
Deutscher Filmpreis 2013 Junge, sind die lässig
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Wenn alles, was du zum Arbeiten hast, deine Gesichtszüge sind, willst du sie natürlich ordentlich in Bewegung halten. Altes Schauspielerproblem. Michael Gwisdek, bei dem fast immer alles in Bewegung ist und der mit seinen 71 Jahren trotzdem der coolste Hund des deutschen Kinos ist, bringt das Dilemma bei seinem Auftritt für den Deutschen Filmpreis 2013 auf den Punkt. "Da spielst du dir die Seele aus dem Arsch", so der Schauspieler-Veteran, "und dann kommt einer und sagt: 'Das glaube ich dir nicht.'"
Am Freitagabend sitzt Michael Gwisdek neben seinem Sohn Robert im Berliner Friedrichstadt-Palast, beide sind als beste Nebendarsteller nominiert, der Alte für "Oh Boy", der Junge für "Das Wochenende", beide sind Konkurrenten. Die Szene, von der Michael Gwisdek auf der Bühne erzählt, trug sich mal bei einer Probe zwischen ihnen zu. Die entscheidende Aussage des Sohnes, beim Spielen mal ein bisschen vom Gas zu gehen, nahm der Vater dann auf das nächste Filmset mit. Da musste er wieder mit so einem jungen lässigen Minimalisten drehen, in diesem Falle Tom Schilling. Gwisdek fuhr damals also erst mal die Gesichtsmimik runter - und darf nun dafür am Freitag die Lola als bester Nebendarsteller in Empfang nehmen.
Es ist eine von insgesamt sechs Trophäen, die der wunderbar lakonische Zeittotschlägerfilm "Oh Boy" einsammeln wird. Im Vorfeld hatte es eine Art Duell zwischen der Berliner Indie-Produktion und dem international co-produzierten Überwältigungsspektakel "Cloud Atlas" gegeben. Am Freitag geht der kleine Film nun als großer Sieger hervor. Während "Cloud Atlas" nur in den Nebenkategorien bedacht wird, holt "Oh Boy" alle wichtigen Preise, sechs Stück insgesamt. Auch Drehbuch, Regie und Hauptdarsteller Schilling werden ausgezeichnet.
Weniger tun, mehr strahlen
Am Ende schließlich, man ahnte es im Verlauf des Abends immer mehr, gibt es auch noch die Lola in Gold. Große Worte werden vom Team nicht gemacht: Regisseur Jan Ole Gerster freut sich auf der Bühne nur, dass all die Jahre des Vorsichhindenkens, Amtresenhockens und endlosen Kaffeetrinkens vor seinem Debütfilm nun rückwirkend als Rechercheleistung verbucht werden können.
Weniger machen, mehr strahlen: Das ist das Gewinnermotto der diesjährigen Lola-Verleihung. Es ist, als ob die Schwarzweiß-Ballade "Oh Boy" an diesen Abend sämtliche Farbe aus dem unangenehm bunten, scheußlich aufgeregten und vom ZDF zur Spätausstrahlung desaströs zusammengeschnittenen Showreigen ziehen würde. Ballettfräuleins in entwürdigenden roten Latex-Höschen und nicht minder entwürdigenden blinkenden Neon-Schlüpfern verblassen glatt gegen die wortkargen Auftritte der "Oh Boy"-Boys in ihren schwarzen Sixties-Anzügen und schmalen Schlipsen. Es ist, als ob da gleich der junge Charles Aznavour und der junge Maurice Ronet aus den Kulissen flaniert kommen würden. Nouvelle-Vague-Atmo beim deutschen Filmpreis, wer hätte sowas für möglich gehalten?
So ist das doch sehr überschaubare deutsche Filmgeschäft immer mal wieder für Überraschungen gut. Letztes Jahr wurden bei den Lolas vor allem große Dramen über die Stasi, das Sterben und den Neonazismus ausgezeichnet, im Jahr davor bewies das hiesige Kino mit einigen passablen Komödien, dass es sich durchaus auf Humor versteht. Das mit dem Lachen war allerdings nur ein kurzer Sommer. Diesmal wurden alle Lustspiele in die Kategorie Publikumspreis abgeschoben, wo sich dann am Ende das Klemmi-Komödchen "Die Schlussmacher" gegen "Kokowääh 2" und "Türkisch für Anfänger" durchsetzte.
