

Was haben diese Songs miteinander zu tun: "99 Luftballons", "The Time of My Life" vom "Dirty Dancing"-Soundtrack und "Happy", der Sommerhit von vor fünf Jahren. Keine Ahnung?
Vielleicht kennen ja Filmakademie-Präsidentin Iris Berben und der Moderator der Filmpreis-Gala, Edin Hasanovic, den geheimen Zusammenhang des wirr zusammengewürfelten Medleys. Schließlich tanzten sie zu Beginn des Abends dazu. Dem Fernsehzuschauer jedenfalls erschloss er sich nicht. Immerhin stimmte die Choreografie schon einmal ein auf die profunde Ratlosigkeit, die der Rest der Veranstaltung mit sich bringen sollte.
Gerade erst hat sich der Musikpreis Echo, bei dem sich bisher auch eine Branche selbst feierte, gründlich selbst ins Aus geschossen. Edin Hasanovic schien zur Hebung der allgemeinen Stimmung geradezu auf einen ähnlichen Skandalmoment zu hoffen, jedenfalls raunte er immer etwas von einem Eklat, der sicher noch vor laufender Kamera passieren würde. Es passierte aber nichts. Nein, auch kein #MeToo-Moment.
Auseinandersetzung mit #MeToo? Herausgeschnitten
Irgendwie war der ja erwartet worden, warum eigentlich, weiß man nicht so genau - vielleicht, weil die Reden bei den Golden Globes und beim Oscar so schön emotional waren. Anders als in Hollywood aber herrscht in der deutschen Filmbranche zum Thema sexuelle Übergriffe allerdings das große Schweigen, abgesehen vom Fall Dieter Wedel natürlich. (Einen Bericht über die #MeToo-Debatte in Hollywood lesen Sie hier.)
So konnte es eigentlich nicht verwundern, dass das Thema geschäftsmäßig abgehandelt wurde. Die wenigen Worte, die Iris Berben und Kulturstaatsministerin Monika Grütters dazu verloren, wurden dem Fernsehzuschauer vorenthalten - ihre Reden waren in der zusammengeschnittenen Aufzeichnung nicht zu sehen. Der Abend wurde ja auch so lang genug.
Die Lola, so heißt die zu vergebende Statuette, soll ja so etwas wie der deutsche Oscar sein. Tatsächlich passt ein amerikanischer Ausdruck am besten, um zu beschreiben, wie sich die Gala für den Fernsehzuschauer anfühlte: awkward. Das Wort kann viel bedeuten: peinlich, umständlich, unangenehm, unbeholfen, linkisch. Alles traf zu:
Auf die Idee etwa, dass Edin Hasanovic anfängt zu singen, wenn die Gewinner mehr als eine Minute für Ihre Dankesrede brauchen.
Auf den Einspieler zur Wahl des besten Kinderfilms, in dem der schwarze Schauspieler Jerry Hoffmann ein Kind fragt, ob er ein Superheld sein könne, und der Junge sagt: "Nein, deine Haut ist zu dunkel." Und das Publikum im Saal johlt, weil es das anscheinend niedlich fand.
Auf all die betont locker und dabei so steif aufgesagten Anmoderationen zu den jeweiligen Preisen, die dann eckig im Raum stehen blieben und für einige Sekunden jede Regung aus dem Saal saugten, bevor endlich der erlösende Applaus einsetzte.
Auf die Verleihung der Lola für den umsatzstärksten Film an "Fack ju Göthe 3", bei der Iris Berben die erstaunliche Erkenntnis mitteilte, keine andere Filmreihe habe die Zuschauer so berührt. Und Katja Riemann sich dafür bedankte, dass hier eine Komödie ausgezeichnet werde, denn das zeige, dass die Filmakademie die Teilung zwischen Arthouse und Kommerz überwunden habe.
Die Einheit der Filmbranche gibt es nicht
Die Lola für "Fack Ju Göthe 3" war ja nun ausgerechnet der einzige Preis des Abends, der nicht von der Akademie vergeben wurde. Er bekam ihn einfach, weil sechs Millionen Zuschauer ihn im Kino gesehen hatten. Und dass die deutsche Filmbranche zu einer Einheit gefunden hätte, dürfte ebenso ins Reich der Legenden gehören, auch wenn die Bruder- und Schwesternschaft der Filmschaffenden während der Gala noch des Öfteren beschworen wurde.
Erst im Februar war der Regisseur Marc Rothemund aus der Filmakademie ausgetreten, weil sein Film "Mein Blind Date mit dem Leben" bei der Vorauswahl nicht berücksichtigt worden war. Er wirft der dafür zuständigen Kommission mangelnde Transparenz vor, und dass sie Kunstfilmen den Vorzug vor Publikumsfilmen gebe.
Würdige Sieger
Tatsächlich hat der große Gewinner des Abends, das mit sieben Lolas ausgezeichnete Drama "3 Tage in Quiberon", bisher 71.200 Zuschauer. "Mein Blind Date mit dem Leben" sahen 800.000 Kinogänger.
Nun ist der Deutsche Filmpreis aber eben nicht der Echo, der bis zu seiner Einstellung inhaltsblind einfach die umsatzstärksten Künstler auszeichnete. Sondern der am höchsten dotierte Kulturpreis in Deutschland. "3 Tage in Quiberon" ist ein würdiger Sieger, und dass Valeska Grisebachs mit Amateuren gedrehtes Bauarbeiterdrama "Western" hinter "Aus dem Nichts" den Filmpreis in Bronze erhielt, muss als geradezu mutige Entscheidung gelten.
