angermann, von Ronald Zehrfeld mit überraschender Sanftheit verkörpert. Am Ende wird er sich, wegen seiner Homosexualität von einem BKA-Mann erpresst, weigern, Bauer ans Messer zu liefern.
Ein Vorbild für die Kameradschaft dieser beiden Männer war, so Kraume, die Freundschaft zwischen Bauer und Thomas Harlan. Der Sohn des berüchtigten Nazi-Regisseurs Veit Harlan ("Jud Süß") spürte seit Mitte der Fünfzigerjahre auf eigene Faust Alt-Nazis im Beamtenapparat der Bundesrepublik auf und recherchierte dafür jahrelang in polnischen Archiven, auch mit Unterstützung Bauers.
Gerade ist eine Sammlung der Briefe Bauers an Thomas Harlan erschienen ("Von Gott und der Welt verlassen", Campus Verlag), Dokument einer Freundschaft, aber oft auch quälend zu lesen, wenn Bauer vom Kampf gegen Mitarbeiter der eigenen Behörde (die er einmal als "Feindesland" titulierte) und von der eigenen Erschöpfung in deren Folge berichtet.
Wie "Im Labyrinth des Schweigens" wählt auch "Der Staat gegen Fritz Bauer" die Vorbereitung des Auschwitz-Prozesses und das Bemühen um die Aufspürung Adolf Eichmanns als zeitlichen Rahmen. Wo der Film von Giulio Ricciarelli sich dabei zeitweise der Erzählmechanismen des Politthrillers bediente, da bleibt Kraume verhaltener und stellt ganz seine Figuren in den Mittelpunkt.
Auch wenn sie gelegentlich zeithistorische Zusammenhänge deklamieren müssen, ist ihm damit doch ein überzeugender Film gelungen - mit einem Burghart Klaußner in der Titelrolle, der nicht nur dem historischen Bauer verblüffend ähnlich sieht, sondern der Figur auch durch viele Details, etwa der schwäbischen Sprachfärbung, Individualität verleiht.
Deutschland 2015
Regie: Lars Kraume
Drehbuch: Lars Kraume, Olivier Guez
Darsteller: Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Sebastian Blomberg, Laura Tonke, Michael Schenk, Dani Levy
Produktion: Terz Filmproduktion, Zero One Film
Verleih: Alamode Film
Länge: 105 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Start: 1. Oktober 2015
"Der Staat gegen Fritz Bauer" - Offizielle Website