Nein, zum Lachen gab es diesmal nicht viel bei der Lola-Gala. Dafür präsentierte sich das sonst souverän düstere oder angestrengt komische deutsche Kino in ganz neuer Form. Lakonisch, lässig, gut.
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Ein Hauch von Nouvelle Vague beim deutschen Filmpreis 2013: Tom Schilling nimmt seine Lola als bester Hauptdarsteller entgegen.
Dankeskuss für Lola: Barbara Sukowa erhielt den Deutschen Filmpreis 2013 als beste Schauspielerin für ihre Rolle in "Hannah Arendt". In dem Film von Margarethe von Trotta spielt Sukowa die deutsch-jüdische Philosophin.
Christine Schorn wurde für ihre Darstellung in der Tragikomödie "Das Leben ist nichts für Feiglinge" mit der Goldenen Lola für die beste weibliche Nebenrolle ausgezeichnet.
Matchwinner des Lola-Abends: "Oh Boy" von Autor und Regisseur Jan Ole Gerster wurde sechsmal ausgezeichnet, mit den Preisen für den besten deutschen Spielfilm, die beste Regie, das beste Drehbuch, den besten männlichen Haupt-, den besten männlichen Nebendarsteller, die beste Filmmusik.
Die Begrüßung des Publikums im Berliner Friedrichstadt-Palast übernahmen Iris Berben (links), Präsidentin der Deutschen Filmakademie, und die Moderatorin Mirjam Weichselbraun.
Marius Müller-Westernhagen absolvierte einen seiner selten gewordenen Live-Auftritte.
Die Dame links ist die Lola, die rechts ist die gülden gewandete Eva Padberg.
Schauspielerin Susanne Bohrmann hat bereits einen Grimme-Preis im Sack, sie kann solche Veranstaltungen also locker angehen.
Geht es Ihnen auch so? Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass Ursula Karven (links) und Natalia Wörner die Frisuren hätten tauschen sollen.
Hier passt Hairstyle perfekt zum Outfit: Marie Bäumer.
Kleid? Nö. Jasmin Gerat erschien im feuerroten Dreiteiler.
Schöner Kleider-Kontrast: Bettina Zimmermann neben Sibel Kekilli.
Kurz darauf sank Bettina Zimmermann anbetend in die Knie, nämlich vor ihrem Kollegen Martin Gwisdek. Der erhielt die Lola als bester Nebendarsteller.
Gwisdek hielt die bewegendste Dankesrede des Abends: Sein Sohn Robert war in derselben Kategorie nominiert gewesen, ging aber leer aus. Dabei sei es der Sohn gewesen, der ihm mit einem guten Rat das übertriebene Spielen ausgetrieben habe, erzählte der Senior: "Sag doch einfach nur den Text."
Knallig in der Farbwahl: Mareike Carrière (in Begleitung von Michael Mendl).
Sie hatte, so scheint es, Spaß am Posing: Jessica Schwarz präsentiert den Tüll ihrer Corsage-Robe.
Wie anders dagegen der Stil von Birgit Minichmayr - ob sie sich in diesem Outfit nicht doch ein wenig underdressed fühlte?
Ein junger Mann zum Gernhaben: Matthias Schweighöfer (Regisseur und Hauptdarsteller) erhielt den Publikumspreis für die Komödie "Die Schlussmacher".
Wer so eng beieinander steht, lädt den Direktvergleich ein: Wir befinden also, dass Meret Becker (links) in ihrem schwarzen Wallekleid im Vergleich zu Heike Makatsch sehr unvorteilhaft abschneidet.
Apropos unverteilhaft: Regisseur Markus Imboden hätte für dieses Foto ein kleines Sekündchen den Bauch einziehen sollen. An seiner Seite: Martina Gedeck.
Frank Griebe dufte sich über eine Lola für seine Kameraarbeit in "Cloud Atlas" freuen.
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