Der Vorwurf der mangelnden Transparenz allerdings wird den Deutschen Filmpreis weiter verfolgen. Immerhin ist das Grundproblem, dass eine Branche sich mit Prämien aus Steuergeldern von insgesamt fast drei Millionen Euro selbst beschenkt, nicht aus der Welt. Was der Deutsche Filmpreis denn nun sein will - Auszeichnung mit kulturellem Anspruch oder große Show - ist ebenfalls nicht geklärt, und so sieht die Gala eben auch aus.
Es gab sie aber dann doch: Die Momente, in denen man die ganzen Querelen vergessen durfte. Marie Bäumer, die für ihre Darstellung der Romy Schneider in "3 Tage in Quiberon" mit dem Preis als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde, lachte und weinte gleichzeitig und sagte gerade heraus und unverstellt ins Mikrofon: "Ich bin so glücklich, ich freue mich!"
Da dämmerte dem Zuschauer, was das ganze Show-Brimborium nicht vermochte: Dieser Preis bedeutet den Ausgezeichneten wirklich etwas.
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Gemischter Auftakt: Zu Beginn der Gala tanzen Filmakademie-Präsidentin Iris Berben und der Moderator Edin Hasanovic zu einem Medley.
Gespielt wurden "99 Luftballons", "The Time of My Life" vom "Dirty Dancing"-Soundtrack und "Happy" - doch warum die Lieder ausgewählt wurden, erschloss sich dem Publikum nicht.
Betont locker und unglaublich steif: Schauspieler Edin Hasanovic moderierte den Abend.
Auch danach wurde es immer wieder unangenehm - allerdings nicht im unterhaltsamen Sinn. Zum Beispiel, als Iris Berben bei der Auszeichnung des umsatzstärksten Films "Fack ju Göthe 3" mitteilte, dass keine andere Filmreihe die Zuschauer so berührt habe.
Schauspielerin Diane Kruger und Fatih Akin feiern ihre Silberne Lola für "Aus dem Nichts": Dauerte eine Dankesrede zu lang, fing Moderator Edin Hasanovic an zu singen.
Doch es gab auch die würdigen Momente: "Ich bin so glücklich, ich freue mich", sagte Marie Bäumer, die für ihre Darstellung der Romy Schneider in "3 Tage in Quiberon" mit dem Preis als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde.
Gerührt war auch ihr Kollege Robert Gwisdek - der sich via Skype für seine Lola in der Kategorie Beste männliche Nebenrolle für den Film "3 Tage in Quiberon" bedankte.
Das Romy-Schneider-Drama "3 Tage in Quiberon" von Emily Atef hat die Goldene Lola als bester Spielfilm gewonnen. Der Film war mit zehn Nominierungen der große Favorit des Abends. Sieben Mal wurde das Drama am Ende ausgezeichnet.
Die Regisseurin des Films, Emily Atef (Mitte) durfte sich an dem Abend gleich mehrfach freuen: Sie erhielt den Preis für die beste Regie. Marie Bäumer (links), die in dem Drama die Hauptrolle übernahm, wurde als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Für sie sei mit diesem Film die Leidenschaft für das Kino noch einmal neu entfacht worden, sagte sie während der Preisverleihung. Rechts im Bild ist Birgit Minichmayr zu sehen.
Minichmayr spielte ebenfalls im Romy-Schneider-Film mit. Sie ist mit einer Lola als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet worden. Für den Schwaz-Weiß-Film schlüpfte sie in die Rolle der besten Freundin der mit dem Leben hadernden Romy Schneider. "2018 ist so, so gut zu mir", rief Minichmayr begeistert, als sie die Trophäe bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises entgegennahm.
Robert Gwisdek spielt in dem Film "Stern"-Reporter Michael Jürgs. Wie auch seine Filmkolleginnen erhielt er für seine Rolle eine Lola.
Szene aus Thomas Stubers Großmarkt-Liebesgeschichte «In den Gängen». Hauptdarsteller Franz Rogowski (rechts) bekam für seine Rolle als schweigsamer Christian den Preis für den besten Schauspieler.
Die silberne Lola, den zweiten Preis in der Kategorie bester Film, holte Fatih Akin für "Aus dem Nichts". Auch in der Kategorie "bestes Drehbuch gewannen die Macher des NSU-Dramas "Aus dem Nichts", Regisseur Akin und sein Co-Autor Hark Bohm. "Aus dem Nichts" hatte zuvor unter anderem bereits den Golden Globe gewonnen. Auf dem Bild ist Hauptdarstellerin Diane Kruger in einer Filmszene zu sehen. In Cannes war Kruger 2017 als beste Darstellerin ausgezeichnet worden.
Drehbuchautor Hark Bohm wurde ein zweites Mal geehrt: Für herausragende Verdienste um den deutschen Film bekam er zusätzlich die Ehrenlola.
Mit der Lola für den besucherstärksten Film ist Autor und Regisseur Bora Dagtekin für die Schulkomödie "Fack ju Göhte 3" ausgezeichnet worden. Mehr als sechs Millionen Besucher hatten den letzten Teil der Trilogie mit Elyas M'Barek in der Hauptrolle gesehen, insgesamt waren es mehr als 21 Millionen für alle drei Teile.
Der Dokumentarfilm "Beuys" von Andres Veiel hat die Doku-Lola gewonnen. In seinem wie eine Collage gestalteten Film erzählt Veiel vom Leben und Werk des Künstlers Joseph Beuys (1921-1986).
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